Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

idyllisch-reizenden Rhein-Auen herumwanderten,
dann war unser Zeitvertreib, daß wir einige schöne
Stellen aus jenen illustern Alten wiederholten,
wovon mir mein nicht ganz untreues Gedächtniß
manche wieder angab. Da ergözten wir uns denn
das, und kehrten oft spät zu Herrn Schulmei-
ster zurück, um bey einem Glase Wein den Kom-
mentar über diesen und jenen Vers zu beendigen.
Ich weiß noch, daß wir uns drey Tage lang ge-
zankt haben, über folgende Verse des Virgilius:


Populus Alcidae gratissima, vitis laccho,
Formosae Myrtus Veneri, sua laurea Phoebo;
Phyllis amat corylos, illas dum Phyllis amabit,
Nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi.

Der Zwist betraf die Frage: ob im zweyten
Verse das gratissima zu wiederholen sey? Ich ver-
neinte es, und konstruirte Veneri sua (i. e. propria)
myrtus est &c.
Hr. Maier wollte das Ge-
gentheil.

Ich muß hier etwas erzählen, das freilich zu
Darmstadt nicht gefallen wird: allein die
Wahrheit muß heraus! Vielleicht schämen sich die
Herren, die sie betrift, und nehmen die Publicität
ihres Verfahrens zum Beweggrund, sich vor ähn-
lichen Streichen in der Zukunft fein hübsch zu hü-
ten. --


idylliſch-reizenden Rhein-Auen herumwanderten,
dann war unſer Zeitvertreib, daß wir einige ſchoͤne
Stellen aus jenen illuſtern Alten wiederholten,
wovon mir mein nicht ganz untreues Gedaͤchtniß
manche wieder angab. Da ergoͤzten wir uns denn
das, und kehrten oft ſpaͤt zu Herrn Schulmei-
ſter zuruͤck, um bey einem Glaſe Wein den Kom-
mentar uͤber dieſen und jenen Vers zu beendigen.
Ich weiß noch, daß wir uns drey Tage lang ge-
zankt haben, uͤber folgende Verſe des Virgilius:


Populus Alcidae gratiſſima, vitis laccho,
Formoſae Myrtus Veneri, ſua laurea Phoebo;
Phyllis amat corylos, illas dum Phyllis amabit,
Nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi.

Der Zwiſt betraf die Frage: ob im zweyten
Verſe das gratiſſima zu wiederholen ſey? Ich ver-
neinte es, und konſtruirte Veneri ſua (i. e. propria)
myrtus eſt &c.
Hr. Maier wollte das Ge-
gentheil.

Ich muß hier etwas erzaͤhlen, das freilich zu
Darmſtadt nicht gefallen wird: allein die
Wahrheit muß heraus! Vielleicht ſchaͤmen ſich die
Herren, die ſie betrift, und nehmen die Publicitaͤt
ihres Verfahrens zum Beweggrund, ſich vor aͤhn-
lichen Streichen in der Zukunft fein huͤbſch zu huͤ-
ten. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0220" n="216"/>
idylli&#x017F;ch-reizenden Rhein-Auen herumwanderten,<lb/>
dann war un&#x017F;er Zeitvertreib, daß wir einige &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Stellen aus jenen illu&#x017F;tern Alten wiederholten,<lb/>
wovon mir mein nicht ganz untreues Geda&#x0364;chtniß<lb/>
manche wieder angab. Da ergo&#x0364;zten wir uns denn<lb/>
das, und kehrten oft &#x017F;pa&#x0364;t zu Herrn <hi rendition="#g">Schulmei</hi>-<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;ter</hi> zuru&#x0364;ck, um bey einem Gla&#x017F;e Wein den Kom-<lb/>
mentar u&#x0364;ber die&#x017F;en und jenen Vers zu beendigen.<lb/>
Ich weiß noch, daß wir uns drey Tage lang ge-<lb/>
zankt haben, u&#x0364;ber folgende Ver&#x017F;e des <hi rendition="#g">Virgilius</hi>:</p><lb/>
        <quote>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#aq">Populus Alcidae grati&#x017F;&#x017F;ima, vitis laccho,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">Formo&#x017F;ae Myrtus Veneri, &#x017F;ua laurea Phoebo;</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">Phyllis amat corylos, illas dum Phyllis amabit,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">Nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi.</hi> </l>
          </lg>
        </quote><lb/>
        <p>Der Zwi&#x017F;t betraf die Frage: ob im zweyten<lb/>
Ver&#x017F;e das <hi rendition="#aq">grati&#x017F;&#x017F;ima</hi> zu wiederholen &#x017F;ey? Ich ver-<lb/>
neinte es, und kon&#x017F;truirte <hi rendition="#aq">Veneri &#x017F;ua (i. e. propria)<lb/>
myrtus e&#x017F;t &amp;c.</hi> Hr. <hi rendition="#g">Maier</hi> wollte das Ge-<lb/>
gentheil.</p><lb/>
        <p>Ich muß hier etwas erza&#x0364;hlen, das freilich zu<lb/><hi rendition="#g">Darm&#x017F;tadt</hi> nicht gefallen wird: allein die<lb/>
Wahrheit muß heraus! Vielleicht &#x017F;cha&#x0364;men &#x017F;ich die<lb/>
Herren, die &#x017F;ie betrift, und nehmen die Publicita&#x0364;t<lb/>
ihres Verfahrens zum Beweggrund, &#x017F;ich vor a&#x0364;hn-<lb/>
lichen Streichen in der Zukunft fein hu&#x0364;b&#x017F;ch zu hu&#x0364;-<lb/>
ten. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0220] idylliſch-reizenden Rhein-Auen herumwanderten, dann war unſer Zeitvertreib, daß wir einige ſchoͤne Stellen aus jenen illuſtern Alten wiederholten, wovon mir mein nicht ganz untreues Gedaͤchtniß manche wieder angab. Da ergoͤzten wir uns denn das, und kehrten oft ſpaͤt zu Herrn Schulmei- ſter zuruͤck, um bey einem Glaſe Wein den Kom- mentar uͤber dieſen und jenen Vers zu beendigen. Ich weiß noch, daß wir uns drey Tage lang ge- zankt haben, uͤber folgende Verſe des Virgilius: Populus Alcidae gratiſſima, vitis laccho, Formoſae Myrtus Veneri, ſua laurea Phoebo; Phyllis amat corylos, illas dum Phyllis amabit, Nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi. Der Zwiſt betraf die Frage: ob im zweyten Verſe das gratiſſima zu wiederholen ſey? Ich ver- neinte es, und konſtruirte Veneri ſua (i. e. propria) myrtus eſt &c. Hr. Maier wollte das Ge- gentheil. Ich muß hier etwas erzaͤhlen, das freilich zu Darmſtadt nicht gefallen wird: allein die Wahrheit muß heraus! Vielleicht ſchaͤmen ſich die Herren, die ſie betrift, und nehmen die Publicitaͤt ihres Verfahrens zum Beweggrund, ſich vor aͤhn- lichen Streichen in der Zukunft fein huͤbſch zu huͤ- ten. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/220
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/220>, abgerufen am 21.11.2024.