dgl. hat. -- Handwerksbursche sind auf andern Universitäten durchaus von allem Umgang mit Studenten ausgeschlossen, heißen Gnoten von Genoten oder Genossen, und werden bey allen Ge- legenheiten geneckt und bekriegt.
Die Bedienten dürfen sich anderwärts vol- lends nicht rühren, wo der Student sich rührt. Aber in Jena ist das anders: da sizt Student, Philister, Gnote und Schuhputzer beysammen in der Kneipe, machen a bonne oder Brüder- schaft zusammen, tanzen zusammen, trinken zu- sammen u. s. w. Doch gilt die Freundschaft die- ser heterogenen Geschöpfe, auch in Jena, blos in den Kneipen: denn auf der Straße und an an- dern öffentlichen Oertern weiß auch der Herr Jenen- ser recht gut, daß er weder Philister noch Gnote ist. In Leipzig sollen die Studenten heimlich auch Gnoten-Freundschaft suchen; aber in Halle durchaus nicht.
Wenn ich auch hier ein Wort nach der Wahr- heit sprechen soll, so muß ich gestehen, daß die so- genannte Burschen-Sprache, und das mit ihr verwebte Burschenwesen auf der einen Sei- te einen kindischen Aristokratismus, und auf der andern eine Art von niedriger Sanskülotterie zum Grunde hat, und eben darum von jeder Univer- sität längst verbannt seyn sollte. Auf der Univer-
dgl. hat. — Handwerksburſche ſind auf andern Univerſitaͤten durchaus von allem Umgang mit Studenten ausgeſchloſſen, heißen Gnoten von Genoten oder Genoſſen, und werden bey allen Ge- legenheiten geneckt und bekriegt.
Die Bedienten duͤrfen ſich anderwaͤrts vol- lends nicht ruͤhren, wo der Student ſich ruͤhrt. Aber in Jena iſt das anders: da ſizt Student, Philiſter, Gnote und Schuhputzer beyſammen in der Kneipe, machen à bonne oder Bruͤder- ſchaft zuſammen, tanzen zuſammen, trinken zu- ſammen u. ſ. w. Doch gilt die Freundſchaft die- ſer heterogenen Geſchoͤpfe, auch in Jena, blos in den Kneipen: denn auf der Straße und an an- dern oͤffentlichen Oertern weiß auch der Herr Jenen- ſer recht gut, daß er weder Philiſter noch Gnote iſt. In Leipzig ſollen die Studenten heimlich auch Gnoten-Freundſchaft ſuchen; aber in Halle durchaus nicht.
Wenn ich auch hier ein Wort nach der Wahr- heit ſprechen ſoll, ſo muß ich geſtehen, daß die ſo- genannte Burſchen-Sprache, und das mit ihr verwebte Burſchenweſen auf der einen Sei- te einen kindiſchen Ariſtokratismus, und auf der andern eine Art von niedriger Sanskuͤlotterie zum Grunde hat, und eben darum von jeder Univer- ſitaͤt laͤngſt verbannt ſeyn ſollte. Auf der Univer-
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dgl. hat. — Handwerksburſche ſind auf andern
Univerſitaͤten durchaus von allem Umgang mit
Studenten ausgeſchloſſen, heißen Gnoten von
Genoten oder Genoſſen, und werden bey allen Ge-
legenheiten geneckt und bekriegt.
Die Bedienten duͤrfen ſich anderwaͤrts vol-
lends nicht ruͤhren, wo der Student ſich ruͤhrt.
Aber in Jena iſt das anders: da ſizt Student,
Philiſter, Gnote und Schuhputzer beyſammen
in der Kneipe, machen à bonne oder Bruͤder-
ſchaft zuſammen, tanzen zuſammen, trinken zu-
ſammen u. ſ. w. Doch gilt die Freundſchaft die-
ſer heterogenen Geſchoͤpfe, auch in Jena, blos in
den Kneipen: denn auf der Straße und an an-
dern oͤffentlichen Oertern weiß auch der Herr Jenen-
ſer recht gut, daß er weder Philiſter noch Gnote
iſt. In Leipzig ſollen die Studenten heimlich
auch Gnoten-Freundſchaft ſuchen; aber in Halle
durchaus nicht.
Wenn ich auch hier ein Wort nach der Wahr-
heit ſprechen ſoll, ſo muß ich geſtehen, daß die ſo-
genannte Burſchen-Sprache, und das mit
ihr verwebte Burſchenweſen auf der einen Sei-
te einen kindiſchen Ariſtokratismus, und auf der
andern eine Art von niedriger Sanskuͤlotterie zum
Grunde hat, und eben darum von jeder Univer-
ſitaͤt laͤngſt verbannt ſeyn ſollte. Auf der Univer-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/265>, abgerufen am 22.11.2024.
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