mit ihr geliebelt, und ihr im Taumel der Leiden- schaft die Ehe versprochen hatte. Der Mensch hätte alles Gefühl müssen verlohren haben, wenn er nun noch den Liebhaber eines Frauenzimmers hätte ma- chen wollen, das so zu ihm kam: doch unterstützte er die Unverschämte mit Geld und ließ sie wieder nach Halle reisen. In Halle fiel sie täglich mehr ins Elend, und krepirte endlich in den abscheulich- sten Umständen. Ihr Andenken hat sich indessen noch in einem famösen Knittelliedchen erhalten, welches unsre Straßenjungen noch singen, und wel- ches ein lustiger Bruder einem gewissen Schwarz- rock zu Ehren scheint gemacht zu haben.
Von Briezen bis nach Berlin ging ich zu Fuß: es war sehr schönes Wetter, und die Gesellschaft eines Schulmeisters aus der Altmark, der auch dahin ging, aber von Wittenberg kam, machte mir die Fußreise sehr angenehm. Der Schulmeister war sehr redselig, und wenn alles wahr ist, was er mir von seinem Pastor erzählte, so muß die geistliche Einrichtung in dem altmarkschen Dorfe, wo der Cantor her war, besser seyn, als in mancher Stadt, sogar in mancher Universitätsstadt. "Unser Pastor, sagte der Schulmeister, kann es nicht leiden, daß aller Schulunterricht sich bloß aufs geistliche We- sen, und auf ein bißchen Rechnen und Schreiben einschränke. Er hat daher auch ökonomischen Un-
mit ihr geliebelt, und ihr im Taumel der Leiden- ſchaft die Ehe verſprochen hatte. Der Menſch haͤtte alles Gefuͤhl muͤſſen verlohren haben, wenn er nun noch den Liebhaber eines Frauenzimmers haͤtte ma- chen wollen, das ſo zu ihm kam: doch unterſtuͤtzte er die Unverſchaͤmte mit Geld und ließ ſie wieder nach Halle reiſen. In Halle fiel ſie taͤglich mehr ins Elend, und krepirte endlich in den abſcheulich- ſten Umſtaͤnden. Ihr Andenken hat ſich indeſſen noch in einem famoͤſen Knittelliedchen erhalten, welches unſre Straßenjungen noch ſingen, und wel- ches ein luſtiger Bruder einem gewiſſen Schwarz- rock zu Ehren ſcheint gemacht zu haben.
Von Briezen bis nach Berlin ging ich zu Fuß: es war ſehr ſchoͤnes Wetter, und die Geſellſchaft eines Schulmeiſters aus der Altmark, der auch dahin ging, aber von Wittenberg kam, machte mir die Fußreiſe ſehr angenehm. Der Schulmeiſter war ſehr redſelig, und wenn alles wahr iſt, was er mir von ſeinem Paſtor erzaͤhlte, ſo muß die geiſtliche Einrichtung in dem altmarkſchen Dorfe, wo der Cantor her war, beſſer ſeyn, als in mancher Stadt, ſogar in mancher Univerſitaͤtsſtadt. „Unſer Paſtor, ſagte der Schulmeiſter, kann es nicht leiden, daß aller Schulunterricht ſich bloß aufs geiſtliche We- ſen, und auf ein bißchen Rechnen und Schreiben einſchraͤnke. Er hat daher auch oͤkonomiſchen Un-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0038"n="30"/>
mit ihr geliebelt, und ihr im Taumel der Leiden-<lb/>ſchaft die Ehe verſprochen hatte. Der Menſch haͤtte<lb/>
alles Gefuͤhl muͤſſen verlohren haben, wenn er nun<lb/>
noch den Liebhaber eines Frauenzimmers haͤtte ma-<lb/>
chen wollen, das <hirendition="#g">ſo</hi> zu ihm kam: doch unterſtuͤtzte<lb/>
er die Unverſchaͤmte mit Geld und ließ ſie wieder<lb/>
nach Halle reiſen. In Halle fiel ſie taͤglich mehr<lb/>
ins Elend, und krepirte endlich in den abſcheulich-<lb/>ſten Umſtaͤnden. Ihr Andenken hat ſich indeſſen<lb/>
noch in einem famoͤſen Knittelliedchen erhalten,<lb/>
welches unſre Straßenjungen noch ſingen, und wel-<lb/>
ches ein luſtiger Bruder einem gewiſſen Schwarz-<lb/>
rock zu Ehren ſcheint gemacht zu haben.</p><lb/><p>Von Briezen bis nach Berlin ging ich zu Fuß:<lb/>
es war ſehr ſchoͤnes Wetter, und die Geſellſchaft eines<lb/>
Schulmeiſters aus der Altmark, der auch dahin<lb/>
ging, aber von Wittenberg kam, machte mir die<lb/>
Fußreiſe ſehr angenehm. Der Schulmeiſter war<lb/>ſehr redſelig, und wenn alles wahr iſt, was er mir<lb/>
von ſeinem Paſtor erzaͤhlte, ſo muß die geiſtliche<lb/>
Einrichtung in dem altmarkſchen Dorfe, wo der<lb/>
Cantor her war, beſſer ſeyn, als in mancher Stadt,<lb/>ſogar in mancher Univerſitaͤtsſtadt. „Unſer Paſtor,<lb/>ſagte der Schulmeiſter, kann es nicht leiden, daß<lb/>
aller Schulunterricht ſich bloß aufs geiſtliche We-<lb/>ſen, und auf ein bißchen Rechnen und Schreiben<lb/>
einſchraͤnke. Er hat daher auch oͤkonomiſchen Un-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[30/0038]
mit ihr geliebelt, und ihr im Taumel der Leiden-
ſchaft die Ehe verſprochen hatte. Der Menſch haͤtte
alles Gefuͤhl muͤſſen verlohren haben, wenn er nun
noch den Liebhaber eines Frauenzimmers haͤtte ma-
chen wollen, das ſo zu ihm kam: doch unterſtuͤtzte
er die Unverſchaͤmte mit Geld und ließ ſie wieder
nach Halle reiſen. In Halle fiel ſie taͤglich mehr
ins Elend, und krepirte endlich in den abſcheulich-
ſten Umſtaͤnden. Ihr Andenken hat ſich indeſſen
noch in einem famoͤſen Knittelliedchen erhalten,
welches unſre Straßenjungen noch ſingen, und wel-
ches ein luſtiger Bruder einem gewiſſen Schwarz-
rock zu Ehren ſcheint gemacht zu haben.
Von Briezen bis nach Berlin ging ich zu Fuß:
es war ſehr ſchoͤnes Wetter, und die Geſellſchaft eines
Schulmeiſters aus der Altmark, der auch dahin
ging, aber von Wittenberg kam, machte mir die
Fußreiſe ſehr angenehm. Der Schulmeiſter war
ſehr redſelig, und wenn alles wahr iſt, was er mir
von ſeinem Paſtor erzaͤhlte, ſo muß die geiſtliche
Einrichtung in dem altmarkſchen Dorfe, wo der
Cantor her war, beſſer ſeyn, als in mancher Stadt,
ſogar in mancher Univerſitaͤtsſtadt. „Unſer Paſtor,
ſagte der Schulmeiſter, kann es nicht leiden, daß
aller Schulunterricht ſich bloß aufs geiſtliche We-
ſen, und auf ein bißchen Rechnen und Schreiben
einſchraͤnke. Er hat daher auch oͤkonomiſchen Un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/38>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.