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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XV. Fragment. Affenköpfe.
"platt; sein Blick dumm, oder auch wild; die Ohren, die Glieder, der Leib, rauh -- die harte
"Haut einem schwarzen, oder doch braunen Leder gleich -- die Nägel seyen lang, dick und krumm;
"unter den Füßen hornharte Haut -- u. s. w. -- -- -- Also, wie schwer anzugeben der Un-
"terschied zwischen beyden!" --

So schwer nicht -- Jch selbst kann nicht vergleichen. Aber wer vergleichen kann, ver-
gleiche -- zuletzt nur Schädel mit Schädel. --

Wo ist am Affen die Stirn des Menschen -- wenn das Haar zurückgekämmt ist? -- Am
Affen kann's nicht zurückgekämmt werden. --

Wo die Höhe und Breite, wo die Wölbung der Menschenstirn, als beym Menschen? --

Wo die besonders gezeichnete Augbraune -- in deren Bewegung Le Brün den Aus-
druck aller Leidenschaften findet, und in denen allein noch so viel mehr zu finden ist, als Le Brün
drinn fand? --

Wo die frey in die Luft hervorstehende Nase? wo ein ähnlicher Uebergang zum Munde?

Wo Menschenlippe an Zeichnung? Beweglichkeit? Farbe?

Wo Backen? wo hervorgehendes Kinn? wo Menschenhals? wo -- Menschheit?

Das neugebohrne Kind der wildesten Nation ist Mensch, hat alle Spuren der Mensch-
heit -- Man vergleich' es mit einem frisch geworfenen Ourang-Outang -- Man wird im Er-
sten gewiß eher Möglichkeit zum Engel, als im zweyten Möglichkeit zum Menschen sinden.

Erste Tafel.
Zwey und dreyßig Affenköpfe.

Der menschlichste unter allen Affenköpfen unsrer Tafel ist 6 -- Eben ein Ourang-Ou-
tang,
oder Jocko, der kleine Waldmensch! und dieser ähnlichste, wie unähnlich! --

Das Thierische und Untermenschliche ist vornehmlich zu suchen --

a) Jn der Kürze der Stirn, die bey weitem nicht die schöne Proportion der menschlichen
Stirn zum Gesichte hat.
b) Jn dem Mangel oder der Unsichtbarkeit des Weißen am Augapfel.
c) Jn

XV. Fragment. Affenkoͤpfe.
„platt; ſein Blick dumm, oder auch wild; die Ohren, die Glieder, der Leib, rauh — die harte
„Haut einem ſchwarzen, oder doch braunen Leder gleich — die Naͤgel ſeyen lang, dick und krumm;
„unter den Fuͤßen hornharte Haut — u. ſ. w. — — — Alſo, wie ſchwer anzugeben der Un-
„terſchied zwiſchen beyden!“ —

So ſchwer nicht — Jch ſelbſt kann nicht vergleichen. Aber wer vergleichen kann, ver-
gleiche — zuletzt nur Schaͤdel mit Schaͤdel. —

Wo iſt am Affen die Stirn des Menſchen — wenn das Haar zuruͤckgekaͤmmt iſt? — Am
Affen kann’s nicht zuruͤckgekaͤmmt werden. —

Wo die Hoͤhe und Breite, wo die Woͤlbung der Menſchenſtirn, als beym Menſchen? —

Wo die beſonders gezeichnete Augbraune — in deren Bewegung Le Bruͤn den Aus-
druck aller Leidenſchaften findet, und in denen allein noch ſo viel mehr zu finden iſt, als Le Bruͤn
drinn fand? —

Wo die frey in die Luft hervorſtehende Naſe? wo ein aͤhnlicher Uebergang zum Munde?

Wo Menſchenlippe an Zeichnung? Beweglichkeit? Farbe?

Wo Backen? wo hervorgehendes Kinn? wo Menſchenhals? wo — Menſchheit?

Das neugebohrne Kind der wildeſten Nation iſt Menſch, hat alle Spuren der Menſch-
heit — Man vergleich’ es mit einem friſch geworfenen Ourang-Outang — Man wird im Er-
ſten gewiß eher Moͤglichkeit zum Engel, als im zweyten Moͤglichkeit zum Menſchen ſinden.

Erſte Tafel.
Zwey und dreyßig Affenkoͤpfe.

Der menſchlichſte unter allen Affenkoͤpfen unſrer Tafel iſt 6 — Eben ein Ourang-Ou-
tang,
oder Jocko, der kleine Waldmenſch! und dieſer aͤhnlichſte, wie unaͤhnlich! —

Das Thieriſche und Untermenſchliche iſt vornehmlich zu ſuchen —

a) Jn der Kuͤrze der Stirn, die bey weitem nicht die ſchoͤne Proportion der menſchlichen
Stirn zum Geſichte hat.
b) Jn dem Mangel oder der Unſichtbarkeit des Weißen am Augapfel.
c) Jn
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[175/0251] XV. Fragment. Affenkoͤpfe. „platt; ſein Blick dumm, oder auch wild; die Ohren, die Glieder, der Leib, rauh — die harte „Haut einem ſchwarzen, oder doch braunen Leder gleich — die Naͤgel ſeyen lang, dick und krumm; „unter den Fuͤßen hornharte Haut — u. ſ. w. — — — Alſo, wie ſchwer anzugeben der Un- „terſchied zwiſchen beyden!“ — So ſchwer nicht — Jch ſelbſt kann nicht vergleichen. Aber wer vergleichen kann, ver- gleiche — zuletzt nur Schaͤdel mit Schaͤdel. — Wo iſt am Affen die Stirn des Menſchen — wenn das Haar zuruͤckgekaͤmmt iſt? — Am Affen kann’s nicht zuruͤckgekaͤmmt werden. — Wo die Hoͤhe und Breite, wo die Woͤlbung der Menſchenſtirn, als beym Menſchen? — Wo die beſonders gezeichnete Augbraune — in deren Bewegung Le Bruͤn den Aus- druck aller Leidenſchaften findet, und in denen allein noch ſo viel mehr zu finden iſt, als Le Bruͤn drinn fand? — Wo die frey in die Luft hervorſtehende Naſe? wo ein aͤhnlicher Uebergang zum Munde? Wo Menſchenlippe an Zeichnung? Beweglichkeit? Farbe? Wo Backen? wo hervorgehendes Kinn? wo Menſchenhals? wo — Menſchheit? Das neugebohrne Kind der wildeſten Nation iſt Menſch, hat alle Spuren der Menſch- heit — Man vergleich’ es mit einem friſch geworfenen Ourang-Outang — Man wird im Er- ſten gewiß eher Moͤglichkeit zum Engel, als im zweyten Moͤglichkeit zum Menſchen ſinden. Erſte Tafel. Zwey und dreyßig Affenkoͤpfe. Der menſchlichſte unter allen Affenkoͤpfen unſrer Tafel iſt 6 — Eben ein Ourang-Ou- tang, oder Jocko, der kleine Waldmenſch! und dieſer aͤhnlichſte, wie unaͤhnlich! — Das Thieriſche und Untermenſchliche iſt vornehmlich zu ſuchen — a) Jn der Kuͤrze der Stirn, die bey weitem nicht die ſchoͤne Proportion der menſchlichen Stirn zum Geſichte hat. b) Jn dem Mangel oder der Unſichtbarkeit des Weißen am Augapfel. c) Jn

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/251>, abgerufen am 22.11.2024.