ner Handlung -- so sind dir die unmenschlichsten Hand- lungen ein Spiel.
4. Und er suchte von da an Gelegenheit, wie er Ihn verriethe?
Welch eine bejammernswürdige Gemüthsverfassung! Immer mit dem Gedanken schwanger: "Einmahl soll's &q;dieser Dehmüthigungen genug seyn! Das Wort der &q;Beschämung soll Ihm theu'r genug zu stehen kommen! &q;Auf seine Schritte und Tritte soll von nun an scharf &q;gelauert werden. -- Wo will der Meister wohl diese &q;Nacht hinbringen? Wird Er wohl in Gethsemane schla- &q;fen?" -- und dann alle Abende in den Pallast des Hohen- priesters geschlichen -- -- "Noch ist's nicht thunlich .. &q;Noch weiß ich die Stelle nicht gewiß, wo Er zu treffen &q;seyn mögte. Gewiß bleibt Er über die Festzeit zu Je- &q;rusalem. . Haltet euch nur in guter Bereitschaft. Er &q;hat selten alle Zwölfe um sich; Größtentheils nur &q;drey seiner Lieblinge -- wir alle haben nicht mehr als &q;zwey Schwerdter. Des Nachts hat Er niemand um &q;sich vom Volke, wie häufig es Ihn auch des Tages &q;begleiten mag. -- Seyd meiner Aufmerksamkeit sicher. &q;Er vertraut mir manches. Er denkt an nichts Vöses &q;-- übrigens seh' ich immer mehr ein, daß nichts an &q;Ihm ist. Er hat eine scharfe Zunge. Man kann &q;Ihm nichts recht machen. Das Einemahl empfiehlt &q;Er Barmherzigkeit -- das anderemahl läßt Er sich so &q;heraus, als ob Ihm an den Armen nichts gelegen &q;wäre. Wahr ist's, Geld hat Er keines, jemand zu &q;bestechen oder auf seine Seite zu bringen -- Wie
&q;kann
Judas Iſchariot.
ner Handlung — ſo ſind dir die unmenſchlichſten Hand- lungen ein Spiel.
4. Und er ſuchte von da an Gelegenheit, wie er Ihn verriethe?
Welch eine bejammernswürdige Gemüthsverfaſſung! Immer mit dem Gedanken ſchwanger: „Einmahl ſoll’s &q;dieſer Dehmüthigungen genug ſeyn! Das Wort der &q;Beſchämung ſoll Ihm theu’r genug zu ſtehen kommen! &q;Auf ſeine Schritte und Tritte ſoll von nun an ſcharf &q;gelauert werden. — Wo will der Meiſter wohl dieſe &q;Nacht hinbringen? Wird Er wohl in Gethſemane ſchla- &q;fen?„ — und dann alle Abende in den Pallaſt des Hohen- prieſters geſchlichen — — „Noch iſt’s nicht thunlich .. &q;Noch weiß ich die Stelle nicht gewiß, wo Er zu treffen &q;ſeyn mögte. Gewiß bleibt Er über die Feſtzeit zu Je- &q;ruſalem. . Haltet euch nur in guter Bereitſchaft. Er &q;hat ſelten alle Zwölfe um ſich; Größtentheils nur &q;drey ſeiner Lieblinge — wir alle haben nicht mehr als &q;zwey Schwerdter. Des Nachts hat Er niemand um &q;ſich vom Volke, wie häufig es Ihn auch des Tages &q;begleiten mag. — Seyd meiner Aufmerkſamkeit ſicher. &q;Er vertraut mir manches. Er denkt an nichts Vöſes &q;— übrigens ſeh’ ich immer mehr ein, daß nichts an &q;Ihm iſt. Er hat eine ſcharfe Zunge. Man kann &q;Ihm nichts recht machen. Das Einemahl empfiehlt &q;Er Barmherzigkeit — das anderemahl läßt Er ſich ſo &q;heraus, als ob Ihm an den Armen nichts gelegen &q;wäre. Wahr iſt’s, Geld hat Er keines, jemand zu &q;beſtechen oder auf ſeine Seite zu bringen — Wie
&q;kann
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[447[467]/0475]
Judas Iſchariot.
ner Handlung — ſo ſind dir die unmenſchlichſten Hand-
lungen ein Spiel.
4. Und er ſuchte von da an Gelegenheit, wie
er Ihn verriethe?
Welch eine bejammernswürdige Gemüthsverfaſſung!
Immer mit dem Gedanken ſchwanger: „Einmahl ſoll’s
&q;dieſer Dehmüthigungen genug ſeyn! Das Wort der
&q;Beſchämung ſoll Ihm theu’r genug zu ſtehen kommen!
&q;Auf ſeine Schritte und Tritte ſoll von nun an ſcharf
&q;gelauert werden. — Wo will der Meiſter wohl dieſe
&q;Nacht hinbringen? Wird Er wohl in Gethſemane ſchla-
&q;fen?„ — und dann alle Abende in den Pallaſt des Hohen-
prieſters geſchlichen — — „Noch iſt’s nicht thunlich ..
&q;Noch weiß ich die Stelle nicht gewiß, wo Er zu treffen
&q;ſeyn mögte. Gewiß bleibt Er über die Feſtzeit zu Je-
&q;ruſalem. . Haltet euch nur in guter Bereitſchaft. Er
&q;hat ſelten alle Zwölfe um ſich; Größtentheils nur
&q;drey ſeiner Lieblinge — wir alle haben nicht mehr als
&q;zwey Schwerdter. Des Nachts hat Er niemand um
&q;ſich vom Volke, wie häufig es Ihn auch des Tages
&q;begleiten mag. — Seyd meiner Aufmerkſamkeit ſicher.
&q;Er vertraut mir manches. Er denkt an nichts Vöſes
&q;— übrigens ſeh’ ich immer mehr ein, daß nichts an
&q;Ihm iſt. Er hat eine ſcharfe Zunge. Man kann
&q;Ihm nichts recht machen. Das Einemahl empfiehlt
&q;Er Barmherzigkeit — das anderemahl läßt Er ſich ſo
&q;heraus, als ob Ihm an den Armen nichts gelegen
&q;wäre. Wahr iſt’s, Geld hat Er keines, jemand zu
&q;beſtechen oder auf ſeine Seite zu bringen — Wie
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 447[467]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/475>, abgerufen am 23.11.2024.
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