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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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wollten was neues wissen. Ich erzählte ihnen gern,
und gewann dadurch immer mehr in ihrer Gunst.

Bey dem Hospital war ein sehr großer Garten, der
ehedem zum Kloster gehört hatte, jezt aber zum
Vortheile des Hospitals gebauet wurde, und den
Kranken zur Erholung diente. In diesem Garten
habe ich manche frohe Stunde zugebracht.

So oft ich auf den Abtritt ging, mußte ich allemal
lachen. Es war ein sehr geräumiges Gemach, --
aber nicht das einzige im Spital -- welches mit
breiten Steinen belegt war. Diese Steine waren
vorher Grabsteine der ehemaligen Bewohnerinnen
dieses Klosters gewesen, und die schnakischen Leute
hatten sie so angebracht, daß man im Sitzen die
völlige Grabschrift lesen konnte. So stand z. B.
auf einem Steine des Abtrittpflasters: Hier liegt
Schwester Anna Olympia, geborne Gräfin von Mor-
bian, ihres Alters 42, ihrer Profession 26 Jahr: --
Hier liegt Schwester Clara Rosalia, geborne Baro-
nesse von Lamey, ihres Alters 69, ihrer Profession
50 Jahr. u. s. w. Es ist doch eine seltsame Sache
um eine Revolution: sogar die Grabsteine der heili-
gen Nonnen werden auf die Abtritte gelegt! --

Die Kapelle im Garten, worin s[o]nst ein Ma-
rienbild verehrt wurde, war zum Hinlegen der
Todten bestimmt, welche hernach, nach Verlauf
von dreymal 24 Stunden, vom Todtengräber vor

wollten was neues wiſſen. Ich erzaͤhlte ihnen gern,
und gewann dadurch immer mehr in ihrer Gunſt.

Bey dem Hoſpital war ein ſehr großer Garten, der
ehedem zum Kloſter gehoͤrt hatte, jezt aber zum
Vortheile des Hoſpitals gebauet wurde, und den
Kranken zur Erholung diente. In dieſem Garten
habe ich manche frohe Stunde zugebracht.

So oft ich auf den Abtritt ging, mußte ich allemal
lachen. Es war ein ſehr geraͤumiges Gemach, —
aber nicht das einzige im Spital — welches mit
breiten Steinen belegt war. Dieſe Steine waren
vorher Grabſteine der ehemaligen Bewohnerinnen
dieſes Kloſters geweſen, und die ſchnakiſchen Leute
hatten ſie ſo angebracht, daß man im Sitzen die
voͤllige Grabſchrift leſen konnte. So ſtand z. B.
auf einem Steine des Abtrittpflaſters: Hier liegt
Schweſter Anna Olympia, geborne Graͤfin von Mor-
bian, ihres Alters 42, ihrer Profeſſion 26 Jahr: —
Hier liegt Schweſter Clara Roſalia, geborne Baro-
neſſe von Lamey, ihres Alters 69, ihrer Profeſſion
50 Jahr. u. ſ. w. Es iſt doch eine ſeltſame Sache
um eine Revolution: ſogar die Grabſteine der heili-
gen Nonnen werden auf die Abtritte gelegt! —

Die Kapelle im Garten, worin ſ[o]nſt ein Ma-
rienbild verehrt wurde, war zum Hinlegen der
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[451/0455] wollten was neues wiſſen. Ich erzaͤhlte ihnen gern, und gewann dadurch immer mehr in ihrer Gunſt. Bey dem Hoſpital war ein ſehr großer Garten, der ehedem zum Kloſter gehoͤrt hatte, jezt aber zum Vortheile des Hoſpitals gebauet wurde, und den Kranken zur Erholung diente. In dieſem Garten habe ich manche frohe Stunde zugebracht. So oft ich auf den Abtritt ging, mußte ich allemal lachen. Es war ein ſehr geraͤumiges Gemach, — aber nicht das einzige im Spital — welches mit breiten Steinen belegt war. Dieſe Steine waren vorher Grabſteine der ehemaligen Bewohnerinnen dieſes Kloſters geweſen, und die ſchnakiſchen Leute hatten ſie ſo angebracht, daß man im Sitzen die voͤllige Grabſchrift leſen konnte. So ſtand z. B. auf einem Steine des Abtrittpflaſters: Hier liegt Schweſter Anna Olympia, geborne Graͤfin von Mor- bian, ihres Alters 42, ihrer Profeſſion 26 Jahr: — Hier liegt Schweſter Clara Roſalia, geborne Baro- neſſe von Lamey, ihres Alters 69, ihrer Profeſſion 50 Jahr. u. ſ. w. Es iſt doch eine ſeltſame Sache um eine Revolution: ſogar die Grabſteine der heili- gen Nonnen werden auf die Abtritte gelegt! — Die Kapelle im Garten, worin ſonſt ein Ma- rienbild verehrt wurde, war zum Hinlegen der Todten beſtimmt, welche hernach, nach Verlauf von dreymal 24 Stunden, vom Todtengraͤber vor

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/455>, abgerufen am 22.11.2024.