ten -- Avignon gehörte vorzeiten dem Papste -- boten Geld über Geld, und der heilige Vater verbot die fernere Verarbeitung der gedruckten Leinwand in seiner eignen Stadt, damit die Einwohner einer fremden Stadt mehr Vortheil davon ziehen könnten. So väterlich sorgte der heilige Vater für seine Leute, und seine Leute -- darbten!
Zu Anfange der Revolution waren die Lyoner ganz auf Seiten der Assemblee nationale, aber so- bald sie sahen, daß eine Republikanische Verfassung statt haben sollte: gleich änderten sie ihre Gesinnun- gen. Bey dem vorgeschlagnen System des Födera- lismus waren nirgends eifrigere Vertheidiger dieser Fratze, als eben die Herren zu Lyon: denn da dach- ten sie doch wenigstens die zweyte vornehmste Re- publik unter den 84 fränkischen Republiketten aus- zumachen. Aber nichts wollte ihnen weniger in den Kopf, als die allgemeine Freyheit des Handels, weil dadurch alle ihre Monopolien wegfielen. So patriotisch dachten die Lyoner!
In Lyon hatte sich eben so, wie in den meisten französischen Städten, ein starker Klub von Volks- freunden, oder Jakobinern gesammelt, der aber frey- lich nur sehr wenige von den Großen und Reichen un- ter seine Mitglieder zählte. Da aber die Jakobiner sich besonders für ächte Patrioten ausgaben, und in dieser Rücksicht oft sehr anzüglich und verächtlich
ten — Avignon gehoͤrte vorzeiten dem Papſte — boten Geld uͤber Geld, und der heilige Vater verbot die fernere Verarbeitung der gedruckten Leinwand in ſeiner eignen Stadt, damit die Einwohner einer fremden Stadt mehr Vortheil davon ziehen koͤnnten. So vaͤterlich ſorgte der heilige Vater fuͤr ſeine Leute, und ſeine Leute — darbten!
Zu Anfange der Revolution waren die Lyoner ganz auf Seiten der Aſſemblée nationale, aber ſo- bald ſie ſahen, daß eine Republikaniſche Verfaſſung ſtatt haben ſollte: gleich aͤnderten ſie ihre Geſinnun- gen. Bey dem vorgeſchlagnen Syſtem des Foͤdera- lismus waren nirgends eifrigere Vertheidiger dieſer Fratze, als eben die Herren zu Lyon: denn da dach- ten ſie doch wenigſtens die zweyte vornehmſte Re- publik unter den 84 fraͤnkiſchen Republiketten aus- zumachen. Aber nichts wollte ihnen weniger in den Kopf, als die allgemeine Freyheit des Handels, weil dadurch alle ihre Monopolien wegfielen. So patriotiſch dachten die Lyoner!
In Lyon hatte ſich eben ſo, wie in den meiſten franzoͤſiſchen Staͤdten, ein ſtarker Klub von Volks- freunden, oder Jakobinern geſammelt, der aber frey- lich nur ſehr wenige von den Großen und Reichen un- ter ſeine Mitglieder zaͤhlte. Da aber die Jakobiner ſich beſonders fuͤr aͤchte Patrioten ausgaben, und in dieſer Ruͤckſicht oft ſehr anzuͤglich und veraͤchtlich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0349"n="345"/>
ten — Avignon gehoͤrte vorzeiten dem Papſte —<lb/>
boten Geld uͤber Geld, und der heilige Vater verbot die<lb/>
fernere Verarbeitung der gedruckten Leinwand in<lb/>ſeiner eignen Stadt, damit die Einwohner einer<lb/>
fremden Stadt mehr Vortheil davon ziehen koͤnnten.<lb/>
So vaͤterlich ſorgte der heilige Vater fuͤr ſeine Leute,<lb/>
und ſeine Leute — darbten!</p><lb/><p>Zu Anfange der Revolution waren die Lyoner<lb/>
ganz auf Seiten der <hirendition="#aq">Aſſemblée nationale</hi>, aber ſo-<lb/>
bald ſie ſahen, daß eine Republikaniſche Verfaſſung<lb/>ſtatt haben ſollte: gleich aͤnderten ſie ihre Geſinnun-<lb/>
gen. Bey dem vorgeſchlagnen Syſtem des Foͤdera-<lb/>
lismus waren nirgends eifrigere Vertheidiger dieſer<lb/>
Fratze, als eben die Herren zu Lyon: denn da dach-<lb/>
ten ſie doch wenigſtens die zweyte vornehmſte Re-<lb/>
publik unter den 84 fraͤnkiſchen Republiketten aus-<lb/>
zumachen. Aber nichts wollte ihnen weniger in den<lb/>
Kopf, als die allgemeine Freyheit des Handels,<lb/>
weil dadurch alle ihre Monopolien wegfielen. So<lb/>
patriotiſch dachten die Lyoner!</p><lb/><p>In Lyon hatte ſich eben ſo, wie in den meiſten<lb/>
franzoͤſiſchen Staͤdten, ein ſtarker Klub von Volks-<lb/>
freunden, oder Jakobinern geſammelt, der aber frey-<lb/>
lich nur ſehr wenige von den Großen und Reichen un-<lb/>
ter ſeine Mitglieder zaͤhlte. Da aber die Jakobiner<lb/>ſich beſonders fuͤr aͤchte Patrioten ausgaben, und<lb/>
in dieſer Ruͤckſicht oft ſehr anzuͤglich und veraͤchtlich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[345/0349]
ten — Avignon gehoͤrte vorzeiten dem Papſte —
boten Geld uͤber Geld, und der heilige Vater verbot die
fernere Verarbeitung der gedruckten Leinwand in
ſeiner eignen Stadt, damit die Einwohner einer
fremden Stadt mehr Vortheil davon ziehen koͤnnten.
So vaͤterlich ſorgte der heilige Vater fuͤr ſeine Leute,
und ſeine Leute — darbten!
Zu Anfange der Revolution waren die Lyoner
ganz auf Seiten der Aſſemblée nationale, aber ſo-
bald ſie ſahen, daß eine Republikaniſche Verfaſſung
ſtatt haben ſollte: gleich aͤnderten ſie ihre Geſinnun-
gen. Bey dem vorgeſchlagnen Syſtem des Foͤdera-
lismus waren nirgends eifrigere Vertheidiger dieſer
Fratze, als eben die Herren zu Lyon: denn da dach-
ten ſie doch wenigſtens die zweyte vornehmſte Re-
publik unter den 84 fraͤnkiſchen Republiketten aus-
zumachen. Aber nichts wollte ihnen weniger in den
Kopf, als die allgemeine Freyheit des Handels,
weil dadurch alle ihre Monopolien wegfielen. So
patriotiſch dachten die Lyoner!
In Lyon hatte ſich eben ſo, wie in den meiſten
franzoͤſiſchen Staͤdten, ein ſtarker Klub von Volks-
freunden, oder Jakobinern geſammelt, der aber frey-
lich nur ſehr wenige von den Großen und Reichen un-
ter ſeine Mitglieder zaͤhlte. Da aber die Jakobiner
ſich beſonders fuͤr aͤchte Patrioten ausgaben, und
in dieſer Ruͤckſicht oft ſehr anzuͤglich und veraͤchtlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/349>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.