meisten Franzosen sich auf moralische Principien, und auf den Zweck, den die Freyheit erzielen muß, nämlich auf die Beförderung des allgemeinen Be- sten gründe. Ich habe mehrmals Gelegenheit ge- habt, mit Leuten von Einsicht, besonders mit dem Kommendant Belin und dem Chirurgus Giba- sier und Vallee über die wahre Gestalt eines Republikaners zu reden, und das Resultat ihrer Erklärungen war allemal: daß blos ein fleißiger, ruhiger, mäßiger und gerechter Mann ein wahrer Bürger sey, und daß blos ein solcher eine Stütze seiner Republik werden könne: alle andre Vorzüge seyen blos Ornamente, und ohne Bürgertugend mehr schädlich als nützlich. Ich widersprach einst dem Belin, und sagte, daß ein reicher und tapfe- rer Mann doch auch eine Stütze des Staates sey; daß ein Gelehrter es gleichfalls seyn könne, auch ein Künstler, u. dgl. Er erwiederte:
Das ist wahr, aber blos dann, wenn sie die Tugenden besitzen, von welchen ich gesprochen habe. Sonst Schade was auf ihren Reichthum, ihren Muth und ihre Wissenschaften! Dir sollt' ich das kaum beweisen, aber ich will es thun. Wenn der Reichthum an sich, dem Staate nüzte, so müßte Crassus, der Römer, ein sehr nützlicher Bürger gewesen seyn, und doch war eben der Reichthum dieses Mannes Schuld, daß Roms Freyheit frü-
meiſten Franzoſen ſich auf moraliſche Principien, und auf den Zweck, den die Freyheit erzielen muß, naͤmlich auf die Befoͤrderung des allgemeinen Be- ſten gruͤnde. Ich habe mehrmals Gelegenheit ge- habt, mit Leuten von Einſicht, beſonders mit dem Kommendant Belin und dem Chirurgus Giba- ſier und Vallée uͤber die wahre Geſtalt eines Republikaners zu reden, und das Reſultat ihrer Erklaͤrungen war allemal: daß blos ein fleißiger, ruhiger, maͤßiger und gerechter Mann ein wahrer Buͤrger ſey, und daß blos ein ſolcher eine Stuͤtze ſeiner Republik werden koͤnne: alle andre Vorzuͤge ſeyen blos Ornamente, und ohne Buͤrgertugend mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich. Ich widerſprach einſt dem Belin, und ſagte, daß ein reicher und tapfe- rer Mann doch auch eine Stuͤtze des Staates ſey; daß ein Gelehrter es gleichfalls ſeyn koͤnne, auch ein Kuͤnſtler, u. dgl. Er erwiederte:
Das iſt wahr, aber blos dann, wenn ſie die Tugenden beſitzen, von welchen ich geſprochen habe. Sonſt Schade was auf ihren Reichthum, ihren Muth und ihre Wiſſenſchaften! Dir ſollt' ich das kaum beweiſen, aber ich will es thun. Wenn der Reichthum an ſich, dem Staate nuͤzte, ſo muͤßte Craſſus, der Roͤmer, ein ſehr nuͤtzlicher Buͤrger geweſen ſeyn, und doch war eben der Reichthum dieſes Mannes Schuld, daß Roms Freyheit fruͤ-
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meiſten Franzoſen ſich auf moraliſche Principien,
und auf den Zweck, den die Freyheit erzielen muß,
naͤmlich auf die Befoͤrderung des allgemeinen Be-
ſten gruͤnde. Ich habe mehrmals Gelegenheit ge-
habt, mit Leuten von Einſicht, beſonders mit dem
Kommendant Belin und dem Chirurgus Giba-
ſier und Vallée uͤber die wahre Geſtalt eines
Republikaners zu reden, und das Reſultat ihrer
Erklaͤrungen war allemal: daß blos ein fleißiger,
ruhiger, maͤßiger und gerechter Mann ein wahrer
Buͤrger ſey, und daß blos ein ſolcher eine Stuͤtze
ſeiner Republik werden koͤnne: alle andre Vorzuͤge
ſeyen blos Ornamente, und ohne Buͤrgertugend
mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich. Ich widerſprach einſt
dem Belin, und ſagte, daß ein reicher und tapfe-
rer Mann doch auch eine Stuͤtze des Staates ſey;
daß ein Gelehrter es gleichfalls ſeyn koͤnne, auch
ein Kuͤnſtler, u. dgl. Er erwiederte:
Das iſt wahr, aber blos dann, wenn ſie die
Tugenden beſitzen, von welchen ich geſprochen habe.
Sonſt Schade was auf ihren Reichthum, ihren
Muth und ihre Wiſſenſchaften! Dir ſollt' ich das
kaum beweiſen, aber ich will es thun. Wenn der
Reichthum an ſich, dem Staate nuͤzte, ſo muͤßte
Craſſus, der Roͤmer, ein ſehr nuͤtzlicher Buͤrger
geweſen ſeyn, und doch war eben der Reichthum
dieſes Mannes Schuld, daß Roms Freyheit fruͤ-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/126>, abgerufen am 21.11.2024.
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