Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.XIV. Fragment. Unterschied der Schädel dieses zur Schönheit und Fortpflanzung bestimmt sey. Offenbar zeigen sich die Merkmale derMannhaftigkeit und Stärke von jenem besonders auch in den Knochen, und in so fern sich das Stärkere, Ausgezeichnetere leichter beschreiben läßt, als das weniger Ausgezeichnete, Schwächere, sind auch die männlichen Skelete und Schädel leichter zu bezeichnen. Das männliche Knochengebäude überhaupt, der Schädel besonders, ist offenbar stärker Selbst einzelne Knochen sind beym weiblichen Geschlechte viel zarter, glatter, ebener, mehr Zum Unterschiede der Schädel in Ansehung des Geschlechtes gehört noch die Anmerkung Bloß die einzige Beobachtung von der Runde und Eckigtheit der Schädel kann als ein Es ist kein Mensch dem andern, weder im äussern noch innern Bau seiner Theile, sie mö- fenheit
XIV. Fragment. Unterſchied der Schaͤdel dieſes zur Schoͤnheit und Fortpflanzung beſtimmt ſey. Offenbar zeigen ſich die Merkmale derMannhaftigkeit und Staͤrke von jenem beſonders auch in den Knochen, und in ſo fern ſich das Staͤrkere, Ausgezeichnetere leichter beſchreiben laͤßt, als das weniger Ausgezeichnete, Schwaͤchere, ſind auch die maͤnnlichen Skelete und Schaͤdel leichter zu bezeichnen. Das maͤnnliche Knochengebaͤude uͤberhaupt, der Schaͤdel beſonders, iſt offenbar ſtaͤrker Selbſt einzelne Knochen ſind beym weiblichen Geſchlechte viel zarter, glatter, ebener, mehr Zum Unterſchiede der Schaͤdel in Anſehung des Geſchlechtes gehoͤrt noch die Anmerkung Bloß die einzige Beobachtung von der Runde und Eckigtheit der Schaͤdel kann als ein Es iſt kein Menſch dem andern, weder im aͤuſſern noch innern Bau ſeiner Theile, ſie moͤ- fenheit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0222" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XIV.</hi> Fragment. Unterſchied der Schaͤdel</hi></fw><lb/> dieſes zur Schoͤnheit und Fortpflanzung beſtimmt ſey. Offenbar zeigen ſich die Merkmale der<lb/> Mannhaftigkeit und Staͤrke von jenem beſonders auch in den Knochen, und in ſo fern ſich das<lb/> Staͤrkere, Ausgezeichnetere leichter beſchreiben laͤßt, als das weniger Ausgezeichnete, Schwaͤchere,<lb/> ſind auch die maͤnnlichen Skelete und Schaͤdel leichter zu bezeichnen.</p><lb/> <p>Das maͤnnliche Knochengebaͤude uͤberhaupt, der Schaͤdel beſonders, iſt offenbar ſtaͤrker<lb/> gebaut, als das weibliche; der maͤnnliche Leib nimmt aufwaͤrts von der Huͤfte bis zur Schulter<lb/> an Breite und Dicke zu. Daher die breiten Schultern, und das vierſchroͤtige Anſehen des Star-<lb/> ken, da hingegen das weibliche Skelet von jener Stelle an allgemach duͤnner und ſchmaͤchtiger und<lb/> nach oben, wie zugerundet, erſcheint.</p><lb/> <p>Selbſt einzelne Knochen ſind beym weiblichen Geſchlechte viel zarter, glatter, ebener, mehr<lb/> zugerundet, haben weniger ſcharfe Raͤnder, Graͤthen, und hervorſtehende Ecken.</p><lb/> <p>Zum Unterſchiede der Schaͤdel in Anſehung des Geſchlechtes gehoͤrt noch die Anmerkung<lb/> des <hi rendition="#fr">Santorinus:</hi> „die Hoͤhle des Mundes, des Gaumens, wie uͤberhaupt der Theile, welche<lb/> „den Ton bilden, ſind beym weiblichen Geſchlechte kleinlicher — damit ſtimmt das ſchmalere und<lb/> „rundere Kinn, folglich der untere Theil der Mundhoͤhle, uͤberein.“</p><lb/> <p>Bloß die einzige Beobachtung von der Runde und Eckigtheit der Schaͤdel kann als ein<lb/> großes, feſtes Fundament der Phyſiognomik uͤberhaupt, und als eine Quelle unzaͤhliger beſonderer<lb/> Beurtheilungen benutzt werden. Das ganze Werk iſt voll von Beyſpielen und Beweiſen davon.</p><lb/> <p>Es iſt kein Menſch dem andern, weder im aͤuſſern noch innern Bau ſeiner Theile, ſie moͤ-<lb/> gen groß oder klein ſeyn — vollkommen gleich — auch nicht in ſeinem Knochengebaͤude. Dieſer<lb/> Unterſchied hat nicht nur zwiſchen verſchiedenen Nationen, ſondern ſelbſt unter den naͤchſten Bluts-<lb/> verwandten Statt. Aber er iſt bey dieſen und unter derſelben Nation nicht ſo groß, als unter<lb/> Nationen, die ſehr entfernt von einander, und auf eine ganz verſchiedene Weiſe leben. Je mehr,<lb/> und je vertrauter die Menſchen mit einander umgehen, deſto naͤher kommen ſie ſich, wie in der<lb/> Sprache, der Lebensart, den Sitten, ſo in der Bildung der Theile ihres Koͤrpers, <hi rendition="#fr">in ſo fern<lb/> dieſe aͤuſſern zufaͤlligen Urſachen unterworfen iſt.</hi> So gleichen ſich gewiſſermaßen uͤber-<lb/> haupt Nationen, die durch Kaufmannſchaft und Gewerbe mit einander verbunden ſind, indem ſie<lb/> durch die Macht des Clima, der Nachahmung und der Gewohnheit, die ſo ſehr auf die Beſchaf-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fenheit</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0222]
XIV. Fragment. Unterſchied der Schaͤdel
dieſes zur Schoͤnheit und Fortpflanzung beſtimmt ſey. Offenbar zeigen ſich die Merkmale der
Mannhaftigkeit und Staͤrke von jenem beſonders auch in den Knochen, und in ſo fern ſich das
Staͤrkere, Ausgezeichnetere leichter beſchreiben laͤßt, als das weniger Ausgezeichnete, Schwaͤchere,
ſind auch die maͤnnlichen Skelete und Schaͤdel leichter zu bezeichnen.
Das maͤnnliche Knochengebaͤude uͤberhaupt, der Schaͤdel beſonders, iſt offenbar ſtaͤrker
gebaut, als das weibliche; der maͤnnliche Leib nimmt aufwaͤrts von der Huͤfte bis zur Schulter
an Breite und Dicke zu. Daher die breiten Schultern, und das vierſchroͤtige Anſehen des Star-
ken, da hingegen das weibliche Skelet von jener Stelle an allgemach duͤnner und ſchmaͤchtiger und
nach oben, wie zugerundet, erſcheint.
Selbſt einzelne Knochen ſind beym weiblichen Geſchlechte viel zarter, glatter, ebener, mehr
zugerundet, haben weniger ſcharfe Raͤnder, Graͤthen, und hervorſtehende Ecken.
Zum Unterſchiede der Schaͤdel in Anſehung des Geſchlechtes gehoͤrt noch die Anmerkung
des Santorinus: „die Hoͤhle des Mundes, des Gaumens, wie uͤberhaupt der Theile, welche
„den Ton bilden, ſind beym weiblichen Geſchlechte kleinlicher — damit ſtimmt das ſchmalere und
„rundere Kinn, folglich der untere Theil der Mundhoͤhle, uͤberein.“
Bloß die einzige Beobachtung von der Runde und Eckigtheit der Schaͤdel kann als ein
großes, feſtes Fundament der Phyſiognomik uͤberhaupt, und als eine Quelle unzaͤhliger beſonderer
Beurtheilungen benutzt werden. Das ganze Werk iſt voll von Beyſpielen und Beweiſen davon.
Es iſt kein Menſch dem andern, weder im aͤuſſern noch innern Bau ſeiner Theile, ſie moͤ-
gen groß oder klein ſeyn — vollkommen gleich — auch nicht in ſeinem Knochengebaͤude. Dieſer
Unterſchied hat nicht nur zwiſchen verſchiedenen Nationen, ſondern ſelbſt unter den naͤchſten Bluts-
verwandten Statt. Aber er iſt bey dieſen und unter derſelben Nation nicht ſo groß, als unter
Nationen, die ſehr entfernt von einander, und auf eine ganz verſchiedene Weiſe leben. Je mehr,
und je vertrauter die Menſchen mit einander umgehen, deſto naͤher kommen ſie ſich, wie in der
Sprache, der Lebensart, den Sitten, ſo in der Bildung der Theile ihres Koͤrpers, in ſo fern
dieſe aͤuſſern zufaͤlligen Urſachen unterworfen iſt. So gleichen ſich gewiſſermaßen uͤber-
haupt Nationen, die durch Kaufmannſchaft und Gewerbe mit einander verbunden ſind, indem ſie
durch die Macht des Clima, der Nachahmung und der Gewohnheit, die ſo ſehr auf die Beſchaf-
fenheit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |