Aber der Elsaß kann, so sehr man auch deut- scher Seits da[ra]uf gehofft hat, und Einige viel- leicht noch darauf hoffen, aus sehr natürlichen Ur- sachen dennoch niemals eine Vendee werden. Auch wüßte ich mich nicht zu entsinnen, daß in irgend einer Elsassischen Stadt ein Aufstand von Bedeutung wegen der Neuerungen gewesen wäre. Aber aus dem Angeführten läßt sichs doch erklären, warum gerade aus dem Elsaß gemeine Leute, Hand- werker, Bauern u. dgl. so häufig ausgewandert sind, da doch aus dem übrigen Frankreich blos Adeliche und Pfaffen, samt deren unadlichem An- hange, ihr Heil in andern Ländern gesucht haben.
Damit man nicht etwan glaube, als übertriebe ich meine Schilderung vom Elsaß: so will ich, zum Beschluß, einen Elsasser selbst darüber sprechen lassen. Es ist der Verfasser der sehr merkwürdigen Briefe über das Elsaß, besonders in Hin- sicht der wissenschaftlichen Kultur, der religiösen Aufklärung und des Patriotismus. (1792.) Ueber die Ursache der so großen Unwissenheit des Volkes und der Priester schreibt er S. 156: "Den- ken Sie sich ein Land, in welchem man keinen Be- griff davon hat, was eine gute Schulverfassung, und wie nöthig und nützlich eine gute und sorgfältige Erziehung der Jugend sey: so haben Sie das Bild der Schulverfassung des Elsasses genau getrof-
Aber der Elſaß kann, ſo ſehr man auch deut- ſcher Seits da[ra]uf gehofft hat, und Einige viel- leicht noch darauf hoffen, aus ſehr natuͤrlichen Ur- ſachen dennoch niemals eine Vendée werden. Auch wuͤßte ich mich nicht zu entſinnen, daß in irgend einer Elſaſſiſchen Stadt ein Aufſtand von Bedeutung wegen der Neuerungen geweſen waͤre. Aber aus dem Angefuͤhrten laͤßt ſichs doch erklaͤren, warum gerade aus dem Elſaß gemeine Leute, Hand- werker, Bauern u. dgl. ſo haͤufig ausgewandert ſind, da doch aus dem uͤbrigen Frankreich blos Adeliche und Pfaffen, ſamt deren unadlichem An- hange, ihr Heil in andern Laͤndern geſucht haben.
Damit man nicht etwan glaube, als uͤbertriebe ich meine Schilderung vom Elſaß: ſo will ich, zum Beſchluß, einen Elſaſſer ſelbſt daruͤber ſprechen laſſen. Es iſt der Verfaſſer der ſehr merkwuͤrdigen Briefe uͤber das Elſaß, beſonders in Hin- ſicht der wiſſenſchaftlichen Kultur, der religioͤſen Aufklaͤrung und des Patriotismus. (1792.) Ueber die Urſache der ſo großen Unwiſſenheit des Volkes und der Prieſter ſchreibt er S. 156: „Den- ken Sie ſich ein Land, in welchem man keinen Be- griff davon hat, was eine gute Schulverfaſſung, und wie noͤthig und nuͤtzlich eine gute und ſorgfaͤltige Erziehung der Jugend ſey: ſo haben Sie das Bild der Schulverfaſſung des Elſaſſes genau getrof-
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Aber der Elſaß kann, ſo ſehr man auch deut-
ſcher Seits darauf gehofft hat, und Einige viel-
leicht noch darauf hoffen, aus ſehr natuͤrlichen Ur-
ſachen dennoch niemals eine Vendée werden.
Auch wuͤßte ich mich nicht zu entſinnen, daß in
irgend einer Elſaſſiſchen Stadt ein Aufſtand von
Bedeutung wegen der Neuerungen geweſen waͤre.
Aber aus dem Angefuͤhrten laͤßt ſichs doch erklaͤren,
warum gerade aus dem Elſaß gemeine Leute, Hand-
werker, Bauern u. dgl. ſo haͤufig ausgewandert
ſind, da doch aus dem uͤbrigen Frankreich blos
Adeliche und Pfaffen, ſamt deren unadlichem An-
hange, ihr Heil in andern Laͤndern geſucht haben.
Damit man nicht etwan glaube, als uͤbertriebe
ich meine Schilderung vom Elſaß: ſo will ich, zum
Beſchluß, einen Elſaſſer ſelbſt daruͤber ſprechen
laſſen. Es iſt der Verfaſſer der ſehr merkwuͤrdigen
Briefe uͤber das Elſaß, beſonders in Hin-
ſicht der wiſſenſchaftlichen Kultur, der religioͤſen
Aufklaͤrung und des Patriotismus. (1792.)
Ueber die Urſache der ſo großen Unwiſſenheit des
Volkes und der Prieſter ſchreibt er S. 156: „Den-
ken Sie ſich ein Land, in welchem man keinen Be-
griff davon hat, was eine gute Schulverfaſſung,
und wie noͤthig und nuͤtzlich eine gute und ſorgfaͤltige
Erziehung der Jugend ſey: ſo haben Sie das Bild
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/319>, abgerufen am 21.11.2024.
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