guter Meynung geschrieben und hoffe, Sie werden mich verstehen. Ich bin mit aller Hochachtung
Ew. ergebenster Diener Sincerus.
Von wem war nun der Brief? Von Sincerus; aber keine Familie Sincerus existirt in Nordhausen. Der Verfasser war also ein Pseudonymus, und auf pseudonymische Schriftsteller und Briefschreiber ha- be ich nie Etwas gehalten; die Herren sind allemal gar sehr verdächtig. So viel sahe ich wohl ein, daß Factionen in Nordhausen seyn mußten, von welchen eine auf Hr. Langens Seite war, die andre aber ihn haßte, und mich gern zum Werkzeug ihres Un- willens machen wollte: aber ich sahe doch auch zu- gleich, daß mußte geplaudert worden seyn. Der Briefsteller erwähnt meines schmutzigen Hemdes. Ich hatte wirklich ein schmutziges und -- ich setze es hinzu -- zerrissenes Hemd in Nordhausen auf dem Leibe. Woher wußte dieß der Briefsteller? Von Herrn Langen selbst? das folgt nicht: Herr Fromm und der Schuster Bock, und des Schusters hübsche junge Frau, und Hr. Langens alte Auf- wärterin, und vielleicht noch mehr andere Perso- nen kannten die Beschaffenheit meines Hemdes; konnte keiner von diesen geplaudert haben? Und gesetzt auch, Hr. Lange habe selbst von meinem Hem- de etwa der Gesellschaft auf dem Grimmel, auf
dem
guter Meynung geſchrieben und hoffe, Sie werden mich verſtehen. Ich bin mit aller Hochachtung
Ew. ergebenſter Diener Sincerus.
Von wem war nun der Brief? Von Sincerus; aber keine Familie Sincerus exiſtirt in Nordhauſen. Der Verfaſſer war alſo ein Pſeudonymus, und auf pſeudonymiſche Schriftſteller und Briefſchreiber ha- be ich nie Etwas gehalten; die Herren ſind allemal gar ſehr verdaͤchtig. So viel ſahe ich wohl ein, daß Factionen in Nordhauſen ſeyn mußten, von welchen eine auf Hr. Langens Seite war, die andre aber ihn haßte, und mich gern zum Werkzeug ihres Un- willens machen wollte: aber ich ſahe doch auch zu- gleich, daß mußte geplaudert worden ſeyn. Der Briefſteller erwaͤhnt meines ſchmutzigen Hemdes. Ich hatte wirklich ein ſchmutziges und — ich ſetze es hinzu — zerriſſenes Hemd in Nordhauſen auf dem Leibe. Woher wußte dieß der Briefſteller? Von Herrn Langen ſelbſt? das folgt nicht: Herr Fromm und der Schuſter Bock, und des Schuſters huͤbſche junge Frau, und Hr. Langens alte Auf- waͤrterin, und vielleicht noch mehr andere Perſo- nen kannten die Beſchaffenheit meines Hemdes; konnte keiner von dieſen geplaudert haben? Und geſetzt auch, Hr. Lange habe ſelbſt von meinem Hem- de etwa der Geſellſchaft auf dem Grimmel, auf
dem
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guter Meynung geſchrieben und hoffe, Sie werden
mich verſtehen. Ich bin mit aller Hochachtung
Ew. ergebenſter Diener
Sincerus.
Von wem war nun der Brief? Von Sincerus;
aber keine Familie Sincerus exiſtirt in Nordhauſen.
Der Verfaſſer war alſo ein Pſeudonymus, und auf
pſeudonymiſche Schriftſteller und Briefſchreiber ha-
be ich nie Etwas gehalten; die Herren ſind allemal
gar ſehr verdaͤchtig. So viel ſahe ich wohl ein, daß
Factionen in Nordhauſen ſeyn mußten, von welchen
eine auf Hr. Langens Seite war, die andre aber
ihn haßte, und mich gern zum Werkzeug ihres Un-
willens machen wollte: aber ich ſahe doch auch zu-
gleich, daß mußte geplaudert worden ſeyn. Der
Briefſteller erwaͤhnt meines ſchmutzigen Hemdes.
Ich hatte wirklich ein ſchmutziges und — ich ſetze
es hinzu — zerriſſenes Hemd in Nordhauſen auf
dem Leibe. Woher wußte dieß der Briefſteller?
Von Herrn Langen ſelbſt? das folgt nicht: Herr
Fromm und der Schuſter Bock, und des Schuſters
huͤbſche junge Frau, und Hr. Langens alte Auf-
waͤrterin, und vielleicht noch mehr andere Perſo-
nen kannten die Beſchaffenheit meines Hemdes;
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/264>, abgerufen am 24.11.2024.
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