Ohngefähr um Martini 1797 kam ein Haufe Studenten von Reideburg, einem sächsischen Dor- fe, wo sie kommerschirt hatten, auf die Mail, gra- de an einem Tage, als da getanzt wurde; sie wa- ren alle etwas betrunken, oder nach studentischem Ausdruck, bespitzt, und betrugen sich so, daß meh- rere Bürger sich deßwegen stark formalisirten. Es würde gewiß zum Handgemenge gekommen seyn, wenn nicht einige, die sowohl der Studenten als deren Antagonisten Freunde waren, den Frieden wieder hergestellt hätten. Für diesen Tag war al- so alles wieder ruhig, aber schon am folgenden Mor- gen, als ich zu meinen Scholaren kam, hörte ich, daß sich manche für beleidigt hielten, und daß die Philister deßhalben sollten ceram genommen wer- den.
Ich ging damals fast täglich Abends auf die Mail, also traf es sich auch, daß ich zugegen war, als abermals ein Haufen Studenten sehr bespitzt von Reideburg dahin kam. Diese Herren hatten sich vorgenommen, den ihnen von den Philistern und Gnoten, ihrer Meynung nach, angethanen Schimpf zu rächen, und Satisfaction an ihren Beleidigern zu nehmen, aber zum Glücke oder zum Unglücke war auch nicht einer von denen da, welche einige Tage vorher mit den Studenten Händel gehabt hatten.
Laukh. Leben 5ter Theil. D
Ohngefaͤhr um Martini 1797 kam ein Haufe Studenten von Reideburg, einem ſaͤchſiſchen Dor- fe, wo ſie kommerſchirt hatten, auf die Mail, gra- de an einem Tage, als da getanzt wurde; ſie wa- ren alle etwas betrunken, oder nach ſtudentiſchem Ausdruck, beſpitzt, und betrugen ſich ſo, daß meh- rere Buͤrger ſich deßwegen ſtark formaliſirten. Es wuͤrde gewiß zum Handgemenge gekommen ſeyn, wenn nicht einige, die ſowohl der Studenten als deren Antagoniſten Freunde waren, den Frieden wieder hergeſtellt haͤtten. Fuͤr dieſen Tag war al- ſo alles wieder ruhig, aber ſchon am folgenden Mor- gen, als ich zu meinen Scholaren kam, hoͤrte ich, daß ſich manche fuͤr beleidigt hielten, und daß die Philiſter deßhalben ſollten ceram genommen wer- den.
Ich ging damals faſt taͤglich Abends auf die Mail, alſo traf es ſich auch, daß ich zugegen war, als abermals ein Haufen Studenten ſehr beſpitzt von Reideburg dahin kam. Dieſe Herren hatten ſich vorgenommen, den ihnen von den Philiſtern und Gnoten, ihrer Meynung nach, angethanen Schimpf zu raͤchen, und Satisfaction an ihren Beleidigern zu nehmen, aber zum Gluͤcke oder zum Ungluͤcke war auch nicht einer von denen da, welche einige Tage vorher mit den Studenten Haͤndel gehabt hatten.
Laukh. Leben 5ter Theil. D
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Ohngefaͤhr um Martini 1797 kam ein Haufe
Studenten von Reideburg, einem ſaͤchſiſchen Dor-
fe, wo ſie kommerſchirt hatten, auf die Mail, gra-
de an einem Tage, als da getanzt wurde; ſie wa-
ren alle etwas betrunken, oder nach ſtudentiſchem
Ausdruck, beſpitzt, und betrugen ſich ſo, daß meh-
rere Buͤrger ſich deßwegen ſtark formaliſirten. Es
wuͤrde gewiß zum Handgemenge gekommen ſeyn,
wenn nicht einige, die ſowohl der Studenten als
deren Antagoniſten Freunde waren, den Frieden
wieder hergeſtellt haͤtten. Fuͤr dieſen Tag war al-
ſo alles wieder ruhig, aber ſchon am folgenden Mor-
gen, als ich zu meinen Scholaren kam, hoͤrte ich,
daß ſich manche fuͤr beleidigt hielten, und daß die
Philiſter deßhalben ſollten ceram genommen wer-
den.
Ich ging damals faſt taͤglich Abends auf die
Mail, alſo traf es ſich auch, daß ich zugegen war,
als abermals ein Haufen Studenten ſehr beſpitzt
von Reideburg dahin kam. Dieſe Herren hatten
ſich vorgenommen, den ihnen von den Philiſtern und
Gnoten, ihrer Meynung nach, angethanen Schimpf
zu raͤchen, und Satisfaction an ihren Beleidigern
zu nehmen, aber zum Gluͤcke oder zum Ungluͤcke
war auch nicht einer von denen da, welche einige
Tage vorher mit den Studenten Haͤndel gehabt
hatten.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/57>, abgerufen am 23.11.2024.
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