Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.XII. Fragment. Was sich aus bloßen Wo männliche feste Klugheit, stehende Denkkraft ist, ist das Kinn vordringend, wie zum Wo die ecklose, ununterbrochene, ungeschweifte Wölbung der Stirn ist, wie in c, da wer- Jch habe noch kaum angefangen diese Verhältnisse bestimmen zu lernen; aber ich ahnde O die Natur ist so homogen, so mathematisch in allen ihren Würkungen und Bildungen! Jch weiß, indem ich dieß sage, daß ich eine Menge tiefdenkender Leser, die ich verehre und Wann wir auch darinn nicht übereinkommen sollten, daß sich diese Verhältnisse mathe- (mithin
XII. Fragment. Was ſich aus bloßen Wo maͤnnliche feſte Klugheit, ſtehende Denkkraft iſt, iſt das Kinn vordringend, wie zum Wo die eckloſe, ununterbrochene, ungeſchweifte Woͤlbung der Stirn iſt, wie in c, da wer- Jch habe noch kaum angefangen dieſe Verhaͤltniſſe beſtimmen zu lernen; aber ich ahnde O die Natur iſt ſo homogen, ſo mathematiſch in allen ihren Wuͤrkungen und Bildungen! Jch weiß, indem ich dieß ſage, daß ich eine Menge tiefdenkender Leſer, die ich verehre und Wann wir auch darinn nicht uͤbereinkommen ſollten, daß ſich dieſe Verhaͤltniſſe mathe- (mithin
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XII. Fragment. Was ſich aus bloßen
Wo maͤnnliche feſte Klugheit, ſtehende Denkkraft iſt, iſt das Kinn vordringend, wie zum
Theil in d. Jch druͤcke mich mißverſtaͤndlich aus — Vordringendes Kinn iſt immer Zeichen
von Kraft, Maͤnnlichkeit, Staͤndigkeit.
Wo die eckloſe, ununterbrochene, ungeſchweifte Woͤlbung der Stirn iſt, wie in c, da wer-
det ihr kaum eine vorgebogene Habichtsnaſe, ihr werdet den Umriß der Naſe hohl finden, und wo
dieſer hohl, und die Stirn beym Augknochen ſo zirkelbogigt ecklos iſt — da wird das Kinn zu-
ruͤckſtehen.
Jch habe noch kaum angefangen dieſe Verhaͤltniſſe beſtimmen zu lernen; aber ich ahnde
mit einer Sicherheit, die an die hoͤchſte moraliſche Gewißheit graͤnzt: daß ein mathematiſcher Phy-
ſiognomiſt des folgenden Jahrhunderts aus gegebenen richtigen Sektionen eines Proſils den ganzen
Umriß deſſelben ſo wird beſtimmen lernen, wie ſich aus den Ordinaten einer Parabel die Abſciſſen,
und durch dieſe die paraboliſchen Sektionen beſtimmen laſſen.
O die Natur iſt ſo homogen, ſo mathematiſch in allen ihren Wuͤrkungen und Bildungen!
Sie flickt nie ungleichartige zuſammen, und ſo wie der gleichartige Fortgang einer Sektion,
von einem Zirkel, einer Parabel u. ſ. f. nur Einer — ſo iſt der Fortgang einer Sektion vom menſch-
lichen Geſicht im Stande der Ruhe, ſehr vermuthlich auch nur Einer ...
Jch weiß, indem ich dieß ſage, daß ich eine Menge tiefdenkender Leſer, die ich verehre und
hochſchaͤtze, und denen ich uͤbrigens tauſendmal mehr Einſichten, als mir, aufrichtig zutraue, vor
den Kopf ſtoße; aber ich bitte nur um Eins: „Ehe ſie ſich erzuͤrnen, ein paar Jahre wie ich, Be-
„obachtungen zu machen.“
Wann wir auch darinn nicht uͤbereinkommen ſollten, daß ſich dieſe Verhaͤltniſſe mathe-
matiſch beſtimmen ließen, (welches freylich in der Ausfuͤhrung unendlich ſchwerer ſeyn duͤrfte, wenn
auch zugegeben wuͤrde, daß es an ſich nicht unmoͤglich waͤre) ſo hoff’ ich dennoch ganz gewiß, daß
wir darinn uͤbereinkommen werden, daß „gewiſſe genau angegebene Abſchnitte von Profilen
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