den neuen Vorfällen dächte? "Mer muß halig wahrten, wies noch kümmt: mer wäß wuhl, wie mer ausfährt, aber wie mer hame kümmt, das wäß mer niche." Der Bauer räsonnirte nicht un- recht, nicht als ob der Ausgang seine Sprüchwör- ter bestätiget hätte, soudern deswegen, weil es unklug ist, zu frühe ins Horn zu blasen.
Der jetzige König von Preußen hat die Hoff- nungen und Erwartungen aller derer erfüllt, wel- che im Stande sind, zu überlegen, und die große Wahrheit einsehen, daß ein Monarch, wäre er auch der mächtigste und einsichtsvollste aller Men- schen, und gutgesinnt, wie ein heiliger Engel, es doch nicht allen Menschen recht machen könne. Neque Jupiter omnibus placet, sive pluat, sive sit serenus ist schon vor Alters gesagt worden, ich weiß aber nicht von wem, und so lange noch so viel Kö- pfe seyn werden, als Sinne sind, so wäre es eine wahre Tollheit, zn fordern, ein Regent solle so re- gieren, wie es jeder Kopf für gut und wohlge- macht hält. Dieß sieht nun wohl jeder ein, aber da jeder glaubt, seine Vernunft könne der Ver- nunft aller Menschen zum Richtmaaß dienen, so räsonnirt auch jeder über die Regierung, wenn diese es anders macht, als er glaubt, daß sie es ma- chen müsse.
Bey jedem Regentenwechsel findet noch ein
den neuen Vorfaͤllen daͤchte? „Mer muß halig wahrten, wies noch kuͤmmt: mer waͤß wuhl, wie mer ausfaͤhrt, aber wie mer hame kuͤmmt, das waͤß mer niche.“ Der Bauer raͤſonnirte nicht un- recht, nicht als ob der Ausgang ſeine Spruͤchwoͤr- ter beſtaͤtiget haͤtte, ſoudern deswegen, weil es unklug iſt, zu fruͤhe ins Horn zu blaſen.
Der jetzige Koͤnig von Preußen hat die Hoff- nungen und Erwartungen aller derer erfuͤllt, wel- che im Stande ſind, zu uͤberlegen, und die große Wahrheit einſehen, daß ein Monarch, waͤre er auch der maͤchtigſte und einſichtsvollſte aller Men- ſchen, und gutgeſinnt, wie ein heiliger Engel, es doch nicht allen Menſchen recht machen koͤnne. Neque Jupiter omnibus placet, ſive pluat, ſive ſit ſerenus iſt ſchon vor Alters geſagt worden, ich weiß aber nicht von wem, und ſo lange noch ſo viel Koͤ- pfe ſeyn werden, als Sinne ſind, ſo waͤre es eine wahre Tollheit, zn fordern, ein Regent ſolle ſo re- gieren, wie es jeder Kopf fuͤr gut und wohlge- macht haͤlt. Dieß ſieht nun wohl jeder ein, aber da jeder glaubt, ſeine Vernunft koͤnne der Ver- nunft aller Menſchen zum Richtmaaß dienen, ſo raͤſonnirt auch jeder uͤber die Regierung, wenn dieſe es anders macht, als er glaubt, daß ſie es ma- chen muͤſſe.
Bey jedem Regentenwechſel findet noch ein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="26"/>
den neuen Vorfaͤllen daͤchte? „Mer muß halig<lb/>
wahrten, wies noch kuͤmmt: mer waͤß wuhl, wie<lb/>
mer ausfaͤhrt, aber wie mer hame kuͤmmt, das<lb/>
waͤß mer niche.“ Der Bauer raͤſonnirte nicht un-<lb/>
recht, nicht als ob der Ausgang ſeine Spruͤchwoͤr-<lb/>
ter beſtaͤtiget haͤtte, ſoudern deswegen, weil es<lb/>
unklug iſt, zu fruͤhe ins Horn zu blaſen.</p><lb/><p>Der jetzige Koͤnig von Preußen hat die Hoff-<lb/>
nungen und Erwartungen aller derer erfuͤllt, wel-<lb/>
che im Stande ſind, zu uͤberlegen, und die große<lb/>
Wahrheit einſehen, daß ein Monarch, waͤre er<lb/>
auch der maͤchtigſte und einſichtsvollſte aller Men-<lb/>ſchen, und gutgeſinnt, wie ein heiliger Engel, es<lb/>
doch nicht allen Menſchen recht machen koͤnne.<lb/><hirendition="#aq">Neque Jupiter omnibus placet, ſive pluat, ſive ſit<lb/>ſerenus</hi> iſt ſchon vor Alters geſagt worden, ich weiß<lb/>
aber nicht von wem, und ſo lange noch ſo viel Koͤ-<lb/>
pfe ſeyn werden, als Sinne ſind, ſo waͤre es eine<lb/>
wahre Tollheit, zn fordern, ein Regent ſolle ſo re-<lb/>
gieren, wie es jeder Kopf fuͤr gut und wohlge-<lb/>
macht haͤlt. Dieß ſieht nun wohl jeder ein, aber<lb/>
da jeder glaubt, ſeine Vernunft koͤnne der Ver-<lb/>
nunft aller Menſchen zum Richtmaaß dienen, ſo<lb/>
raͤſonnirt auch jeder uͤber die Regierung, wenn dieſe<lb/>
es anders macht, als er glaubt, daß ſie es ma-<lb/>
chen muͤſſe.</p><lb/><p>Bey jedem Regentenwechſel findet noch ein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[26/0034]
den neuen Vorfaͤllen daͤchte? „Mer muß halig
wahrten, wies noch kuͤmmt: mer waͤß wuhl, wie
mer ausfaͤhrt, aber wie mer hame kuͤmmt, das
waͤß mer niche.“ Der Bauer raͤſonnirte nicht un-
recht, nicht als ob der Ausgang ſeine Spruͤchwoͤr-
ter beſtaͤtiget haͤtte, ſoudern deswegen, weil es
unklug iſt, zu fruͤhe ins Horn zu blaſen.
Der jetzige Koͤnig von Preußen hat die Hoff-
nungen und Erwartungen aller derer erfuͤllt, wel-
che im Stande ſind, zu uͤberlegen, und die große
Wahrheit einſehen, daß ein Monarch, waͤre er
auch der maͤchtigſte und einſichtsvollſte aller Men-
ſchen, und gutgeſinnt, wie ein heiliger Engel, es
doch nicht allen Menſchen recht machen koͤnne.
Neque Jupiter omnibus placet, ſive pluat, ſive ſit
ſerenus iſt ſchon vor Alters geſagt worden, ich weiß
aber nicht von wem, und ſo lange noch ſo viel Koͤ-
pfe ſeyn werden, als Sinne ſind, ſo waͤre es eine
wahre Tollheit, zn fordern, ein Regent ſolle ſo re-
gieren, wie es jeder Kopf fuͤr gut und wohlge-
macht haͤlt. Dieß ſieht nun wohl jeder ein, aber
da jeder glaubt, ſeine Vernunft koͤnne der Ver-
nunft aller Menſchen zum Richtmaaß dienen, ſo
raͤſonnirt auch jeder uͤber die Regierung, wenn dieſe
es anders macht, als er glaubt, daß ſie es ma-
chen muͤſſe.
Bey jedem Regentenwechſel findet noch ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/34>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.