Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
Reines Herzens seyn. Narr sagen.
21.

Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, nachMatth.
V. 6.

Christus Sinn, Christus Religion, die so unendlich er-
haben ist über Schriftgelehrten und Pharisäer Religion
-- ist ein wesentlicher Grundzug eines guten Menschen,
eines würdigen Schülers Christi -- Sättigung ist
diesem rufenden Bedürfnisse verheissen. Bleibt diese aus
-- so muß es an Gott fehlen, oder am Menschen. Sey
dieß Jedem Prüfstein des Evangeliums! Er glaube kei-
ner Lüge! Wenn das Evangelium lügt, so verdient's so
wenig Glauben, als immer ein lügendes Buch. Wer
nach Gerechtigkeit hungert -- und wem Gott nicht zur
Gerechtigkeit hilft, täglich mannigfaltig, und augen-
scheinlich hilft -- Ein Thor ist Er, wenn Er weiter
ans Evangelium glaubt.

22.

Reines Herzens seyn -- Was ists? Lauter auf-Matth.
V. 8.

richtig, rein von allem Trug, aller Lichtscheuen, Men-
schenscheuen, Gottscheuen, Nebenabsicht -- Sich Gott
und Menschen zeigen dürfen! Sich durchschauen lassen
dürfen von jedem, der durchschauen kann.

23.

Wer sagt, du Narr! Der ist des höllischenMatth.
V. 22.

Feuers schuldig! Ich gestehe, daß ich den eigentli-
chen Sinn dieser Stelle nicht klar genug und mit völli-
ger Gewißheit verstehe. Auffallend ist's, daß Christus
jedes harte unbrüderliche Wort himmelweit von unsern

Lip-
B 3
Reines Herzens ſeyn. Narr ſagen.
21.

Hunger und Durſt nach Gerechtigkeit, nachMatth.
V. 6.

Chriſtus Sinn, Chriſtus Religion, die ſo unendlich er-
haben iſt über Schriftgelehrten und Phariſäer Religion
— iſt ein weſentlicher Grundzug eines guten Menſchen,
eines würdigen Schülers Chriſti — Sättigung iſt
dieſem rufenden Bedürfniſſe verheiſſen. Bleibt dieſe aus
— ſo muß es an Gott fehlen, oder am Menſchen. Sey
dieß Jedem Prüfſtein des Evangeliums! Er glaube kei-
ner Lüge! Wenn das Evangelium lügt, ſo verdient’s ſo
wenig Glauben, als immer ein lügendes Buch. Wer
nach Gerechtigkeit hungert — und wem Gott nicht zur
Gerechtigkeit hilft, täglich mannigfaltig, und augen-
ſcheinlich hilft — Ein Thor iſt Er, wenn Er weiter
ans Evangelium glaubt.

22.

Reines Herzens ſeyn — Was iſts? Lauter auf-Matth.
V. 8.

richtig, rein von allem Trug, aller Lichtſcheuen, Men-
ſchenſcheuen, Gottſcheuen, Nebenabſicht — Sich Gott
und Menſchen zeigen dürfen! Sich durchſchauen laſſen
dürfen von jedem, der durchſchauen kann.

23.

Wer ſagt, du Narr! Der iſt des hölliſchenMatth.
V. 22.

Feuers ſchuldig! Ich geſtehe, daß ich den eigentli-
chen Sinn dieſer Stelle nicht klar genug und mit völli-
ger Gewißheit verſtehe. Auffallend iſt’s, daß Chriſtus
jedes harte unbrüderliche Wort himmelweit von unſern

Lip-
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0049" n="21[41]"/>
          <fw place="top" type="header">Reines Herzens &#x017F;eyn. Narr &#x017F;agen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>21.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Hunger und Dur&#x017F;t nach Gerechtigkeit,</hi> nach<note place="right">Matth.<lb/><hi rendition="#aq">V.</hi> 6.</note><lb/>
Chri&#x017F;tus Sinn, Chri&#x017F;tus Religion, die &#x017F;o unendlich er-<lb/>
haben i&#x017F;t über Schriftgelehrten und Phari&#x017F;äer Religion<lb/>
&#x2014; i&#x017F;t ein we&#x017F;entlicher Grundzug eines guten Men&#x017F;chen,<lb/>
eines würdigen Schülers Chri&#x017F;ti &#x2014; <hi rendition="#fr">Sättigung</hi> i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;em rufenden Bedürfni&#x017F;&#x017F;e verhei&#x017F;&#x017F;en. Bleibt die&#x017F;e aus<lb/>
&#x2014; &#x017F;o muß es an Gott fehlen, oder am Men&#x017F;chen. Sey<lb/>
dieß Jedem Prüf&#x017F;tein des Evangeliums! Er glaube kei-<lb/>
ner Lüge! Wenn das Evangelium lügt, &#x017F;o verdient&#x2019;s &#x017F;o<lb/>
wenig Glauben, als immer ein lügendes Buch. Wer<lb/>
nach Gerechtigkeit hungert &#x2014; und wem Gott nicht zur<lb/>
Gerechtigkeit hilft, täglich mannigfaltig, und augen-<lb/>
&#x017F;cheinlich hilft &#x2014; Ein Thor i&#x017F;t Er, wenn Er weiter<lb/>
ans Evangelium glaubt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>22.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Reines Herzens &#x017F;eyn</hi> &#x2014; Was i&#x017F;ts? Lauter auf-<note place="right">Matth.<lb/><hi rendition="#aq">V.</hi> 8.</note><lb/>
richtig, rein von allem Trug, aller Licht&#x017F;cheuen, Men-<lb/>
&#x017F;chen&#x017F;cheuen, Gott&#x017F;cheuen, Nebenab&#x017F;icht &#x2014; Sich Gott<lb/>
und Men&#x017F;chen zeigen dürfen! Sich durch&#x017F;chauen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
dürfen von jedem, der durch&#x017F;chauen kann.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>23.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Wer &#x017F;agt, du Narr! Der i&#x017F;t des hölli&#x017F;chen</hi><note place="right">Matth.<lb/><hi rendition="#aq">V.</hi> 22.</note><lb/><hi rendition="#fr">Feuers &#x017F;chuldig!</hi> Ich ge&#x017F;tehe, daß ich den eigentli-<lb/>
chen Sinn die&#x017F;er Stelle nicht klar genug und mit völli-<lb/>
ger Gewißheit ver&#x017F;tehe. Auffallend i&#x017F;t&#x2019;s, daß Chri&#x017F;tus<lb/>
jedes harte unbrüderliche Wort himmelweit von un&#x017F;ern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Lip-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21[41]/0049] Reines Herzens ſeyn. Narr ſagen. 21. Hunger und Durſt nach Gerechtigkeit, nach Chriſtus Sinn, Chriſtus Religion, die ſo unendlich er- haben iſt über Schriftgelehrten und Phariſäer Religion — iſt ein weſentlicher Grundzug eines guten Menſchen, eines würdigen Schülers Chriſti — Sättigung iſt dieſem rufenden Bedürfniſſe verheiſſen. Bleibt dieſe aus — ſo muß es an Gott fehlen, oder am Menſchen. Sey dieß Jedem Prüfſtein des Evangeliums! Er glaube kei- ner Lüge! Wenn das Evangelium lügt, ſo verdient’s ſo wenig Glauben, als immer ein lügendes Buch. Wer nach Gerechtigkeit hungert — und wem Gott nicht zur Gerechtigkeit hilft, täglich mannigfaltig, und augen- ſcheinlich hilft — Ein Thor iſt Er, wenn Er weiter ans Evangelium glaubt. Matth. V. 6. 22. Reines Herzens ſeyn — Was iſts? Lauter auf- richtig, rein von allem Trug, aller Lichtſcheuen, Men- ſchenſcheuen, Gottſcheuen, Nebenabſicht — Sich Gott und Menſchen zeigen dürfen! Sich durchſchauen laſſen dürfen von jedem, der durchſchauen kann. Matth. V. 8. 23. Wer ſagt, du Narr! Der iſt des hölliſchen Feuers ſchuldig! Ich geſtehe, daß ich den eigentli- chen Sinn dieſer Stelle nicht klar genug und mit völli- ger Gewißheit verſtehe. Auffallend iſt’s, daß Chriſtus jedes harte unbrüderliche Wort himmelweit von unſern Lip- Matth. V. 22. B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/49
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 21[41]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/49>, abgerufen am 21.11.2024.