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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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XVI. Fragment. Von einigen Physiognomisten.
sucht -- hat sie's so weit gebracht, daß ich mich nie im mindesten vor ihr verstellen, weder die ge-
ringste Freude, noch den mindesten Verdruß vor ihr verbergen kann.

Dergleichen Beyspiele sind ohne Zweifel unzählig, und sie beweisen zum wenigsten, daß in
sehr vielen Menschen der natürliche physiognomische Sinn so weit empfindend und lebendig werden
kann, daß sie als wirkliche Zeugen von der Wahrheit der Physiognomik angesehen werden können.
Es muß also, füg' ich hiezu, (ich glaube Baco sagt's irgendwo) es muß eine künstliche Phy-
siognomik geben, weil es unstreitig eine natürliche giebt.

Noch einen der größten Physiognomisten will ich nicht so wohl nennen, als anführen, der
mir viele wichtige allgemeine und besondere Bemerkungen mitgetheilt hat. Ein Mann, dessen ein-
fachster, schnellster Blick den schnellsten und verworrensten Blick anderer ergreift, festhält, ent-
wickelt, mit wenigen aber sehr zeichnenden Worten ausdrückt.

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Siebzehntes

XVI. Fragment. Von einigen Phyſiognomiſten.
ſucht — hat ſie's ſo weit gebracht, daß ich mich nie im mindeſten vor ihr verſtellen, weder die ge-
ringſte Freude, noch den mindeſten Verdruß vor ihr verbergen kann.

Dergleichen Beyſpiele ſind ohne Zweifel unzaͤhlig, und ſie beweiſen zum wenigſten, daß in
ſehr vielen Menſchen der natuͤrliche phyſiognomiſche Sinn ſo weit empfindend und lebendig werden
kann, daß ſie als wirkliche Zeugen von der Wahrheit der Phyſiognomik angeſehen werden koͤnnen.
Es muß alſo, fuͤg' ich hiezu, (ich glaube Baco ſagt's irgendwo) es muß eine kuͤnſtliche Phy-
ſiognomik geben, weil es unſtreitig eine natuͤrliche giebt.

Noch einen der groͤßten Phyſiognomiſten will ich nicht ſo wohl nennen, als anfuͤhren, der
mir viele wichtige allgemeine und beſondere Bemerkungen mitgetheilt hat. Ein Mann, deſſen ein-
fachſter, ſchnellſter Blick den ſchnellſten und verworrenſten Blick anderer ergreift, feſthaͤlt, ent-
wickelt, mit wenigen aber ſehr zeichnenden Worten ausdruͤckt.

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Siebzehntes
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[184/0252] XVI. Fragment. Von einigen Phyſiognomiſten. ſucht — hat ſie's ſo weit gebracht, daß ich mich nie im mindeſten vor ihr verſtellen, weder die ge- ringſte Freude, noch den mindeſten Verdruß vor ihr verbergen kann. Dergleichen Beyſpiele ſind ohne Zweifel unzaͤhlig, und ſie beweiſen zum wenigſten, daß in ſehr vielen Menſchen der natuͤrliche phyſiognomiſche Sinn ſo weit empfindend und lebendig werden kann, daß ſie als wirkliche Zeugen von der Wahrheit der Phyſiognomik angeſehen werden koͤnnen. Es muß alſo, fuͤg' ich hiezu, (ich glaube Baco ſagt's irgendwo) es muß eine kuͤnſtliche Phy- ſiognomik geben, weil es unſtreitig eine natuͤrliche giebt. Noch einen der groͤßten Phyſiognomiſten will ich nicht ſo wohl nennen, als anfuͤhren, der mir viele wichtige allgemeine und beſondere Bemerkungen mitgetheilt hat. Ein Mann, deſſen ein- fachſter, ſchnellſter Blick den ſchnellſten und verworrenſten Blick anderer ergreift, feſthaͤlt, ent- wickelt, mit wenigen aber ſehr zeichnenden Worten ausdruͤckt. [Abbildung] Siebzehntes

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/252>, abgerufen am 24.11.2024.