In Frankreich sind alle Justizämter ambulato- risch: Keiner bleibt lange Märe, Prokurator, Beysitzer u. s. f. Alle wissen den Punkt, wo sie abgehen müssen: daher haben auch alle den größ- ten und stärksten Beweggrund, recht zu thun und das Gesetz nicht zu beleidigen.
Es ist allerdings an dem, daß die jetzigen frän- zösischen Richter größtentheils nicht auf Universi- täten gewesen sind, keine Compendia und Sy[ste]mata studiert haben, und nicht Doktoren in utroque jure geworden sind. Allein die schlechte Justiz in Deutsch- land kömmt nicht aus der Unwissenheit der Rich- ter, sondern aus ihrem Privatinteresse: deswegen ve[ke]hren und verdrehen sie den klaren Ausspruch des Gesetzes, und machen die hellsten Sachen dun- kel und verwirrt. Uebrigens sehe ich auch nicht ein, warum ein französischer Bürger, der sich mit den ohnehin schon deutlichbestimmten Gesetzen ab- giebt, und sonst einen guten schlichten Verstand hat, nicht eben so gut das, was recht i[st], oder un- recht, lernen sollte, als einer von unsern Herren Akad[e]mikern, die nur so nothdürftig ein Kollegi- um bey einem Professor hören, dem andre Sach-
fältig genährt, ins unendliche vervielfältiget und gleichsam ver- ewiget w[e]rden, entdeckt, dabey aber auch zugleich die wirksamste[n] Mittel, diese verschiedene Quellen zu hemmen und zu verstopfen, an die Hand gegeben werden."
In Frankreich ſind alle Juſtizaͤmter ambulato- riſch: Keiner bleibt lange Maͤre, Prokurator, Beyſitzer u. ſ. f. Alle wiſſen den Punkt, wo ſie abgehen muͤſſen: daher haben auch alle den groͤß- ten und ſtaͤrkſten Beweggrund, recht zu thun und das Geſetz nicht zu beleidigen.
Es iſt allerdings an dem, daß die jetzigen fraͤn- zoͤſiſchen Richter groͤßtentheils nicht auf Univerſi- taͤten geweſen ſind, keine Compendia und Sy[ſte]mata ſtudiert haben, und nicht Doktoren in utroque jure geworden ſind. Allein die ſchlechte Juſtiz in Deutſch- land koͤmmt nicht aus der Unwiſſenheit der Rich- ter, ſondern aus ihrem Privatintereſſe: deswegen ve[ke]hren und verdrehen ſie den klaren Ausſpruch des Geſetzes, und machen die hellſten Sachen dun- kel und verwirrt. Uebrigens ſehe ich auch nicht ein, warum ein franzoͤſiſcher Buͤrger, der ſich mit den ohnehin ſchon deutlichbeſtimmten Geſetzen ab- giebt, und ſonſt einen guten ſchlichten Verſtand hat, nicht eben ſo gut das, was recht i[ſt], oder un- recht, lernen ſollte, als einer von unſern Herren Akad[e]mikern, die nur ſo nothduͤrftig ein Kollegi- um bey einem Profeſſor hoͤren, dem andre Sach-
fältig genährt, ins unendliche vervielfältiget und gleichſam ver- ewiget w[e]rden, entdeckt, dabey aber auch zugleich die wirkſamſte[n] Mittel, dieſe verſchiedene Quellen zu hemmen und zu verſtopfen, an die Hand gegeben werden.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0492"n="488"/><p>In Frankreich ſind alle Juſtizaͤmter ambulato-<lb/>
riſch: Keiner bleibt lange Maͤre, Prokurator,<lb/>
Beyſitzer u. ſ. f. Alle wiſſen den Punkt, wo ſie<lb/>
abgehen muͤſſen: daher haben auch alle den groͤß-<lb/>
ten und ſtaͤrkſten Beweggrund, recht zu thun und<lb/>
das Geſetz nicht zu beleidigen.</p><lb/><p>Es iſt allerdings an dem, daß die jetzigen fraͤn-<lb/>
zoͤſiſchen Richter groͤßtentheils nicht auf Univerſi-<lb/>
taͤten geweſen ſind, keine <hirendition="#aq">Compendia</hi> und <hirendition="#aq">Sy<supplied>ſte</supplied>mata</hi><lb/>ſtudiert haben, und nicht Doktoren <hirendition="#aq">in utroque jure</hi><lb/>
geworden ſind. Allein die ſchlechte Juſtiz in Deutſch-<lb/>
land koͤmmt nicht aus der Unwiſſenheit der Rich-<lb/>
ter, ſondern aus ihrem Privatintereſſe: deswegen<lb/>
ve<supplied>ke</supplied>hren und verdrehen ſie den klaren Ausſpruch<lb/>
des Geſetzes, und machen die hellſten Sachen dun-<lb/>
kel und verwirrt. Uebrigens ſehe ich auch nicht<lb/>
ein, warum ein franzoͤſiſcher Buͤrger, der ſich mit<lb/>
den ohnehin ſchon deutlichbeſtimmten Geſetzen ab-<lb/>
giebt, und ſonſt einen guten ſchlichten Verſtand<lb/>
hat, nicht eben ſo gut das, was recht i<supplied>ſt</supplied>, oder un-<lb/>
recht, lernen ſollte, als einer von unſern Herren<lb/>
Akad<supplied>e</supplied>mikern, die nur ſo nothduͤrftig ein Kollegi-<lb/>
um bey einem Profeſſor hoͤren, dem andre Sach-<lb/><notexml:id="note-0492"prev="#note-0491"place="foot"n="*)">fältig genährt, ins unendliche vervielfältiget und gleichſam ver-<lb/>
ewiget w<supplied>e</supplied>rden, entdeckt, dabey aber auch zugleich die wirkſamſte<supplied>n</supplied><lb/>
Mittel, dieſe verſchiedene Quellen zu hemmen und zu verſtopfen,<lb/>
an die Hand gegeben werden.“</note><lb/></p></div></body></text></TEI>
[488/0492]
In Frankreich ſind alle Juſtizaͤmter ambulato-
riſch: Keiner bleibt lange Maͤre, Prokurator,
Beyſitzer u. ſ. f. Alle wiſſen den Punkt, wo ſie
abgehen muͤſſen: daher haben auch alle den groͤß-
ten und ſtaͤrkſten Beweggrund, recht zu thun und
das Geſetz nicht zu beleidigen.
Es iſt allerdings an dem, daß die jetzigen fraͤn-
zoͤſiſchen Richter groͤßtentheils nicht auf Univerſi-
taͤten geweſen ſind, keine Compendia und Syſtemata
ſtudiert haben, und nicht Doktoren in utroque jure
geworden ſind. Allein die ſchlechte Juſtiz in Deutſch-
land koͤmmt nicht aus der Unwiſſenheit der Rich-
ter, ſondern aus ihrem Privatintereſſe: deswegen
vekehren und verdrehen ſie den klaren Ausſpruch
des Geſetzes, und machen die hellſten Sachen dun-
kel und verwirrt. Uebrigens ſehe ich auch nicht
ein, warum ein franzoͤſiſcher Buͤrger, der ſich mit
den ohnehin ſchon deutlichbeſtimmten Geſetzen ab-
giebt, und ſonſt einen guten ſchlichten Verſtand
hat, nicht eben ſo gut das, was recht iſt, oder un-
recht, lernen ſollte, als einer von unſern Herren
Akademikern, die nur ſo nothduͤrftig ein Kollegi-
um bey einem Profeſſor hoͤren, dem andre Sach-
*)
*) fältig genährt, ins unendliche vervielfältiget und gleichſam ver-
ewiget werden, entdeckt, dabey aber auch zugleich die wirkſamſten
Mittel, dieſe verſchiedene Quellen zu hemmen und zu verſtopfen,
an die Hand gegeben werden.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/492>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.