aber die Hierarchie bestand dennoch immer, weil die Klerisey reich genug war, sich Anhänger zu verschaffen und zu erhalten.
Im Anfange der Revolution, wo die Tilgung der National-Schulden das Thema des Tages war, fing man an, die Geistlichkeit finanziöser zu mustern. Man sah, daß für den Klerus eines Landes, das höchstens 25 Millionen Menschen zählte, ein Klerus, der 130 Millionen Livres Einkünfte hatte, viel zu reich wäre: dieser Klerus könne allerdings etwas von seinen unermeßlichen Schätzen, welche sich wenigstens auf 2600 Millionen belaufen müßten, zur Be- streitung der allgemeinen Bedürfnisse, zur Til- gung der ungeheuren Schulden u. s. w. hergeben. Daß von den Pfaffen selbst nicht viel zu schöpfen seyn würde, verstand sich schon von vorne. Man griff also zu, und die Nationalversammlung schaf- te alle Erzbisthümer ab, reducirte die Bisthü- mer auf 83 und hob alle geistlichen Zwinger, oder die Klöster auf.
Der König sanktionirte dieses Gesetz, und Non- nen und Mönche verließen ihre Zuchthäuser meist frohes Muthes: aber die Theologen, die Geistli- chen, welchen das Heil Israels am Herzen lag, wegen des Heils ihrer Küchen und Keller, waren nicht zufrieden mit der neuen Ordnung, und pro-
aber die Hierarchie beſtand dennoch immer, weil die Kleriſey reich genug war, ſich Anhaͤnger zu verſchaffen und zu erhalten.
Im Anfange der Revolution, wo die Tilgung der National-Schulden das Thema des Tages war, fing man an, die Geiſtlichkeit finanzioͤſer zu muſtern. Man ſah, daß fuͤr den Klerus eines Landes, das hoͤchſtens 25 Millionen Menſchen zaͤhlte, ein Klerus, der 130 Millionen Livres Einkuͤnfte hatte, viel zu reich waͤre: dieſer Klerus koͤnne allerdings etwas von ſeinen unermeßlichen Schaͤtzen, welche ſich wenigſtens auf 2600 Millionen belaufen muͤßten, zur Be- ſtreitung der allgemeinen Beduͤrfniſſe, zur Til- gung der ungeheuren Schulden u. ſ. w. hergeben. Daß von den Pfaffen ſelbſt nicht viel zu ſchoͤpfen ſeyn wuͤrde, verſtand ſich ſchon von vorne. Man griff alſo zu, und die Nationalverſammlung ſchaf- te alle Erzbisthuͤmer ab, reducirte die Bisthuͤ- mer auf 83 und hob alle geiſtlichen Zwinger, oder die Kloͤſter auf.
Der Koͤnig ſanktionirte dieſes Geſetz, und Non- nen und Moͤnche verließen ihre Zuchthaͤuſer meiſt frohes Muthes: aber die Theologen, die Geiſtli- chen, welchen das Heil Iſraels am Herzen lag, wegen des Heils ihrer Kuͤchen und Keller, waren nicht zufrieden mit der neuen Ordnung, und pro-
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aber die Hierarchie beſtand dennoch immer, weil
die Kleriſey reich genug war, ſich Anhaͤnger zu
verſchaffen und zu erhalten.
Im Anfange der Revolution, wo die Tilgung
der National-Schulden das Thema des Tages
war, fing man an, die Geiſtlichkeit finanzioͤſer
zu muſtern. Man ſah, daß fuͤr den Klerus
eines Landes, das hoͤchſtens 25 Millionen
Menſchen zaͤhlte, ein Klerus, der 130 Millionen
Livres Einkuͤnfte hatte, viel zu reich waͤre:
dieſer Klerus koͤnne allerdings etwas von ſeinen
unermeßlichen Schaͤtzen, welche ſich wenigſtens
auf 2600 Millionen belaufen muͤßten, zur Be-
ſtreitung der allgemeinen Beduͤrfniſſe, zur Til-
gung der ungeheuren Schulden u. ſ. w. hergeben.
Daß von den Pfaffen ſelbſt nicht viel zu ſchoͤpfen
ſeyn wuͤrde, verſtand ſich ſchon von vorne. Man
griff alſo zu, und die Nationalverſammlung ſchaf-
te alle Erzbisthuͤmer ab, reducirte die Bisthuͤ-
mer auf 83 und hob alle geiſtlichen Zwinger, oder
die Kloͤſter auf.
Der Koͤnig ſanktionirte dieſes Geſetz, und Non-
nen und Moͤnche verließen ihre Zuchthaͤuſer meiſt
frohes Muthes: aber die Theologen, die Geiſtli-
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wegen des Heils ihrer Kuͤchen und Keller, waren
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/239>, abgerufen am 27.11.2024.
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