zur Erläuterung seines Vortrags herbey suchte. Ich weiß, daß er einst in der Lehre de emtione venditione die Frage aufwarf, ob, wenn ein Stu- dent auf dem Weg nach Bosten sich mit einem Mädchen im Korn für Geld lustig mache, das Geschäft ein contractus emtionis venditionis sey? Es ist übrigens anzumerken, daß die Juristen sich auf mehrern Universitäten stark aufs Zotenreißen legen: doch war damals auch ein Herr Mediciner als ein ächter Cyniker bekannt, und das Beneh- men der sonst großen und hochverdienten Männer, Michaelis, Kästners und Lichtenbergs gehörte doch wohl nicht durchgängig zur feinen Lebensart.
Bey den Studenten war die feine Lebensart auch nicht durch die Bank zu Hause. Ich sah noch vor zwey Jahren an einem gewissen Orte einige Göttinger, welche renommirten trotz dem wildesten Jenenser vor zwanzig Jahren, nur mit dem Un- terschiede, daß die Herren Göttinger, sobald je- mand anfing, ihnen aufs Leder zu reden, gleich stille wurden, welches der Jenenser aber so leicht nicht that. Die Herren bilden sich auf ihre Uni- versität etwas ein, und Einbildung dieser Art, welche sich auf keine eignen Realitäten gründen, er- zeugen Stolz, Impertinenz und Grobheit, lauter Dinge, welche mit der feinen Lebensart gar nicht bestehen können. Wie weit es die Herren -- ich
zur Erlaͤuterung ſeines Vortrags herbey ſuchte. Ich weiß, daß er einſt in der Lehre de emtione venditione die Frage aufwarf, ob, wenn ein Stu- dent auf dem Weg nach Boſten ſich mit einem Maͤdchen im Korn fuͤr Geld luſtig mache, das Geſchaͤft ein contractus emtionis venditionis ſey? Es iſt uͤbrigens anzumerken, daß die Juriſten ſich auf mehrern Univerſitaͤten ſtark aufs Zotenreißen legen: doch war damals auch ein Herr Mediciner als ein aͤchter Cyniker bekannt, und das Beneh- men der ſonſt großen und hochverdienten Maͤnner, Michaelis, Kaͤſtners und Lichtenbergs gehoͤrte doch wohl nicht durchgaͤngig zur feinen Lebensart.
Bey den Studenten war die feine Lebensart auch nicht durch die Bank zu Hauſe. Ich ſah noch vor zwey Jahren an einem gewiſſen Orte einige Goͤttinger, welche renommirten trotz dem wildeſten Jenenſer vor zwanzig Jahren, nur mit dem Un- terſchiede, daß die Herren Goͤttinger, ſobald je- mand anfing, ihnen aufs Leder zu reden, gleich ſtille wurden, welches der Jenenſer aber ſo leicht nicht that. Die Herren bilden ſich auf ihre Uni- verſitaͤt etwas ein, und Einbildung dieſer Art, welche ſich auf keine eignen Realitaͤten gruͤnden, er- zeugen Stolz, Impertinenz und Grobheit, lauter Dinge, welche mit der feinen Lebensart gar nicht beſtehen koͤnnen. Wie weit es die Herren — ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0116"n="108"/>
zur Erlaͤuterung ſeines Vortrags herbey ſuchte.<lb/>
Ich weiß, daß er einſt in der Lehre <hirendition="#aq">de emtione<lb/>
venditione</hi> die Frage aufwarf, ob, wenn ein Stu-<lb/>
dent auf dem Weg nach Boſten ſich mit einem<lb/>
Maͤdchen im Korn fuͤr Geld luſtig mache, das<lb/>
Geſchaͤft ein <hirendition="#aq">contractus emtionis venditionis</hi>ſey?<lb/>
Es iſt uͤbrigens anzumerken, daß die Juriſten ſich<lb/>
auf mehrern Univerſitaͤten ſtark aufs Zotenreißen<lb/>
legen: doch war damals auch ein Herr Mediciner<lb/>
als ein aͤchter Cyniker bekannt, und das Beneh-<lb/>
men der ſonſt großen und hochverdienten Maͤnner,<lb/>
Michaelis, Kaͤſtners und Lichtenbergs gehoͤrte doch<lb/>
wohl nicht durchgaͤngig zur feinen Lebensart.</p><lb/><p>Bey den Studenten war die feine Lebensart<lb/>
auch nicht durch die Bank zu Hauſe. Ich ſah noch<lb/>
vor zwey Jahren an einem gewiſſen Orte einige<lb/>
Goͤttinger, welche renommirten trotz dem wildeſten<lb/>
Jenenſer vor zwanzig Jahren, nur mit dem Un-<lb/>
terſchiede, daß die Herren Goͤttinger, ſobald je-<lb/>
mand anfing, ihnen aufs Leder zu reden, gleich<lb/>ſtille wurden, welches der Jenenſer aber ſo leicht<lb/>
nicht that. Die Herren bilden ſich auf ihre Uni-<lb/>
verſitaͤt etwas ein, und Einbildung dieſer Art,<lb/>
welche ſich auf keine eignen Realitaͤten gruͤnden, er-<lb/>
zeugen Stolz, Impertinenz und Grobheit, lauter<lb/>
Dinge, welche mit der feinen Lebensart gar nicht<lb/>
beſtehen koͤnnen. Wie weit es die Herren — ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[108/0116]
zur Erlaͤuterung ſeines Vortrags herbey ſuchte.
Ich weiß, daß er einſt in der Lehre de emtione
venditione die Frage aufwarf, ob, wenn ein Stu-
dent auf dem Weg nach Boſten ſich mit einem
Maͤdchen im Korn fuͤr Geld luſtig mache, das
Geſchaͤft ein contractus emtionis venditionis ſey?
Es iſt uͤbrigens anzumerken, daß die Juriſten ſich
auf mehrern Univerſitaͤten ſtark aufs Zotenreißen
legen: doch war damals auch ein Herr Mediciner
als ein aͤchter Cyniker bekannt, und das Beneh-
men der ſonſt großen und hochverdienten Maͤnner,
Michaelis, Kaͤſtners und Lichtenbergs gehoͤrte doch
wohl nicht durchgaͤngig zur feinen Lebensart.
Bey den Studenten war die feine Lebensart
auch nicht durch die Bank zu Hauſe. Ich ſah noch
vor zwey Jahren an einem gewiſſen Orte einige
Goͤttinger, welche renommirten trotz dem wildeſten
Jenenſer vor zwanzig Jahren, nur mit dem Un-
terſchiede, daß die Herren Goͤttinger, ſobald je-
mand anfing, ihnen aufs Leder zu reden, gleich
ſtille wurden, welches der Jenenſer aber ſo leicht
nicht that. Die Herren bilden ſich auf ihre Uni-
verſitaͤt etwas ein, und Einbildung dieſer Art,
welche ſich auf keine eignen Realitaͤten gruͤnden, er-
zeugen Stolz, Impertinenz und Grobheit, lauter
Dinge, welche mit der feinen Lebensart gar nicht
beſtehen koͤnnen. Wie weit es die Herren — ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/116>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.