gen Kenntnißen. Ich erhielt von ihm, was ich wollte, und mehr als einmal gab er mir Papier- geld. Er meynte, wenn alle Deserteurs wären, wie ich, so wollte er mit Freuden jedem alle Wo- che eine Bonteille Wein geben. Einen davon hatte er in sein Haus genommen, und brauchte ihn zu seiner Bedienung.
Ich habe meine Zeit so ziemlich vergnügt in Dijon zugebracht: wenn ich mit meinen Lektionen fertig war, ging ich in die Weinschenke zu Vien- not, wo immer starke Gesellschaft war. Da ich schon vorher mit vielen Bürgern aus der Stadt be- kannt war, so mehrten sich meine Bekanntschaften immer, und da ich fleißig mitschwadronirte, so war ich wohl gelitten. Sehr oft wurde ich von den Gästen in die Weinschenken gerufen, um mit die- sem und jenem eine Flasche zu leeren: denn es ist dem Franzosen unmöglich, allein zu trinken: er muß schlechterdings einen Gesellschafter haben, der mit ihm plaudere und trinke.
Die Gespräche waren allemal politischen In- halts: man räsonnirte über den Krieg, über die Gesetze, über die dereinstige ächte Form der fran- zösischen Republik, und andre Gegenstände dieser Art. Da mir alle diese Dinge schon lange interes- sant waren, so konnte ich mich sehr dabey unterhal- ten; und da ich über alles das viel nachgedacht hat-
gen Kenntnißen. Ich erhielt von ihm, was ich wollte, und mehr als einmal gab er mir Papier- geld. Er meynte, wenn alle Deſerteurs waͤren, wie ich, ſo wollte er mit Freuden jedem alle Wo- che eine Bonteille Wein geben. Einen davon hatte er in ſein Haus genommen, und brauchte ihn zu ſeiner Bedienung.
Ich habe meine Zeit ſo ziemlich vergnuͤgt in Dijon zugebracht: wenn ich mit meinen Lektionen fertig war, ging ich in die Weinſchenke zu Vien- not, wo immer ſtarke Geſellſchaft war. Da ich ſchon vorher mit vielen Buͤrgern aus der Stadt be- kannt war, ſo mehrten ſich meine Bekanntſchaften immer, und da ich fleißig mitſchwadronirte, ſo war ich wohl gelitten. Sehr oft wurde ich von den Gaͤſten in die Weinſchenken gerufen, um mit die- ſem und jenem eine Flaſche zu leeren: denn es iſt dem Franzoſen unmoͤglich, allein zu trinken: er muß ſchlechterdings einen Geſellſchafter haben, der mit ihm plaudere und trinke.
Die Geſpraͤche waren allemal politiſchen In- halts: man raͤſonnirte uͤber den Krieg, uͤber die Geſetze, uͤber die dereinſtige aͤchte Form der fran- zoͤſiſchen Republik, und andre Gegenſtaͤnde dieſer Art. Da mir alle dieſe Dinge ſchon lange intereſ- ſant waren, ſo konnte ich mich ſehr dabey unterhal- ten; und da ich uͤber alles das viel nachgedacht hat-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0483"n="479"/>
gen Kenntnißen. Ich erhielt von ihm, was ich<lb/>
wollte, und mehr als einmal gab er mir Papier-<lb/>
geld. Er meynte, wenn alle Deſerteurs waͤren,<lb/>
wie ich, ſo wollte er mit Freuden jedem alle Wo-<lb/>
che eine Bonteille Wein geben. Einen davon hatte<lb/>
er in ſein Haus genommen, und brauchte ihn zu<lb/>ſeiner Bedienung.</p><lb/><p>Ich habe meine Zeit ſo ziemlich vergnuͤgt in<lb/>
Dijon zugebracht: wenn ich mit meinen Lektionen<lb/>
fertig war, ging ich in die Weinſchenke zu Vien-<lb/>
not, wo immer ſtarke Geſellſchaft war. Da ich<lb/>ſchon vorher mit vielen Buͤrgern aus der Stadt be-<lb/>
kannt war, ſo mehrten ſich meine Bekanntſchaften<lb/>
immer, und da ich fleißig mitſchwadronirte, ſo war<lb/>
ich wohl gelitten. Sehr oft wurde ich von den<lb/>
Gaͤſten in die Weinſchenken gerufen, um mit die-<lb/>ſem und jenem eine Flaſche zu leeren: denn es iſt<lb/>
dem Franzoſen unmoͤglich, allein zu trinken: er<lb/>
muß ſchlechterdings einen Geſellſchafter haben, der<lb/>
mit ihm plaudere und trinke.</p><lb/><p>Die Geſpraͤche waren allemal politiſchen In-<lb/>
halts: man raͤſonnirte uͤber den Krieg, uͤber die<lb/>
Geſetze, uͤber die dereinſtige aͤchte Form der fran-<lb/>
zoͤſiſchen Republik, und andre Gegenſtaͤnde dieſer<lb/>
Art. Da mir alle dieſe Dinge ſchon lange intereſ-<lb/>ſant waren, ſo konnte ich mich ſehr dabey unterhal-<lb/>
ten; und da ich uͤber alles das viel nachgedacht hat-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[479/0483]
gen Kenntnißen. Ich erhielt von ihm, was ich
wollte, und mehr als einmal gab er mir Papier-
geld. Er meynte, wenn alle Deſerteurs waͤren,
wie ich, ſo wollte er mit Freuden jedem alle Wo-
che eine Bonteille Wein geben. Einen davon hatte
er in ſein Haus genommen, und brauchte ihn zu
ſeiner Bedienung.
Ich habe meine Zeit ſo ziemlich vergnuͤgt in
Dijon zugebracht: wenn ich mit meinen Lektionen
fertig war, ging ich in die Weinſchenke zu Vien-
not, wo immer ſtarke Geſellſchaft war. Da ich
ſchon vorher mit vielen Buͤrgern aus der Stadt be-
kannt war, ſo mehrten ſich meine Bekanntſchaften
immer, und da ich fleißig mitſchwadronirte, ſo war
ich wohl gelitten. Sehr oft wurde ich von den
Gaͤſten in die Weinſchenken gerufen, um mit die-
ſem und jenem eine Flaſche zu leeren: denn es iſt
dem Franzoſen unmoͤglich, allein zu trinken: er
muß ſchlechterdings einen Geſellſchafter haben, der
mit ihm plaudere und trinke.
Die Geſpraͤche waren allemal politiſchen In-
halts: man raͤſonnirte uͤber den Krieg, uͤber die
Geſetze, uͤber die dereinſtige aͤchte Form der fran-
zoͤſiſchen Republik, und andre Gegenſtaͤnde dieſer
Art. Da mir alle dieſe Dinge ſchon lange intereſ-
ſant waren, ſo konnte ich mich ſehr dabey unterhal-
ten; und da ich uͤber alles das viel nachgedacht hat-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/483>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.