dachte, wen ich vor mir hatte, schwieg endlich und ging. Aber von nun an war guter Rath theuer! Dentzel hatte das eigenhändige Billet des Kron- prinzen von Preußen in Händen: Dentzel war nichts weniger als verschwiegen, und Wein war sein Lieblingstrank. Wie leicht war es nun mög- lich, ein Wörtchen fallen zu lassen, das mir meinen Kopf hätte kosten können! Den Beleg dazu hatte er in Händen. Er konnte, wenn er mir sein Wort nicht halten wollte, diesen sogar benutzen, seine Treue und Anhänglichkeit für die Republik zu be- weisen, und sich beym National-Convent festeres Zutrauen und entschiedenes Uebergewicht über seine Gegner, vorzüglich über Laubadere, zu ver- schaffen. Das alles ließ sich als möglich denken: ich dachte es ohne Unterlaß, und meine Seele schwebte auf der Folter der Furcht ohne Aufhören. -- Und doch achtet man das Alles jezt wie für nichts.
Da ich, wie die Folge zeigen wird, so lange ich in Frankreich war, mehr denn einmal, als der Ver- rätherey verdächtig, vor Gericht gefodert, auch zweymal förmlich deswegen eingezogen, am Ende aber noch immer mit dem Leben davon gekommen bin: so muß man Dentzeln das Verdienst lassen, daß er, troz allen seinen Schwächen, dennoch Mann genug gewesen ist, der Französischen Nation
dachte, wen ich vor mir hatte, ſchwieg endlich und ging. Aber von nun an war guter Rath theuer! Dentzel hatte das eigenhaͤndige Billet des Kron- prinzen von Preußen in Haͤnden: Dentzel war nichts weniger als verſchwiegen, und Wein war ſein Lieblingstrank. Wie leicht war es nun moͤg- lich, ein Woͤrtchen fallen zu laſſen, das mir meinen Kopf haͤtte koſten koͤnnen! Den Beleg dazu hatte er in Haͤnden. Er konnte, wenn er mir ſein Wort nicht halten wollte, dieſen ſogar benutzen, ſeine Treue und Anhaͤnglichkeit fuͤr die Republik zu be- weiſen, und ſich beym National-Convent feſteres Zutrauen und entſchiedenes Uebergewicht uͤber ſeine Gegner, vorzuͤglich uͤber Laubadere, zu ver- ſchaffen. Das alles ließ ſich als moͤglich denken: ich dachte es ohne Unterlaß, und meine Seele ſchwebte auf der Folter der Furcht ohne Aufhoͤren. — Und doch achtet man das Alles jezt wie fuͤr nichts.
Da ich, wie die Folge zeigen wird, ſo lange ich in Frankreich war, mehr denn einmal, als der Ver- raͤtherey verdaͤchtig, vor Gericht gefodert, auch zweymal foͤrmlich deswegen eingezogen, am Ende aber noch immer mit dem Leben davon gekommen bin: ſo muß man Dentzeln das Verdienſt laſſen, daß er, troz allen ſeinen Schwaͤchen, dennoch Mann genug geweſen iſt, der Franzoͤſiſchen Nation
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dachte, wen ich vor mir hatte, ſchwieg endlich und
ging. Aber von nun an war guter Rath theuer!
Dentzel hatte das eigenhaͤndige Billet des Kron-
prinzen von Preußen in Haͤnden: Dentzel war
nichts weniger als verſchwiegen, und Wein war
ſein Lieblingstrank. Wie leicht war es nun moͤg-
lich, ein Woͤrtchen fallen zu laſſen, das mir meinen
Kopf haͤtte koſten koͤnnen! Den Beleg dazu hatte
er in Haͤnden. Er konnte, wenn er mir ſein Wort
nicht halten wollte, dieſen ſogar benutzen, ſeine
Treue und Anhaͤnglichkeit fuͤr die Republik zu be-
weiſen, und ſich beym National-Convent feſteres
Zutrauen und entſchiedenes Uebergewicht uͤber ſeine
Gegner, vorzuͤglich uͤber Laubadere, zu ver-
ſchaffen. Das alles ließ ſich als moͤglich denken:
ich dachte es ohne Unterlaß, und meine Seele
ſchwebte auf der Folter der Furcht ohne Aufhoͤren.
— Und doch achtet man das Alles jezt wie fuͤr
nichts.
Da ich, wie die Folge zeigen wird, ſo lange ich
in Frankreich war, mehr denn einmal, als der Ver-
raͤtherey verdaͤchtig, vor Gericht gefodert, auch
zweymal foͤrmlich deswegen eingezogen, am Ende
aber noch immer mit dem Leben davon gekommen
bin: ſo muß man Dentzeln das Verdienſt laſſen,
daß er, troz allen ſeinen Schwaͤchen, dennoch
Mann genug geweſen iſt, der Franzoͤſiſchen Nation
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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