nug herbey schaffen muß, daß aber auch die Kran- ken oft liegen bleiben, bis sie der Hinschaffung in die Hospitäler nicht mehr bedürfen. Was ist hier kanibalisch, was human? --
Zu Dijon brachte man uns in dasjenige Hos- pital, welches im ehemaligen Carmelitinnen-Klo- ster angelegt ist, und zu Ehreu des in Lyon hinge- richteten Chaillers Hopital Chailler genannt wird. Ich erhielt in einem großen Saale ein recht gutes Bette; und der Doktor Antoine, nebst den Feld- scheeren, gaben sich alle Mühe, mich herzustellen; und wenn meine Brustwunde damals nicht geheilt ist, so war es lediglich meine Schuld, und nicht die der französischen Chirurgen.
Ich hatte ein starkes Fieber, und der Arzt hielt dafür, daß es von übler Lebensart u. dgl. herkäme. Ich zeigte ihm meine Wunde: er schüttelte den Kopf sehr, und befahl dem Oberchirurgus, alleu Fleiß anzuwenden, daß dieser Fehler bald verbessert würde. Aber der Chirurgus machte mir alle Tage einen Wicken hinein, welches mich sehr schmerzte: ich ließ mir es aber gefallen, und der Feldscheer ver- band mich so fleißig, als der brave Antoine Arzney zu meiner Fieberkur vorschrieb. Da aber, wie es billig und recht ist, mehr eine angemeßne Diät, und genaue Wartung die Hauptsache der Kur bey den Franzosen jezt ausmacht: so er-
nug herbey ſchaffen muß, daß aber auch die Kran- ken oft liegen bleiben, bis ſie der Hinſchaffung in die Hoſpitaͤler nicht mehr beduͤrfen. Was iſt hier kanibaliſch, was human? —
Zu Dijon brachte man uns in dasjenige Hos- pital, welches im ehemaligen Carmelitinnen-Klo- ſter angelegt iſt, und zu Ehreu des in Lyon hinge- richteten Chaillers Hôpital Chailler genannt wird. Ich erhielt in einem großen Saale ein recht gutes Bette; und der Doktor Antoine, nebſt den Feld- ſcheeren, gaben ſich alle Muͤhe, mich herzuſtellen; und wenn meine Bruſtwunde damals nicht geheilt iſt, ſo war es lediglich meine Schuld, und nicht die der franzoͤſiſchen Chirurgen.
Ich hatte ein ſtarkes Fieber, und der Arzt hielt dafuͤr, daß es von uͤbler Lebensart u. dgl. herkaͤme. Ich zeigte ihm meine Wunde: er ſchuͤttelte den Kopf ſehr, und befahl dem Oberchirurgus, alleu Fleiß anzuwenden, daß dieſer Fehler bald verbeſſert wuͤrde. Aber der Chirurgus machte mir alle Tage einen Wicken hinein, welches mich ſehr ſchmerzte: ich ließ mir es aber gefallen, und der Feldſcheer ver- band mich ſo fleißig, als der brave Antoine Arzney zu meiner Fieberkur vorſchrieb. Da aber, wie es billig und recht iſt, mehr eine angemeßne Diaͤt, und genaue Wartung die Hauptſache der Kur bey den Franzoſen jezt ausmacht: ſo er-
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nug herbey ſchaffen muß, daß aber auch die Kran-
ken oft liegen bleiben, bis ſie der Hinſchaffung in
die Hoſpitaͤler nicht mehr beduͤrfen. Was iſt hier
kanibaliſch, was human? —
Zu Dijon brachte man uns in dasjenige Hos-
pital, welches im ehemaligen Carmelitinnen-Klo-
ſter angelegt iſt, und zu Ehreu des in Lyon hinge-
richteten Chaillers Hôpital Chailler genannt wird.
Ich erhielt in einem großen Saale ein recht gutes
Bette; und der Doktor Antoine, nebſt den Feld-
ſcheeren, gaben ſich alle Muͤhe, mich herzuſtellen;
und wenn meine Bruſtwunde damals nicht geheilt
iſt, ſo war es lediglich meine Schuld, und nicht
die der franzoͤſiſchen Chirurgen.
Ich hatte ein ſtarkes Fieber, und der Arzt hielt
dafuͤr, daß es von uͤbler Lebensart u. dgl. herkaͤme.
Ich zeigte ihm meine Wunde: er ſchuͤttelte den Kopf
ſehr, und befahl dem Oberchirurgus, alleu Fleiß
anzuwenden, daß dieſer Fehler bald verbeſſert wuͤrde.
Aber der Chirurgus machte mir alle Tage einen
Wicken hinein, welches mich ſehr ſchmerzte: ich
ließ mir es aber gefallen, und der Feldſcheer ver-
band mich ſo fleißig, als der brave Antoine
Arzney zu meiner Fieberkur vorſchrieb. Da aber,
wie es billig und recht iſt, mehr eine angemeßne
Diaͤt, und genaue Wartung die Hauptſache der
Kur bey den Franzoſen jezt ausmacht: ſo er-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/442>, abgerufen am 25.11.2024.
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