besten, untrüglichen Meister geglaubt -- wie gern und willig hätt' Er alles um Seinetwillen aufgeopfert! Wie hätt' er sich seines neuen Herrn und Meisters gefreut! Nun aber, da sein Glaube noch sehr schwach war, wurd er betrübt, denn er hatte viel Güter. Der glaubt noch nicht an Christus, der bey irgend einer Aufopferung um der Tugend, und um Christus wil- len noch betrübt, oder in Verlegenheit gesetzt werden kann. Wer glaubt, daß er mit hundert zehentausend gewinnen könne, wird nicht betrübt, wenn er die hun- dert hingeben soll. Und wer glaubt, daß er mit Zehn- tausenden viele Millionen gewinnen könne, der giebt Zehn- tausend mit Freuden hin. Viele glauben Alles für Tu- gend und Christus wagen zu können -- Sie setzen sich sehr leicht in die Gedanken -- Streben nach Vollkom- menheit; Nachfrage -- "was mangelt mir noch?" -- Sey schon Vollkommenheit selbst, wenigstens ein so ho- her Grad von Treflichkeit, daß viele Tausende, die diese Frage nicht thun, Himmelweit hinter ihnen zurückblei- ben -- Aber, wer sich betrübt, wenn eine Probe sei- nes Eifers nach Vollkommenheit verlangt wird, der sollte sich bey dieser Gelegenheit kennen lernen, und sich vor Gott und sich selber demüthigen.
9. Was unser Herr bey diesem Anlasse von der Gefährlichkeit des Reichthums sagt, und was uns von drey Evangelisten aufbehalten ist, verdient die kaltblü- tigste Beherzigung. Es scheint Ihm beym traurigen Weggehen des Jünglings ein schwehrer Seufzer zu ent- fahren! -- "Ach! wie schwehr, wie schwer wird es den
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Weg zur Glückſeeligkeit. Reichthum.
beſten, untrüglichen Meiſter geglaubt — wie gern und willig hätt’ Er alles um Seinetwillen aufgeopfert! Wie hätt’ er ſich ſeines neuen Herrn und Meiſters gefreut! Nun aber, da ſein Glaube noch ſehr ſchwach war, wurd er betrübt, denn er hatte viel Güter. Der glaubt noch nicht an Chriſtus, der bey irgend einer Aufopferung um der Tugend, und um Chriſtus wil- len noch betrübt, oder in Verlegenheit geſetzt werden kann. Wer glaubt, daß er mit hundert zehentauſend gewinnen könne, wird nicht betrübt, wenn er die hun- dert hingeben ſoll. Und wer glaubt, daß er mit Zehn- tauſenden viele Millionen gewinnen könne, der giebt Zehn- tauſend mit Freuden hin. Viele glauben Alles für Tu- gend und Chriſtus wagen zu können — Sie ſetzen ſich ſehr leicht in die Gedanken — Streben nach Vollkom- menheit; Nachfrage — „was mangelt mir noch?„ — Sey ſchon Vollkommenheit ſelbſt, wenigſtens ein ſo ho- her Grad von Treflichkeit, daß viele Tauſende, die dieſe Frage nicht thun, Himmelweit hinter ihnen zurückblei- ben — Aber, wer ſich betrübt, wenn eine Probe ſei- nes Eifers nach Vollkommenheit verlangt wird, der ſollte ſich bey dieſer Gelegenheit kennen lernen, und ſich vor Gott und ſich ſelber demüthigen.
9. Was unſer Herr bey dieſem Anlaſſe von der Gefährlichkeit des Reichthums ſagt, und was uns von drey Evangeliſten aufbehalten iſt, verdient die kaltblü- tigſte Beherzigung. Es ſcheint Ihm beym traurigen Weggehen des Jünglings ein ſchwehrer Seufzer zu ent- fahren! — „Ach! wie ſchwehr, wie ſchwer wird es den
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[287[307]/0315]
Weg zur Glückſeeligkeit. Reichthum.
beſten, untrüglichen Meiſter geglaubt — wie gern und
willig hätt’ Er alles um Seinetwillen aufgeopfert! Wie
hätt’ er ſich ſeines neuen Herrn und Meiſters gefreut!
Nun aber, da ſein Glaube noch ſehr ſchwach war,
wurd er betrübt, denn er hatte viel Güter. Der
glaubt noch nicht an Chriſtus, der bey irgend einer
Aufopferung um der Tugend, und um Chriſtus wil-
len noch betrübt, oder in Verlegenheit geſetzt werden
kann. Wer glaubt, daß er mit hundert zehentauſend
gewinnen könne, wird nicht betrübt, wenn er die hun-
dert hingeben ſoll. Und wer glaubt, daß er mit Zehn-
tauſenden viele Millionen gewinnen könne, der giebt Zehn-
tauſend mit Freuden hin. Viele glauben Alles für Tu-
gend und Chriſtus wagen zu können — Sie ſetzen ſich
ſehr leicht in die Gedanken — Streben nach Vollkom-
menheit; Nachfrage — „was mangelt mir noch?„ —
Sey ſchon Vollkommenheit ſelbſt, wenigſtens ein ſo ho-
her Grad von Treflichkeit, daß viele Tauſende, die dieſe
Frage nicht thun, Himmelweit hinter ihnen zurückblei-
ben — Aber, wer ſich betrübt, wenn eine Probe ſei-
nes Eifers nach Vollkommenheit verlangt wird, der
ſollte ſich bey dieſer Gelegenheit kennen lernen, und ſich
vor Gott und ſich ſelber demüthigen.
9. Was unſer Herr bey dieſem Anlaſſe von der
Gefährlichkeit des Reichthums ſagt, und was uns von
drey Evangeliſten aufbehalten iſt, verdient die kaltblü-
tigſte Beherzigung. Es ſcheint Ihm beym traurigen
Weggehen des Jünglings ein ſchwehrer Seufzer zu ent-
fahren! — „Ach! wie ſchwehr, wie ſchwer wird es den
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 287[307]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/315>, abgerufen am 24.11.2024.
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