Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Matthäus XVI.
vom Brod, wenn ich sage: Hütet euch vor
dem Sauertaige der Pharisäer und Sadduzäer?
Da verstunden sie, daß Er nicht gesagt hatte,
daß sie sich hüten sollten vor dem Sauertaig
des Brodtes, sondern vor der Lehre der Pha-
risäer und Sadduzäer.

Wie sich der Israelite in den Tagen der ungesäur-
ten Brodte alles Sauertaigs enthalten, allen von sich
und seinem Hause entfernen mußte -- So sollten die
Apostel des Herrn sich vor allem Sauertaig der Pha-
risäischen und Sadduzäischen Irrlehren rein bewah-
ren; Sie sollten sich mit nichts beflecken, das heißt,
Gott unangenehm machen, wodurch diese damahlen
herrschenden Religionspartheyen ihre Religion befleck-
ten und Gott unangenehm machten. Pharisäischer
Sauertaig
war die ängstliche, kleingeistige Anhäng-
lichkeit an religiose Aeusserlichkeiten, an den Schein
von Tugend und Frömmigkeit, wo dem Herzen Lust
und Liebe zu Gott und zur Tugend fehlte -- Ueber-
triebene, fanatische Hochachtung aller mündlichen Ue-
berlieferungen, die dem geschriebenen göttlichen Gesetze
entgegen gestellt wurden; Scharfes Richten und Verur-
theilen aller die nicht genau und pünktlich so dachten,
wie sie selbst. Wollust, Weichlichkeit, Stolz, Eitel-
keit, Anmassung, Ehrgeitz -- Liebe zum Aufsehen ma-
chen -- das war Pharisäismus, dem Christus und
sein ganzes Evangelium so mächtig entgegen arbeitet.
Der Sadduzäische Sauertaig war: Verleugnung

Göttli-

Matthäus XVI.
vom Brod, wenn ich ſage: Hütet euch vor
dem Sauertaige der Phariſäer und Sadduzäer?
Da verſtunden ſie, daß Er nicht geſagt hatte,
daß ſie ſich hüten ſollten vor dem Sauertaig
des Brodtes, ſondern vor der Lehre der Pha-
riſäer und Sadduzäer.

Wie ſich der Iſraelite in den Tagen der ungeſäur-
ten Brodte alles Sauertaigs enthalten, allen von ſich
und ſeinem Hauſe entfernen mußte — So ſollten die
Apoſtel des Herrn ſich vor allem Sauertaig der Pha-
riſäiſchen und Sadduzäiſchen Irrlehren rein bewah-
ren; Sie ſollten ſich mit nichts beflecken, das heißt,
Gott unangenehm machen, wodurch dieſe damahlen
herrſchenden Religionspartheyen ihre Religion befleck-
ten und Gott unangenehm machten. Phariſäiſcher
Sauertaig
war die ängſtliche, kleingeiſtige Anhäng-
lichkeit an religioſe Aeuſſerlichkeiten, an den Schein
von Tugend und Frömmigkeit, wo dem Herzen Luſt
und Liebe zu Gott und zur Tugend fehlte — Ueber-
triebene, fanatiſche Hochachtung aller mündlichen Ue-
berlieferungen, die dem geſchriebenen göttlichen Geſetze
entgegen geſtellt wurden; Scharfes Richten und Verur-
theilen aller die nicht genau und pünktlich ſo dachten,
wie ſie ſelbſt. Wolluſt, Weichlichkeit, Stolz, Eitel-
keit, Anmaſſung, Ehrgeitz — Liebe zum Aufſehen ma-
chen — das war Phariſäiſmus, dem Chriſtus und
ſein ganzes Evangelium ſo mächtig entgegen arbeitet.
Der Sadduzäiſche Sauertaig war: Verleugnung

Göttli-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0244" n="216[236]"/>
              <fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XVI.</hi></fw><lb/> <hi rendition="#fr">vom Brod, wenn ich &#x017F;age: Hütet euch vor<lb/>
dem Sauertaige der Phari&#x017F;äer und Sadduzäer?<lb/>
Da ver&#x017F;tunden &#x017F;ie, daß Er nicht ge&#x017F;agt hatte,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich hüten &#x017F;ollten vor dem Sauertaig<lb/>
des Brodtes, &#x017F;ondern vor der Lehre der Pha-<lb/>
ri&#x017F;äer und Sadduzäer.</hi> </p><lb/>
            <p>Wie &#x017F;ich der I&#x017F;raelite in den Tagen der unge&#x017F;äur-<lb/>
ten Brodte alles Sauertaigs enthalten, allen von &#x017F;ich<lb/>
und &#x017F;einem Hau&#x017F;e entfernen mußte &#x2014; So &#x017F;ollten die<lb/>
Apo&#x017F;tel des Herrn &#x017F;ich vor allem Sauertaig der Pha-<lb/>
ri&#x017F;äi&#x017F;chen und Sadduzäi&#x017F;chen Irrlehren rein bewah-<lb/>
ren; Sie &#x017F;ollten &#x017F;ich mit nichts beflecken, das heißt,<lb/>
Gott unangenehm machen, wodurch die&#x017F;e damahlen<lb/>
herr&#x017F;chenden Religionspartheyen ihre Religion befleck-<lb/>
ten und Gott unangenehm machten. <hi rendition="#fr">Phari&#x017F;äi&#x017F;cher<lb/>
Sauertaig</hi> war die äng&#x017F;tliche, kleingei&#x017F;tige Anhäng-<lb/>
lichkeit an religio&#x017F;e Aeu&#x017F;&#x017F;erlichkeiten, an den <hi rendition="#fr">Schein</hi><lb/>
von Tugend und Frömmigkeit, wo dem Herzen Lu&#x017F;t<lb/>
und Liebe zu Gott und zur Tugend fehlte &#x2014; Ueber-<lb/>
triebene, fanati&#x017F;che Hochachtung aller mündlichen Ue-<lb/>
berlieferungen, die dem ge&#x017F;chriebenen göttlichen Ge&#x017F;etze<lb/>
entgegen ge&#x017F;tellt wurden; Scharfes Richten und Verur-<lb/>
theilen aller die nicht genau und pünktlich &#x017F;o dachten,<lb/>
wie &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t. Wollu&#x017F;t, Weichlichkeit, Stolz, Eitel-<lb/>
keit, Anma&#x017F;&#x017F;ung, Ehrgeitz &#x2014; Liebe zum Auf&#x017F;ehen ma-<lb/>
chen &#x2014; <hi rendition="#fr">das</hi> war <hi rendition="#fr">Phari&#x017F;äi&#x017F;mus,</hi> dem <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi> und<lb/>
&#x017F;ein ganzes Evangelium &#x017F;o mächtig entgegen arbeitet.<lb/>
Der <hi rendition="#fr">Sadduzäi&#x017F;che</hi> Sauertaig war: Verleugnung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Göttli-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216[236]/0244] Matthäus XVI. vom Brod, wenn ich ſage: Hütet euch vor dem Sauertaige der Phariſäer und Sadduzäer? Da verſtunden ſie, daß Er nicht geſagt hatte, daß ſie ſich hüten ſollten vor dem Sauertaig des Brodtes, ſondern vor der Lehre der Pha- riſäer und Sadduzäer. Wie ſich der Iſraelite in den Tagen der ungeſäur- ten Brodte alles Sauertaigs enthalten, allen von ſich und ſeinem Hauſe entfernen mußte — So ſollten die Apoſtel des Herrn ſich vor allem Sauertaig der Pha- riſäiſchen und Sadduzäiſchen Irrlehren rein bewah- ren; Sie ſollten ſich mit nichts beflecken, das heißt, Gott unangenehm machen, wodurch dieſe damahlen herrſchenden Religionspartheyen ihre Religion befleck- ten und Gott unangenehm machten. Phariſäiſcher Sauertaig war die ängſtliche, kleingeiſtige Anhäng- lichkeit an religioſe Aeuſſerlichkeiten, an den Schein von Tugend und Frömmigkeit, wo dem Herzen Luſt und Liebe zu Gott und zur Tugend fehlte — Ueber- triebene, fanatiſche Hochachtung aller mündlichen Ue- berlieferungen, die dem geſchriebenen göttlichen Geſetze entgegen geſtellt wurden; Scharfes Richten und Verur- theilen aller die nicht genau und pünktlich ſo dachten, wie ſie ſelbſt. Wolluſt, Weichlichkeit, Stolz, Eitel- keit, Anmaſſung, Ehrgeitz — Liebe zum Aufſehen ma- chen — das war Phariſäiſmus, dem Chriſtus und ſein ganzes Evangelium ſo mächtig entgegen arbeitet. Der Sadduzäiſche Sauertaig war: Verleugnung Göttli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/244
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 216[236]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/244>, abgerufen am 30.11.2024.