Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Matthäus XVIII.
sie an das Evangelium nicht glauben, und daß sie die
christliche Religion für ein Werk menschlicher Erfindung
halten, wenn solche Menschen sagen: "Christus kann
&q;nicht, kann in keinem vernünftigen Sinne bey seinen
&q;Jüngern seyn alle Tage bis an das Ende der Welt.
&q;Er kann auf keine würksame Weise da gegenwärtig seyn
&q;-- wo zween oder drey in seinem Namen versammelt
&q;sind" -- so mögte man alles hingehen lassen. Aber,
wenn diese Sprache unter Christen allgemein werden
will; Ach! wenn Christen denjenigen einen Narren
und Schwärmer heissen, der ehrlich und einfältig an
Christi Verheissung glaubt, und seinen Glauben ganz
unzweydeutig bekennt, auch, wenn er ihn nicht anders
beweisen kann als durch Darlegung der Worte Chri-
sti -- Ist dann eine stille sanfte Wehklage über den Ver-
fall des Christenthums, so geradezu Heucheley, oder Af-
fektation? (angenommene Ernsthaftigkeit?)

144.
Vergebung der Beleidigungen.
Matth.
XVIII.

Da trat Petrus zu ihm und sprach: Herr!
Wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an
mir sündiget, vergeben? Ist's genug siebenmahl?
Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: Nicht sieben-
mahl; Sondern siebenzigmahl siebenmahl. Dar-
um ist das Himmelreich gleich einem Könige, der
mit seinen Knechten rechnen wollte. Und als er
anfieng zu rechnen, kam ihm einer vor, der war

ihm

Matthäus XVIII.
ſie an das Evangelium nicht glauben, und daß ſie die
chriſtliche Religion für ein Werk menſchlicher Erfindung
halten, wenn ſolche Menſchen ſagen: „Chriſtus kann
&q;nicht, kann in keinem vernünftigen Sinne bey ſeinen
&q;Jüngern ſeyn alle Tage bis an das Ende der Welt.
&q;Er kann auf keine würkſame Weiſe da gegenwärtig ſeyn
&q;— wo zween oder drey in ſeinem Namen verſammelt
&q;ſind„ — ſo mögte man alles hingehen laſſen. Aber,
wenn dieſe Sprache unter Chriſten allgemein werden
will; Ach! wenn Chriſten denjenigen einen Narren
und Schwärmer heiſſen, der ehrlich und einfältig an
Chriſti Verheiſſung glaubt, und ſeinen Glauben ganz
unzweydeutig bekennt, auch, wenn er ihn nicht anders
beweiſen kann als durch Darlegung der Worte Chri-
ſti — Iſt dann eine ſtille ſanfte Wehklage über den Ver-
fall des Chriſtenthums, ſo geradezu Heucheley, oder Af-
fektation? (angenommene Ernſthaftigkeit?)

144.
Vergebung der Beleidigungen.
Matth.
XVIII.

Da trat Petrus zu ihm und ſprach: Herr!
Wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an
mir ſündiget, vergeben? Iſt’s genug ſiebenmahl?
Jeſus ſprach zu ihm: Ich ſage dir: Nicht ſieben-
mahl; Sondern ſiebenzigmahl ſiebenmahl. Dar-
um iſt das Himmelreich gleich einem Könige, der
mit ſeinen Knechten rechnen wollte. Und als er
anfieng zu rechnen, kam ihm einer vor, der war

ihm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0296" n="268[288]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XVIII.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ie an das Evangelium nicht glauben, und daß &#x017F;ie die<lb/>
chri&#x017F;tliche Religion für ein Werk men&#x017F;chlicher Erfindung<lb/>
halten, wenn &#x017F;olche Men&#x017F;chen &#x017F;agen: &#x201E;Chri&#x017F;tus kann<lb/>
&amp;q;nicht, kann in keinem vernünftigen Sinne bey &#x017F;einen<lb/>
&amp;q;Jüngern &#x017F;eyn alle Tage bis an das Ende der Welt.<lb/>
&amp;q;Er kann auf keine würk&#x017F;ame Wei&#x017F;e da gegenwärtig &#x017F;eyn<lb/>
&amp;q;&#x2014; wo zween oder drey in &#x017F;einem Namen ver&#x017F;ammelt<lb/>
&amp;q;&#x017F;ind&#x201E; &#x2014; &#x017F;o mögte man alles hingehen la&#x017F;&#x017F;en. Aber,<lb/>
wenn die&#x017F;e Sprache unter <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ten</hi> allgemein werden<lb/>
will; Ach! wenn Chri&#x017F;ten denjenigen einen <hi rendition="#fr">Narren</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Schwärmer</hi> hei&#x017F;&#x017F;en, der ehrlich und einfältig an<lb/>
Chri&#x017F;ti Verhei&#x017F;&#x017F;ung glaubt, und &#x017F;einen Glauben ganz<lb/>
unzweydeutig bekennt, auch, wenn er ihn nicht anders<lb/>
bewei&#x017F;en kann als durch Darlegung der Worte Chri-<lb/>
&#x017F;ti &#x2014; I&#x017F;t dann eine &#x017F;tille &#x017F;anfte Wehklage über den Ver-<lb/>
fall des Chri&#x017F;tenthums, &#x017F;o geradezu Heucheley, oder Af-<lb/>
fektation? (angenommene Ern&#x017F;thaftigkeit?)</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>144.<lb/>
Vergebung der Beleidigungen.</head><lb/>
            <note place="left">Matth.<lb/><hi rendition="#aq">XVIII.</hi></note>
            <p> <hi rendition="#fr">Da trat Petrus zu ihm und &#x017F;prach: Herr!<lb/>
Wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an<lb/>
mir &#x017F;ündiget, vergeben? I&#x017F;t&#x2019;s genug &#x017F;iebenmahl?<lb/>
Je&#x017F;us &#x017F;prach zu ihm: Ich &#x017F;age dir: Nicht &#x017F;ieben-<lb/>
mahl; Sondern &#x017F;iebenzigmahl &#x017F;iebenmahl. Dar-<lb/>
um i&#x017F;t das Himmelreich gleich einem Könige, der<lb/>
mit &#x017F;einen Knechten rechnen wollte. Und als er<lb/>
anfieng zu rechnen, kam ihm einer vor, der war</hi><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">ihm</hi> </fw><lb/>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268[288]/0296] Matthäus XVIII. ſie an das Evangelium nicht glauben, und daß ſie die chriſtliche Religion für ein Werk menſchlicher Erfindung halten, wenn ſolche Menſchen ſagen: „Chriſtus kann &q;nicht, kann in keinem vernünftigen Sinne bey ſeinen &q;Jüngern ſeyn alle Tage bis an das Ende der Welt. &q;Er kann auf keine würkſame Weiſe da gegenwärtig ſeyn &q;— wo zween oder drey in ſeinem Namen verſammelt &q;ſind„ — ſo mögte man alles hingehen laſſen. Aber, wenn dieſe Sprache unter Chriſten allgemein werden will; Ach! wenn Chriſten denjenigen einen Narren und Schwärmer heiſſen, der ehrlich und einfältig an Chriſti Verheiſſung glaubt, und ſeinen Glauben ganz unzweydeutig bekennt, auch, wenn er ihn nicht anders beweiſen kann als durch Darlegung der Worte Chri- ſti — Iſt dann eine ſtille ſanfte Wehklage über den Ver- fall des Chriſtenthums, ſo geradezu Heucheley, oder Af- fektation? (angenommene Ernſthaftigkeit?) 144. Vergebung der Beleidigungen. Da trat Petrus zu ihm und ſprach: Herr! Wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir ſündiget, vergeben? Iſt’s genug ſiebenmahl? Jeſus ſprach zu ihm: Ich ſage dir: Nicht ſieben- mahl; Sondern ſiebenzigmahl ſiebenmahl. Dar- um iſt das Himmelreich gleich einem Könige, der mit ſeinen Knechten rechnen wollte. Und als er anfieng zu rechnen, kam ihm einer vor, der war ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/296
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 268[288]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/296>, abgerufen am 27.07.2024.