wird -- aber, daß er gerad über dem Hause, wo das Kindlein Jesus ist, stille steht? -- Gerade so, wie die Sonne zu Gibeon, und der Mond im Thal Ajalon still stand -- wer, als ein Pedant, oder Sophist, deutsch, spitzfindiger Wortklauber, kann hier Schwierigkeit fin- den? Alle Geschichtschreiber in der Welt reden die Volks- sprache. Wie es dem Reisenden scheint, da sagt man, geht oder steht der Stern. So steht dieser jener Stern mir, oder einem jeden, der sich in meinem Standpunkt befindet; über diesem jenem Hause, diesem jenem Thurm? ... Und, wenn dieser Stern ein Comet war, wie hin- deutend erst nach Judäa, dann nach Bethlehem konnte er diesen Reisenden scheinen! Jeder siehet Himmel und Erde, Gott und Gottes Wort nach seinen Bedürfnissen an. So verstanden die Weisen diesen Stern ganz anders, als alle Welt, gesetzt auch, daß er von der übrigen Welt wie von ihnen gesehen worden wäre.
8.
Matth.II. 19-23. Da aber Herodes gestor- ben war, da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum in Aegypten, und sprach: Steh auf und nimm das Kindlein und seine Mut- ter zu dir, und zeuch hin in das Land Israels. Sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Le- ben stunden. Und er stand auf, und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich, und kam in das Land Israels. Da er aber hörete, daß Ar- chelaus im jüdischen Lande König war, anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich dahin
zu
Reviſion
wird — aber, daß er gerad über dem Hauſe, wo das Kindlein Jeſus iſt, ſtille ſteht? — Gerade ſo, wie die Sonne zu Gibeon, und der Mond im Thal Ajalon ſtill ſtand — wer, als ein Pedant, oder Sophiſt, deutſch, ſpitzfindiger Wortklauber, kann hier Schwierigkeit fin- den? Alle Geſchichtſchreiber in der Welt reden die Volks- ſprache. Wie es dem Reiſenden ſcheint, da ſagt man, geht oder ſteht der Stern. So ſteht dieſer jener Stern mir, oder einem jeden, der ſich in meinem Standpunkt befindet; über dieſem jenem Hauſe, dieſem jenem Thurm? ... Und, wenn dieſer Stern ein Comet war, wie hin- deutend erſt nach Judäa, dann nach Bethlehem konnte er dieſen Reiſenden ſcheinen! Jeder ſiehet Himmel und Erde, Gott und Gottes Wort nach ſeinen Bedürfniſſen an. So verſtanden die Weiſen dieſen Stern ganz anders, als alle Welt, geſetzt auch, daß er von der übrigen Welt wie von ihnen geſehen worden wäre.
8.
Matth.II. 19-23. Da aber Herodes geſtor- ben war, da erſchien der Engel des Herrn dem Joſeph im Traum in Aegypten, und ſprach: Steh auf und nimm das Kindlein und ſeine Mut- ter zu dir, und zeuch hin in das Land Iſraels. Sie ſind geſtorben, die dem Kinde nach dem Le- ben ſtunden. Und er ſtand auf, und nahm das Kindlein und ſeine Mutter zu ſich, und kam in das Land Iſraels. Da er aber hörete, daß Ar- chelaus im jüdiſchen Lande König war, anſtatt ſeines Vaters Herodes, fürchtete er ſich dahin
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Reviſion
wird — aber, daß er gerad über dem Hauſe, wo das
Kindlein Jeſus iſt, ſtille ſteht? — Gerade ſo, wie die
Sonne zu Gibeon, und der Mond im Thal Ajalon
ſtill ſtand — wer, als ein Pedant, oder Sophiſt, deutſch,
ſpitzfindiger Wortklauber, kann hier Schwierigkeit fin-
den? Alle Geſchichtſchreiber in der Welt reden die Volks-
ſprache. Wie es dem Reiſenden ſcheint, da ſagt man,
geht oder ſteht der Stern. So ſteht dieſer jener Stern
mir, oder einem jeden, der ſich in meinem Standpunkt
befindet; über dieſem jenem Hauſe, dieſem jenem Thurm?
... Und, wenn dieſer Stern ein Comet war, wie hin-
deutend erſt nach Judäa, dann nach Bethlehem konnte
er dieſen Reiſenden ſcheinen! Jeder ſiehet Himmel und
Erde, Gott und Gottes Wort nach ſeinen Bedürfniſſen
an. So verſtanden die Weiſen dieſen Stern ganz anders,
als alle Welt, geſetzt auch, daß er von der übrigen Welt
wie von ihnen geſehen worden wäre.
8.
Matth. II. 19-23. Da aber Herodes geſtor-
ben war, da erſchien der Engel des Herrn dem
Joſeph im Traum in Aegypten, und ſprach:
Steh auf und nimm das Kindlein und ſeine Mut-
ter zu dir, und zeuch hin in das Land Iſraels.
Sie ſind geſtorben, die dem Kinde nach dem Le-
ben ſtunden. Und er ſtand auf, und nahm das
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das Land Iſraels. Da er aber hörete, daß Ar-
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 598[618]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/626>, abgerufen am 23.11.2024.
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