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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Gericht des Herrn.
werden auch sie Ihm antworten und sprechen:
Herr, wenn haben wir Dich hungrig, oder dur-
stig, oder einen Fremdling, oder nackt, oder krank,
oder im Gefängniß gesehen, und Dir nicht ge-
dienet. Dann wird Er ihnen antworten und sa-
gen: Wahrlich, Ich sage euch: So fern ihr es
nicht einem dieser Geringsten gethan habet, so
habt ihr es auch Mir nicht gethan.

Was einem Leidenden abgeschlagen wird, das schlägt
man Christus ab. Er macht die Sache der Unglück-
lichen, besonders derer, die den Namen der Seinigen
verdienen, zu seiner eigenen. Wie fürchterlich beschä-
mend wird diese Anrede seyn für diejenigen, die die Mensch-
lichkeit verleugnet, die sich gegen ihre Brüder verhärtet,
die nur auf eigenen Genuß bedacht waren. -- Wer
mag das Gute ausdenken, das auch nur durch dieses
Gleichniß des Heilandes ist veranlaßt und bewirkt wor-
den! Und konnte Er so sprechen, ohne gewiß zu seyn,
daß Er einst kommen würde, so zu belohnen und zu
strafen, anzunehmen und zu verweisen? Und wenn Er
wiederkömmt und einst so richten wird, wie fleißig sol-
len wir dann seyn mit guten Werken! Wie achtsam,
keine Gelegenheit zum Gutesthun vorbey zu lassen!

5. Und diese werden in ewige Strafe gehen,
die Gerechten aber in ewiges Leben.
Unabsehli-
ches Elend wartet der Lieblosen, der Unbarmherzigen;
Ewiger Genuß wartet der Mitleidigen, Wohlthätigen
-- Jene, die Harten, Lieblosen nimmt der Quaalreiche

Abgrund
E e 3

Gericht des Herrn.
werden auch ſie Ihm antworten und ſprechen:
Herr, wenn haben wir Dich hungrig, oder dur-
ſtig, oder einen Fremdling, oder nackt, oder krank,
oder im Gefängniß geſehen, und Dir nicht ge-
dienet. Dann wird Er ihnen antworten und ſa-
gen: Wahrlich, Ich ſage euch: So fern ihr es
nicht einem dieſer Geringſten gethan habet, ſo
habt ihr es auch Mir nicht gethan.

Was einem Leidenden abgeſchlagen wird, das ſchlägt
man Chriſtus ab. Er macht die Sache der Unglück-
lichen, beſonders derer, die den Namen der Seinigen
verdienen, zu ſeiner eigenen. Wie fürchterlich beſchä-
mend wird dieſe Anrede ſeyn für diejenigen, die die Menſch-
lichkeit verleugnet, die ſich gegen ihre Brüder verhärtet,
die nur auf eigenen Genuß bedacht waren. — Wer
mag das Gute ausdenken, das auch nur durch dieſes
Gleichniß des Heilandes iſt veranlaßt und bewirkt wor-
den! Und konnte Er ſo ſprechen, ohne gewiß zu ſeyn,
daß Er einſt kommen würde, ſo zu belohnen und zu
ſtrafen, anzunehmen und zu verweiſen? Und wenn Er
wiederkömmt und einſt ſo richten wird, wie fleißig ſol-
len wir dann ſeyn mit guten Werken! Wie achtſam,
keine Gelegenheit zum Gutesthun vorbey zu laſſen!

5. Und dieſe werden in ewige Strafe gehen,
die Gerechten aber in ewiges Leben.
Unabſehli-
ches Elend wartet der Liebloſen, der Unbarmherzigen;
Ewiger Genuß wartet der Mitleidigen, Wohlthätigen
— Jene, die Harten, Liebloſen nimmt der Quaalreiche

Abgrund
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[437[457]/0465] Gericht des Herrn. werden auch ſie Ihm antworten und ſprechen: Herr, wenn haben wir Dich hungrig, oder dur- ſtig, oder einen Fremdling, oder nackt, oder krank, oder im Gefängniß geſehen, und Dir nicht ge- dienet. Dann wird Er ihnen antworten und ſa- gen: Wahrlich, Ich ſage euch: So fern ihr es nicht einem dieſer Geringſten gethan habet, ſo habt ihr es auch Mir nicht gethan. Was einem Leidenden abgeſchlagen wird, das ſchlägt man Chriſtus ab. Er macht die Sache der Unglück- lichen, beſonders derer, die den Namen der Seinigen verdienen, zu ſeiner eigenen. Wie fürchterlich beſchä- mend wird dieſe Anrede ſeyn für diejenigen, die die Menſch- lichkeit verleugnet, die ſich gegen ihre Brüder verhärtet, die nur auf eigenen Genuß bedacht waren. — Wer mag das Gute ausdenken, das auch nur durch dieſes Gleichniß des Heilandes iſt veranlaßt und bewirkt wor- den! Und konnte Er ſo ſprechen, ohne gewiß zu ſeyn, daß Er einſt kommen würde, ſo zu belohnen und zu ſtrafen, anzunehmen und zu verweiſen? Und wenn Er wiederkömmt und einſt ſo richten wird, wie fleißig ſol- len wir dann ſeyn mit guten Werken! Wie achtſam, keine Gelegenheit zum Gutesthun vorbey zu laſſen! 5. Und dieſe werden in ewige Strafe gehen, die Gerechten aber in ewiges Leben. Unabſehli- ches Elend wartet der Liebloſen, der Unbarmherzigen; Ewiger Genuß wartet der Mitleidigen, Wohlthätigen — Jene, die Harten, Liebloſen nimmt der Quaalreiche Abgrund E e 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 437[457]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/465>, abgerufen am 23.11.2024.