Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.der moralischen und körperlichen Schönheit. Neben ihm, in der flachen Mütze, mit erhobner Seelenloser Hand, ein Kerl voll grau- Ob das äußerste Gesicht neben ihm, mit der hohen Mütze und dem wilden Bart, noch Aber der untere noch mit der Stange! Wer will da Worte finden, den Gräuel der Kann man sich wahrere Bildnisse von menschlicher Schlangen-Brut gedenken, als tha! Phys. Fragm. I. Versuch. N
der moraliſchen und koͤrperlichen Schoͤnheit. Neben ihm, in der flachen Muͤtze, mit erhobner Seelenloſer Hand, ein Kerl voll grau- Ob das aͤußerſte Geſicht neben ihm, mit der hohen Muͤtze und dem wilden Bart, noch Aber der untere noch mit der Stange! Wer will da Worte finden, den Graͤuel der Kann man ſich wahrere Bildniſſe von menſchlicher Schlangen-Brut gedenken, als tha! Phyſ. Fragm. I. Verſuch. N
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der moraliſchen und koͤrperlichen Schoͤnheit.
Neben ihm, in der flachen Muͤtze, mit erhobner Seelenloſer Hand, ein Kerl voll grau-
ſamer zaͤher, lederner Dummheit! Dummheit in den Falten ſeiner Stirn! Falſchheit und Wol-
luſt im Blick ſeiner Augen, Bosheit in ſeinem Munde, beſonders in ſeinen Zaͤhnen!
Ob das aͤußerſte Geſicht neben ihm, mit der hohen Muͤtze und dem wilden Bart, noch
verruchter ſey, — wer will's beſtimmen? Feſter gewiß! Maͤchtiger — heulender vielleicht!
Vermiſchung von Grimm und Furcht! Unfeſtigkeit, boͤſes Gewiſſen, in der Haltung der Hand!
uͤbrigens ohne Gewiſſen! voll Teufeley — zwar nicht
Mit vernichtendem Stolz im hohen Auge geruͤſtet,
aber
Jn Meere verruchter Gedanken, in ſich verloren,
Derer ſich, waͤr er ein Menſch, ſelbſt Adramelech nicht ſchaͤmte.
Aber der untere noch mit der Stange! Wer will da Worte finden, den Graͤuel der
Niedertraͤchtigkeit zu zeichnen! wie fehlt da aller Stolz! aller Schatten von Wuͤrde des Cha-
racters oder Amtes! Wie ſcheint da alle Menſchlichkeit ein Ende zu haben! wie iſt da unerbitt-
liche Schmerzensfreude, uͤber das breite gevierte Geſicht, entſetzliche Gefuͤhlloſigkeit, beſon-
ders uͤber Mund und Backen, und Kinn und Naſe verbreitet! — und auch dieſe Hand! —
wie verſchieden von einer wohlthaͤtigen Hand, die arbeitet, um einen Armen zu naͤhren, und
die vom errungenen Brodte, der vergeßnen Duͤrftigkeit den halben Biſſen, von Gott nur ge-
ſehen, darreicht!
Kann man ſich wahrere Bildniſſe von menſchlicher Schlangen-Brut gedenken, als
wir vor uns haben? Wer kann's ausſtehen, die Unſchuld in den Haͤnden ſolcher Verruchten zu
ſehen? wer fuͤhlt die Groͤße des goͤttlichen Schweigens nicht? „die das verbirgt, was Welten
„erſchuf.“ Ein Wort, und als Todtengerippe waͤren ſie dagelegen! Ein Blick — und zu Aſche
zerblitzt ſtaͤubt' er ſie in die Luft — aber — Sie uͤberlaͤßt ſich dem, der da recht richtet —
die himmliſche Unſchuld! Sie iſt nicht gekommen, die Seelen der Menſchen zu verder-
ben, ſondern ſelig zu machen! — die ewige Erbarmung! Bring ihr eine Thraͤne danken-
der Anbethung dar, kannſt du die gewiſſeſte aller Geſchichte glauben — Jeſus auf Gabba-
tha!
Phyſ. Fragm. I. Verſuch. N
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