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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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XVII. Fragment. Physiognomische Uebungen
18) Jch kann mich nicht erwehren, zu sagen, daß dieß Gesicht zwar nicht ganz dumm, aber
gefühllos ist.
19) Ruhighorchende, nicht ganz untheilnehmende Aufmerksamkeit.
20) Die Kleinheit der Nase verdirbt vieles in diesem sonst nicht schlimmen Gesichte. Die Aug-
braunen zeugen von Verstand, von Güte der Mund.
21) Ein uncultivirtes etwas eigensinniges Capucinergesichtchen, nicht ohne merkbare Anlagen.
22) Ein außerordentlich gescheutes Gesicht, das viel Großes hat, dem aber das hervorstehende
Kinn, und der steife Bart wehe thun.
23) Dieß Gesicht wird sich, das weiß ich gewiß, wenige Freunde machen. Wer ist, der es
nicht eher für das Gesicht eines guten Essers, als eines großmüthigen Mannes erklä-
ren wird?
24) Ruhige, vorsichtige, oder vielmehr bedächtliche, übrigens ziemlich alltägliche Amtsmiene!


Jch wünschte, daß einer meiner Leser, der, wie's gewiß hundert geben wird, mehr Welt-
und Menschenkenntniß besitzt, als ich -- alle diese Gesichter, gleich als stünd oder säß er mir
brüderlich zur Seite, durchgehen, und meine Urtheile, eins nach dem andern, verbessern möchte.

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R. Ein
XVII. Fragment. Phyſiognomiſche Uebungen
18) Jch kann mich nicht erwehren, zu ſagen, daß dieß Geſicht zwar nicht ganz dumm, aber
gefuͤhllos iſt.
19) Ruhighorchende, nicht ganz untheilnehmende Aufmerkſamkeit.
20) Die Kleinheit der Naſe verdirbt vieles in dieſem ſonſt nicht ſchlimmen Geſichte. Die Aug-
braunen zeugen von Verſtand, von Guͤte der Mund.
21) Ein uncultivirtes etwas eigenſinniges Capucinergeſichtchen, nicht ohne merkbare Anlagen.
22) Ein außerordentlich geſcheutes Geſicht, das viel Großes hat, dem aber das hervorſtehende
Kinn, und der ſteife Bart wehe thun.
23) Dieß Geſicht wird ſich, das weiß ich gewiß, wenige Freunde machen. Wer iſt, der es
nicht eher fuͤr das Geſicht eines guten Eſſers, als eines großmuͤthigen Mannes erklaͤ-
ren wird?
24) Ruhige, vorſichtige, oder vielmehr bedaͤchtliche, uͤbrigens ziemlich alltaͤgliche Amtsmiene!


Jch wuͤnſchte, daß einer meiner Leſer, der, wie's gewiß hundert geben wird, mehr Welt-
und Menſchenkenntniß beſitzt, als ich — alle dieſe Geſichter, gleich als ſtuͤnd oder ſaͤß er mir
bruͤderlich zur Seite, durchgehen, und meine Urtheile, eins nach dem andern, verbeſſern moͤchte.

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R. Ein
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[212/0312] XVII. Fragment. Phyſiognomiſche Uebungen 18) Jch kann mich nicht erwehren, zu ſagen, daß dieß Geſicht zwar nicht ganz dumm, aber gefuͤhllos iſt. 19) Ruhighorchende, nicht ganz untheilnehmende Aufmerkſamkeit. 20) Die Kleinheit der Naſe verdirbt vieles in dieſem ſonſt nicht ſchlimmen Geſichte. Die Aug- braunen zeugen von Verſtand, von Guͤte der Mund. 21) Ein uncultivirtes etwas eigenſinniges Capucinergeſichtchen, nicht ohne merkbare Anlagen. 22) Ein außerordentlich geſcheutes Geſicht, das viel Großes hat, dem aber das hervorſtehende Kinn, und der ſteife Bart wehe thun. 23) Dieß Geſicht wird ſich, das weiß ich gewiß, wenige Freunde machen. Wer iſt, der es nicht eher fuͤr das Geſicht eines guten Eſſers, als eines großmuͤthigen Mannes erklaͤ- ren wird? 24) Ruhige, vorſichtige, oder vielmehr bedaͤchtliche, uͤbrigens ziemlich alltaͤgliche Amtsmiene! Jch wuͤnſchte, daß einer meiner Leſer, der, wie's gewiß hundert geben wird, mehr Welt- und Menſchenkenntniß beſitzt, als ich — alle dieſe Geſichter, gleich als ſtuͤnd oder ſaͤß er mir bruͤderlich zur Seite, durchgehen, und meine Urtheile, eins nach dem andern, verbeſſern moͤchte. [Abbildung] R. Ein

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/312>, abgerufen am 24.11.2024.