VIII. Fragment. Die Physiognomik eine Wissenschaft.
Das letzte, was ich diesem Fragmente noch beysetze -- sey, wiewohl es in anderer Absicht gesagt worden seyn mag, einem großen Manne nachgestammelt, der nebst vielen tiesen und seltenen Kenntnissen auch die Gabe der Geisterprüfung hatte, vermittelst welcher er blos durch den äußerlichen Blick entschied, ob einer, den keine Arzneykunst heilen konnte, den Glauben hat- te -- gesund zu werden -- "Jetzt erkennen wir noch Stückweise -- und unser Auslegen und "Commentiren ist Stückwerk! weg mit diesen Fragmenten, wenn die Vollkommenheit kömmt! "Noch ist's Stammlen eines Kindes, was ich schreibe! Kindische Einfälle und Bemü- "hungen werden sie mir einst scheinen, wenn ich Mann seyn werde! Denn jetzt sehn wir die "Herrlichkeit des Menschen nur durch ein düster Glas -- bald von Angesicht zu Ange- "sicht -- Jtzt fragmentsweise; dann werd ich's durch und durch erkennen -- wie ich -- von "dem erkennt bin, aus dem und durch den und in dem alle Dinge sind! Ehr' sey ihm in Ewig- "keit! Amen!"
[Abbildung]
Neuntes
VIII. Fragment. Die Phyſiognomik eine Wiſſenſchaft.
Das letzte, was ich dieſem Fragmente noch beyſetze — ſey, wiewohl es in anderer Abſicht geſagt worden ſeyn mag, einem großen Manne nachgeſtammelt, der nebſt vielen tieſen und ſeltenen Kenntniſſen auch die Gabe der Geiſterpruͤfung hatte, vermittelſt welcher er blos durch den aͤußerlichen Blick entſchied, ob einer, den keine Arzneykunſt heilen konnte, den Glauben hat- te — geſund zu werden — „Jetzt erkennen wir noch Stuͤckweiſe — und unſer Auslegen und „Commentiren iſt Stuͤckwerk! weg mit dieſen Fragmenten, wenn die Vollkommenheit koͤmmt! „Noch iſt's Stammlen eines Kindes, was ich ſchreibe! Kindiſche Einfaͤlle und Bemuͤ- „hungen werden ſie mir einſt ſcheinen, wenn ich Mann ſeyn werde! Denn jetzt ſehn wir die „Herrlichkeit des Menſchen nur durch ein duͤſter Glas — bald von Angeſicht zu Ange- „ſicht — Jtzt fragmentsweiſe; dann werd ich's durch und durch erkennen — wie ich — von „dem erkennt bin, aus dem und durch den und in dem alle Dinge ſind! Ehr' ſey ihm in Ewig- „keit! Amen!“
[Abbildung]
Neuntes
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0080"n="56"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VIII.</hi> Fragment. Die Phyſiognomik eine Wiſſenſchaft.</hi></fw><lb/><p>Das letzte, was ich dieſem Fragmente noch beyſetze —ſey, wiewohl es in anderer<lb/>
Abſicht geſagt worden ſeyn mag, einem großen Manne nachgeſtammelt, der nebſt vielen tieſen<lb/>
und ſeltenen Kenntniſſen auch die Gabe der Geiſterpruͤfung hatte, vermittelſt welcher er blos durch<lb/>
den aͤußerlichen Blick entſchied, ob einer, den keine Arzneykunſt heilen konnte, den Glauben hat-<lb/>
te — geſund zu werden —„Jetzt erkennen wir noch Stuͤckweiſe — und unſer Auslegen und<lb/>„Commentiren iſt Stuͤckwerk! weg mit dieſen Fragmenten, wenn die Vollkommenheit koͤmmt!<lb/>„Noch iſt's Stammlen eines Kindes, was ich ſchreibe! Kindiſche Einfaͤlle und Bemuͤ-<lb/>„hungen werden ſie mir einſt ſcheinen, wenn ich Mann ſeyn werde! Denn jetzt ſehn wir die<lb/>„Herrlichkeit des Menſchen nur durch ein duͤſter Glas — bald von Angeſicht zu Ange-<lb/>„ſicht — Jtzt fragmentsweiſe; dann werd ich's durch und durch erkennen — wie ich — von<lb/>„dem erkennt bin, aus dem und durch den und in dem alle Dinge ſind! Ehr' ſey ihm in Ewig-<lb/>„keit! Amen!“</p><lb/><figure/></div><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Neuntes</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[56/0080]
VIII. Fragment. Die Phyſiognomik eine Wiſſenſchaft.
Das letzte, was ich dieſem Fragmente noch beyſetze — ſey, wiewohl es in anderer
Abſicht geſagt worden ſeyn mag, einem großen Manne nachgeſtammelt, der nebſt vielen tieſen
und ſeltenen Kenntniſſen auch die Gabe der Geiſterpruͤfung hatte, vermittelſt welcher er blos durch
den aͤußerlichen Blick entſchied, ob einer, den keine Arzneykunſt heilen konnte, den Glauben hat-
te — geſund zu werden — „Jetzt erkennen wir noch Stuͤckweiſe — und unſer Auslegen und
„Commentiren iſt Stuͤckwerk! weg mit dieſen Fragmenten, wenn die Vollkommenheit koͤmmt!
„Noch iſt's Stammlen eines Kindes, was ich ſchreibe! Kindiſche Einfaͤlle und Bemuͤ-
„hungen werden ſie mir einſt ſcheinen, wenn ich Mann ſeyn werde! Denn jetzt ſehn wir die
„Herrlichkeit des Menſchen nur durch ein duͤſter Glas — bald von Angeſicht zu Ange-
„ſicht — Jtzt fragmentsweiſe; dann werd ich's durch und durch erkennen — wie ich — von
„dem erkennt bin, aus dem und durch den und in dem alle Dinge ſind! Ehr' ſey ihm in Ewig-
„keit! Amen!“
[Abbildung]
Neuntes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/80>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.