Den Tag nach meiner Ankunft ging ich zum Com- missär, wie er mich bestellt hatte. Er las das Zeug- niß des Hauptmanns Landrin sehr aufmerksam durch, und sagte dann: Ja, du kannst vielleicht hier ankommen als Volontär bey den Truppen der Re- publik: aber da muß ich dich an einen Colonel wei- sen. Gehe hin auf den Place Marat zum Colonel von Montagne, der nimmt dich ohne Zweifel. Ich traf nun zwar den Colonel nicht, wohl aber einen andern Offizier, der mich, nachdem ich mein Anlie- gen eröffnet hatte, sogleich mitnahm, und in die Ecurie führte, wo eine ganze Kompagnie Ohnehosen beysammen Quartier hatte. Diese Ecurie war vor- zeiten ein prächtiges Gebäude nahe an der Saone, und hatte einem Prinzen zugehört. Man nannte diesen Palast seit der Revolution Ecurie oder Pfer- destall, um dadurch die Lebensart der ehemaligen Prinzen in Frankreich durchzuhecheln, die ausge- suchtes Futter gehabt hatten, ohne es zu verdienen, und eben so zügellos sich gebehrdeten, wie jedes un- bändige Pferd.
Hier fand ich Ohnehosen von allerley Volk: Deutsche, Italiäner, Spanier und Holländer, meistens Deserteurs; auch Kriegsgefangne mitun- ter, welche man zur Zeit des Aufstandes im mit- täglichen Frankreich bewaffnet hatte. Die meisten aber waren durchgängig Franzosen; und so war ihr
Den Tag nach meiner Ankunft ging ich zum Com- miſſaͤr, wie er mich beſtellt hatte. Er las das Zeug- niß des Hauptmanns Landrin ſehr aufmerkſam durch, und ſagte dann: Ja, du kannſt vielleicht hier ankommen als Volontaͤr bey den Truppen der Re- publik: aber da muß ich dich an einen Colonel wei- ſen. Gehe hin auf den Place Marat zum Colonel von Montagne, der nimmt dich ohne Zweifel. Ich traf nun zwar den Colonel nicht, wohl aber einen andern Offizier, der mich, nachdem ich mein Anlie- gen eroͤffnet hatte, ſogleich mitnahm, und in die Ecurie fuͤhrte, wo eine ganze Kompagnie Ohnehoſen beyſammen Quartier hatte. Dieſe Ecurie war vor- zeiten ein praͤchtiges Gebaͤude nahe an der Saone, und hatte einem Prinzen zugehoͤrt. Man nannte dieſen Palaſt ſeit der Revolution Ecurie oder Pfer- deſtall, um dadurch die Lebensart der ehemaligen Prinzen in Frankreich durchzuhecheln, die ausge- ſuchtes Futter gehabt hatten, ohne es zu verdienen, und eben ſo zuͤgellos ſich gebehrdeten, wie jedes un- baͤndige Pferd.
Hier fand ich Ohnehoſen von allerley Volk: Deutſche, Italiaͤner, Spanier und Hollaͤnder, meiſtens Deſerteurs; auch Kriegsgefangne mitun- ter, welche man zur Zeit des Aufſtandes im mit- taͤglichen Frankreich bewaffnet hatte. Die meiſten aber waren durchgaͤngig Franzoſen; und ſo war ihr
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Den Tag nach meiner Ankunft ging ich zum Com-
miſſaͤr, wie er mich beſtellt hatte. Er las das Zeug-
niß des Hauptmanns Landrin ſehr aufmerkſam
durch, und ſagte dann: Ja, du kannſt vielleicht hier
ankommen als Volontaͤr bey den Truppen der Re-
publik: aber da muß ich dich an einen Colonel wei-
ſen. Gehe hin auf den Place Marat zum Colonel
von Montagne, der nimmt dich ohne Zweifel. Ich
traf nun zwar den Colonel nicht, wohl aber einen
andern Offizier, der mich, nachdem ich mein Anlie-
gen eroͤffnet hatte, ſogleich mitnahm, und in die
Ecurie fuͤhrte, wo eine ganze Kompagnie Ohnehoſen
beyſammen Quartier hatte. Dieſe Ecurie war vor-
zeiten ein praͤchtiges Gebaͤude nahe an der Saone,
und hatte einem Prinzen zugehoͤrt. Man nannte
dieſen Palaſt ſeit der Revolution Ecurie oder Pfer-
deſtall, um dadurch die Lebensart der ehemaligen
Prinzen in Frankreich durchzuhecheln, die ausge-
ſuchtes Futter gehabt hatten, ohne es zu verdienen,
und eben ſo zuͤgellos ſich gebehrdeten, wie jedes un-
baͤndige Pferd.
Hier fand ich Ohnehoſen von allerley Volk:
Deutſche, Italiaͤner, Spanier und Hollaͤnder,
meiſtens Deſerteurs; auch Kriegsgefangne mitun-
ter, welche man zur Zeit des Aufſtandes im mit-
taͤglichen Frankreich bewaffnet hatte. Die meiſten
aber waren durchgaͤngig Franzoſen; und ſo war ihr
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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