den müßte. Dentzels Sache blieb also noch ei- nige Zeit liegen.
Zu Anfange des Oktobers brachten die patrouilli- renden Reuter einen Menschen ein, welcher etwan vier Monate vorher vom 21ten Regimente desertirt war. Sie hatten ihn in den Weinbergen angetrof- fen, wohin er sich, wie er sagte, begeben hatte, um wieder zu seinen Republikanern zurück zu keh- ren, und dieß aus Reue über seine Desertion. Aber alle diese Ausflüchte halfen ihm nichts. Lauba- dere ließ Gericht über ihn halten, und er wurde, so sehr sich auch Delmas und der Obrist von der Reuterey (einer der solidesten, vortrefflichsten Män- ner, die Frankreich alle haben mag) dawider sezten, kurz hernach am deutschen Thore todtgeschossen. Laubadere sagte ganz kaltblütig: sie sollten ihm erst ein anderes Gesetz machen, dann wollte er dem Deserteur Pardon geben. Durch diesen Zug von gesetzlicher Gerechtigkeitsliebe hat sich aber der brave General weder bey der Garnison, noch bey der Lan- dauer Bürgerschaft beliebt gemacht.
Laubadere verlohr das Zutrauen der Lan- dauer Bürger durch folgenden Vorfall noch mehr. Da er muthmaßen konnte, daß die Belagerung noch lange anhalten dürfte, so wollte er ein Gesetz in Ausübung bringen, welches einen General autori- sirt, aus einer blokirten Stadt alle die zu entfernen,
den muͤßte. Dentzels Sache blieb alſo noch ei- nige Zeit liegen.
Zu Anfange des Oktobers brachten die patrouilli- renden Reuter einen Menſchen ein, welcher etwan vier Monate vorher vom 21ten Regimente deſertirt war. Sie hatten ihn in den Weinbergen angetrof- fen, wohin er ſich, wie er ſagte, begeben hatte, um wieder zu ſeinen Republikanern zuruͤck zu keh- ren, und dieß aus Reue uͤber ſeine Deſertion. Aber alle dieſe Ausfluͤchte halfen ihm nichts. Lauba- dere ließ Gericht uͤber ihn halten, und er wurde, ſo ſehr ſich auch Delmas und der Obriſt von der Reuterey (einer der ſolideſten, vortrefflichſten Maͤn- ner, die Frankreich alle haben mag) dawider ſezten, kurz hernach am deutſchen Thore todtgeſchoſſen. Laubadere ſagte ganz kaltbluͤtig: ſie ſollten ihm erſt ein anderes Geſetz machen, dann wollte er dem Deſerteur Pardon geben. Durch dieſen Zug von geſetzlicher Gerechtigkeitsliebe hat ſich aber der brave General weder bey der Garniſon, noch bey der Lan- dauer Buͤrgerſchaft beliebt gemacht.
Laubadere verlohr das Zutrauen der Lan- dauer Buͤrger durch folgenden Vorfall noch mehr. Da er muthmaßen konnte, daß die Belagerung noch lange anhalten duͤrfte, ſo wollte er ein Geſetz in Ausuͤbung bringen, welches einen General autori- ſirt, aus einer blokirten Stadt alle die zu entfernen,
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den muͤßte. Dentzels Sache blieb alſo noch ei-
nige Zeit liegen.
Zu Anfange des Oktobers brachten die patrouilli-
renden Reuter einen Menſchen ein, welcher etwan
vier Monate vorher vom 21ten Regimente deſertirt
war. Sie hatten ihn in den Weinbergen angetrof-
fen, wohin er ſich, wie er ſagte, begeben hatte,
um wieder zu ſeinen Republikanern zuruͤck zu keh-
ren, und dieß aus Reue uͤber ſeine Deſertion. Aber
alle dieſe Ausfluͤchte halfen ihm nichts. Lauba-
dere ließ Gericht uͤber ihn halten, und er wurde,
ſo ſehr ſich auch Delmas und der Obriſt von der
Reuterey (einer der ſolideſten, vortrefflichſten Maͤn-
ner, die Frankreich alle haben mag) dawider ſezten,
kurz hernach am deutſchen Thore todtgeſchoſſen.
Laubadere ſagte ganz kaltbluͤtig: ſie ſollten ihm
erſt ein anderes Geſetz machen, dann wollte er dem
Deſerteur Pardon geben. Durch dieſen Zug von
geſetzlicher Gerechtigkeitsliebe hat ſich aber der brave
General weder bey der Garniſon, noch bey der Lan-
dauer Buͤrgerſchaft beliebt gemacht.
Laubadere verlohr das Zutrauen der Lan-
dauer Buͤrger durch folgenden Vorfall noch mehr.
Da er muthmaßen konnte, daß die Belagerung noch
lange anhalten duͤrfte, ſo wollte er ein Geſetz in
Ausuͤbung bringen, welches einen General autori-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/55>, abgerufen am 22.11.2024.
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