Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.Mann scheint mir nicht ganz unrecht zu haben: aber In Gießen logirte ich bey meiner alten Wir- *) Einer von den Kirchenvätern, ich besinne mich nicht gleich,
welcher, dachte eben so ketzerisch. "Eine schöne Frau, schrieb er, muß ich hüten, eine häßliche kann ich nicht lie- ben; eine reiche tyrannisirt mich durch Borrupfen, eine arme zwingt mich, unaufhörlich zu arbeiten; eine wollü- stige erschöpft mich, eine kalte verleitet mich zum Aus- schweifen; eine vernünftige ist äußerst selten, und eine unvernünftige ist ärger als alle Furien: kurz, varium et mutabile semper femina oder Weibersinn und Mondesschein also weg mit den Weibern!" So ketzerisch dachte einkönnten nie beständig seyn; Kirchenvater, ein Kastrat für den Himmel, die aber für die Erde oft auch kastrirt waren an Kopf und Herz. Wieland trat der Wahrheit näher, als er sang: Sekundus, der Pythagoräer Indeß -- wählst du gut, so hast du's gut, gilt auch hier;Sagt und erfuhrs an seinem eignen Leib, Es sey ein grillenhaftes Weib Bey Tag und oft bey Nacht ein schlimmer Zeitvertreib; Und ist sie schön, so steigt das Uebel höher; Gelehrt, belesen: Quellen neuer Pein; Doch giebt ihr gar ihr schwarzer Dämon ein, Den Drachen Von strenger Zucht und Ehrbarkeit zu machen, Dann mögen ihm die Götter gnädig seyn! und ein vernünftiger Mann zieht eine vernünftige Frau, außer meist da, wo an seiner Wahl äußere Vorzüge mehr Antheil hatten, als innere. Und dann -- wie sind wir Männer! -- Mann ſcheint mir nicht ganz unrecht zu haben: aber In Gießen logirte ich bey meiner alten Wir- *) Einer von den Kirchenvätern, ich beſinne mich nicht gleich,
welcher, dachte eben ſo ketzeriſch. „Eine ſchoͤne Frau, ſchrieb er, muß ich hüten, eine häßliche kann ich nicht lie- ben; eine reiche tyranniſirt mich durch Borrupfen, eine arme zwingt mich, unaufhoͤrlich zu arbeiten; eine wollü- ſtige erſchoͤpft mich, eine kalte verleitet mich zum Aus- ſchweifen; eine vernünftige iſt äußerſt ſelten, und eine unvernünftige iſt ärger als alle Furien: kurz, varium et mutabile ſemper femina oder Weiberſinn und Mondesſchein alſo weg mit den Weibern!“ So ketzeriſch dachte einkoͤnnten nie beſtändig ſeyn; Kirchenvater, ein Kaſtrat für den Himmel, die aber für die Erde oft auch kaſtrirt waren an Kopf und Herz. Wieland trat der Wahrheit näher, als er ſang: Sekundus, der Pythagoräer Indeß — wählſt du gut, ſo haſt du's gut, gilt auch hier;Sagt und erfuhrs an ſeinem eignen Leib, Es ſey ein grillenhaftes Weib Bey Tag und oft bey Nacht ein ſchlimmer Zeitvertreib; Und iſt ſie ſchoͤn, ſo ſteigt das Uebel hoͤher; Gelehrt, beleſen: Quellen neuer Pein; Doch giebt ihr gar ihr ſchwarzer Dämon ein, Den Drachen Von ſtrenger Zucht und Ehrbarkeit zu machen, Dann moͤgen ihm die Goͤtter gnädig ſeyn! und ein vernünftiger Mann zieht eine vernünftige Frau, außer meiſt da, wo an ſeiner Wahl äußere Vorzüge mehr Antheil hatten, als innere. Und dann — wie ſind wir Männer! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0257" n="253"/> Mann ſcheint mir nicht ganz unrecht zu haben: aber<lb/> vielleicht hat jener alte Philoſoph auch recht, wel-<lb/> cher einem Freunde auf die Frage: ob er heurathen<lb/> ſollte, zur Antwort gab: Du magſt es thun oder<lb/> nicht thun, es wird dich in beyden Faͤllen ge-<lb/> reuen. <note place="foot" n="*)"><p>Einer von den Kirchenvätern, ich beſinne mich nicht gleich,<lb/> welcher, dachte eben ſo ketzeriſch. „Eine <hi rendition="#g">ſchoͤne</hi> Frau,<lb/> ſchrieb er, muß ich hüten, eine <hi rendition="#g">häßliche</hi> kann ich nicht lie-<lb/> ben; eine <hi rendition="#g">reiche</hi> tyranniſirt mich durch Borrupfen, eine<lb/><hi rendition="#g">arme</hi> zwingt mich, unaufhoͤrlich zu arbeiten; eine <hi rendition="#g">wollü</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ſtige</hi> erſchoͤpft mich, eine <hi rendition="#g">kalte</hi> verleitet mich zum Aus-<lb/> ſchweifen; eine <hi rendition="#g">vernünftige</hi> iſt äußerſt ſelten, und eine<lb/><hi rendition="#g">unvernünftige</hi> iſt ärger als alle Furien: kurz, <hi rendition="#aq">varium<lb/> et mutabile ſemper femina</hi> oder</p><lb/><lg type="poem"><l>Weiberſinn und Mondesſchein</l><lb/><l>koͤnnten nie beſtändig ſeyn;</l></lg><lb/><p>alſo weg mit den Weibern!“ So ketzeriſch dachte ein<lb/> Kirchenvater, ein Kaſtrat für den Himmel, die aber für die<lb/> Erde oft auch kaſtrirt waren an Kopf und Herz. <hi rendition="#g">Wieland</hi><lb/> trat der Wahrheit näher, als er ſang:</p><lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#g">Sekundus</hi>, der Pythagoräer</l><lb/><l>Sagt und erfuhrs an ſeinem eignen Leib,</l><lb/><l>Es ſey ein grillenhaftes Weib</l><lb/><l>Bey Tag und oft bey Nacht ein ſchlimmer Zeitvertreib;</l><lb/><l>Und iſt ſie ſchoͤn, ſo ſteigt das Uebel hoͤher;</l><lb/><l>Gelehrt, beleſen: Quellen neuer Pein;</l><lb/><l>Doch giebt ihr gar ihr ſchwarzer Dämon ein,</l><lb/><l>Den Drachen</l><lb/><l>Von ſtrenger Zucht und Ehrbarkeit zu machen,</l><lb/><l>Dann moͤgen ihm die Goͤtter gnädig ſeyn!</l></lg><lb/><p>Indeß — wählſt du gut, ſo haſt du's gut, gilt auch hier;<lb/> und ein vernünftiger Mann zieht eine vernünftige Frau, außer<lb/> meiſt da, wo an ſeiner Wahl äußere Vorzüge mehr Antheil<lb/> hatten, als innere. Und dann — wie ſind wir Männer! —</p></note></p><lb/> <p>In <hi rendition="#g">Gießen</hi> logirte ich bey meiner alten Wir-<lb/> thin, der Frau <hi rendition="#g">Buſchin</hi>. Alles war neugierig,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0257]
Mann ſcheint mir nicht ganz unrecht zu haben: aber
vielleicht hat jener alte Philoſoph auch recht, wel-
cher einem Freunde auf die Frage: ob er heurathen
ſollte, zur Antwort gab: Du magſt es thun oder
nicht thun, es wird dich in beyden Faͤllen ge-
reuen. *)
In Gießen logirte ich bey meiner alten Wir-
thin, der Frau Buſchin. Alles war neugierig,
*) Einer von den Kirchenvätern, ich beſinne mich nicht gleich,
welcher, dachte eben ſo ketzeriſch. „Eine ſchoͤne Frau,
ſchrieb er, muß ich hüten, eine häßliche kann ich nicht lie-
ben; eine reiche tyranniſirt mich durch Borrupfen, eine
arme zwingt mich, unaufhoͤrlich zu arbeiten; eine wollü-
ſtige erſchoͤpft mich, eine kalte verleitet mich zum Aus-
ſchweifen; eine vernünftige iſt äußerſt ſelten, und eine
unvernünftige iſt ärger als alle Furien: kurz, varium
et mutabile ſemper femina oder
Weiberſinn und Mondesſchein
koͤnnten nie beſtändig ſeyn;
alſo weg mit den Weibern!“ So ketzeriſch dachte ein
Kirchenvater, ein Kaſtrat für den Himmel, die aber für die
Erde oft auch kaſtrirt waren an Kopf und Herz. Wieland
trat der Wahrheit näher, als er ſang:
Sekundus, der Pythagoräer
Sagt und erfuhrs an ſeinem eignen Leib,
Es ſey ein grillenhaftes Weib
Bey Tag und oft bey Nacht ein ſchlimmer Zeitvertreib;
Und iſt ſie ſchoͤn, ſo ſteigt das Uebel hoͤher;
Gelehrt, beleſen: Quellen neuer Pein;
Doch giebt ihr gar ihr ſchwarzer Dämon ein,
Den Drachen
Von ſtrenger Zucht und Ehrbarkeit zu machen,
Dann moͤgen ihm die Goͤtter gnädig ſeyn!
Indeß — wählſt du gut, ſo haſt du's gut, gilt auch hier;
und ein vernünftiger Mann zieht eine vernünftige Frau, außer
meiſt da, wo an ſeiner Wahl äußere Vorzüge mehr Antheil
hatten, als innere. Und dann — wie ſind wir Männer! —
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