Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Fragment. Von der Allgemeinheit
4. -- Ein äusserst verschobener Mensch, und wie mich dünkt, in der Natur mit diesen
Zügen unmöglich. Die kurzsinnige Verschobenheit in den Augenbraunen, die leere Feinheit des
Auges, die ziemliche Gradheit der Nase, die Untheilnehmung des Mundes, die fatale Selbstig-
keit des ganzen Untertheils, machen ein unerklärliches fatales Ganze.
5. -- Ausgetrocknete kränkelnde hypochondrische Verzerrung. Grillenvolle Ruhe, grü-
belnder Verstand. Jm Kleinen arbeitsam.
6. -- Gut aber schwach, nicht unverständig, der sich gern zur Theilnehmung stimmen
möchte.
7. -- Ein verständiges, grades, ehrliches Gesicht; besonders der äussere Umriß vom Kopf
der Nase bis unters Kinn -- zeigt Verstand. Die zuckende Auf- und Anspannung thut ihm
Schaden.
8. -- Ein in Schwachheit versunkener Kopf von guter Anlage. Einer gewissen Art
von Beobachtung und Theilnehmung noch immer fähiges Gesicht.
9. -- Gefällig, verständig, fest, nachdenkend.
10. -- Empfindlich, aber redlich, dienstfertig, reicher Einbildungskraft, gedrängtes Sin-
nes; in den Augen und der Stirn Mangel an Zurechtlegung der Verhältnisse.
11. -- Zarter, hypochondrischer, furchtsamer, ängstlicher, verständiger, denkender Cha-
rakter; weniger Einbildungskraft als 10 und mehr Verstand als die meisten vorherigen, etwa 5
und 7 ausgenommen.
12. -- Ein offener, empfänglicher, ergiebiger Charakter, wie viel frölicher als der vorher-
gehende, obgleich nicht ohne melancholische Tinktur. Jn der Stirn Verstand und Festigkeit. Viel
sinnliche Würksamkeit. Die Nase und der Untertheil des Gesichts schwächer.
13. -- Trefflich, vorzüglich verständig, lebhafte Einbildungskraft mit Melancholie tingirt.
Leichtigkeit, Feinheit in der obern Hälfte; wäre nur in der untern nicht anmaßliche Eitelkeit.
14. -- Ganz trefflich. Reine, wohlgeordnete Erinnerung. Tiefdenkend! Bemerkt den
Bogen des Scheitels und das Stirneck -- die Augenbraune -- Scharfer, liebevoller, feiner
Blick, Richtigkeit, Güte, Festigkeit. Anlage zur tiefen Hypochondrie.
15. Treff-
I. Fragment. Von der Allgemeinheit
4. — Ein aͤuſſerſt verſchobener Menſch, und wie mich duͤnkt, in der Natur mit dieſen
Zuͤgen unmoͤglich. Die kurzſinnige Verſchobenheit in den Augenbraunen, die leere Feinheit des
Auges, die ziemliche Gradheit der Naſe, die Untheilnehmung des Mundes, die fatale Selbſtig-
keit des ganzen Untertheils, machen ein unerklaͤrliches fatales Ganze.
5. — Ausgetrocknete kraͤnkelnde hypochondriſche Verzerrung. Grillenvolle Ruhe, gruͤ-
belnder Verſtand. Jm Kleinen arbeitſam.
6. — Gut aber ſchwach, nicht unverſtaͤndig, der ſich gern zur Theilnehmung ſtimmen
moͤchte.
7. — Ein verſtaͤndiges, grades, ehrliches Geſicht; beſonders der aͤuſſere Umriß vom Kopf
der Naſe bis unters Kinn — zeigt Verſtand. Die zuckende Auf- und Anſpannung thut ihm
Schaden.
8. — Ein in Schwachheit verſunkener Kopf von guter Anlage. Einer gewiſſen Art
von Beobachtung und Theilnehmung noch immer faͤhiges Geſicht.
9. — Gefaͤllig, verſtaͤndig, feſt, nachdenkend.
10. — Empfindlich, aber redlich, dienſtfertig, reicher Einbildungskraft, gedraͤngtes Sin-
nes; in den Augen und der Stirn Mangel an Zurechtlegung der Verhaͤltniſſe.
11. — Zarter, hypochondriſcher, furchtſamer, aͤngſtlicher, verſtaͤndiger, denkender Cha-
rakter; weniger Einbildungskraft als 10 und mehr Verſtand als die meiſten vorherigen, etwa 5
und 7 ausgenommen.
12. — Ein offener, empfaͤnglicher, ergiebiger Charakter, wie viel froͤlicher als der vorher-
gehende, obgleich nicht ohne melancholiſche Tinktur. Jn der Stirn Verſtand und Feſtigkeit. Viel
ſinnliche Wuͤrkſamkeit. Die Naſe und der Untertheil des Geſichts ſchwaͤcher.
13. — Trefflich, vorzuͤglich verſtaͤndig, lebhafte Einbildungskraft mit Melancholie tingirt.
Leichtigkeit, Feinheit in der obern Haͤlfte; waͤre nur in der untern nicht anmaßliche Eitelkeit.
14. — Ganz trefflich. Reine, wohlgeordnete Erinnerung. Tiefdenkend! Bemerkt den
Bogen des Scheitels und das Stirneck — die Augenbraune — Scharfer, liebevoller, feiner
Blick, Richtigkeit, Guͤte, Feſtigkeit. Anlage zur tiefen Hypochondrie.
15. Treff-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0032" n="14"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Fragment. Von der Allgemeinheit</hi> </fw><lb/>
          <list>
            <item>4. &#x2014; Ein a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t ver&#x017F;chobener Men&#x017F;ch, und wie mich du&#x0364;nkt, in der Natur mit die&#x017F;en<lb/>
Zu&#x0364;gen unmo&#x0364;glich. Die kurz&#x017F;innige Ver&#x017F;chobenheit in den Augenbraunen, die leere Feinheit des<lb/>
Auges, die ziemliche Gradheit der Na&#x017F;e, die Untheilnehmung des Mundes, die fatale Selb&#x017F;tig-<lb/>
keit des ganzen Untertheils, machen ein unerkla&#x0364;rliches fatales Ganze.</item><lb/>
            <item>5. &#x2014; Ausgetrocknete kra&#x0364;nkelnde hypochondri&#x017F;che Verzerrung. Grillenvolle Ruhe, gru&#x0364;-<lb/>
belnder Ver&#x017F;tand. Jm Kleinen arbeit&#x017F;am.</item><lb/>
            <item>6. &#x2014; Gut aber &#x017F;chwach, nicht unver&#x017F;ta&#x0364;ndig, der &#x017F;ich gern zur Theilnehmung &#x017F;timmen<lb/>
mo&#x0364;chte.</item><lb/>
            <item>7. &#x2014; Ein ver&#x017F;ta&#x0364;ndiges, grades, ehrliches Ge&#x017F;icht; be&#x017F;onders der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Umriß vom Kopf<lb/>
der Na&#x017F;e bis unters Kinn &#x2014; zeigt Ver&#x017F;tand. Die zuckende Auf- und An&#x017F;pannung thut ihm<lb/>
Schaden.</item><lb/>
            <item>8. &#x2014; Ein in Schwachheit ver&#x017F;unkener Kopf von guter Anlage. Einer gewi&#x017F;&#x017F;en Art<lb/>
von Beobachtung und Theilnehmung noch immer fa&#x0364;higes Ge&#x017F;icht.</item><lb/>
            <item>9. &#x2014; Gefa&#x0364;llig, ver&#x017F;ta&#x0364;ndig, fe&#x017F;t, nachdenkend.</item><lb/>
            <item>10. &#x2014; Empfindlich, aber redlich, dien&#x017F;tfertig, reicher Einbildungskraft, gedra&#x0364;ngtes Sin-<lb/>
nes; in den Augen und der Stirn Mangel an Zurechtlegung der Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e.</item><lb/>
            <item>11. &#x2014; Zarter, hypochondri&#x017F;cher, furcht&#x017F;amer, a&#x0364;ng&#x017F;tlicher, ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger, denkender Cha-<lb/>
rakter; weniger Einbildungskraft als 10 und mehr Ver&#x017F;tand als die mei&#x017F;ten vorherigen, etwa 5<lb/>
und 7 ausgenommen.</item><lb/>
            <item>12. &#x2014; Ein offener, empfa&#x0364;nglicher, ergiebiger Charakter, wie viel fro&#x0364;licher als der vorher-<lb/>
gehende, obgleich nicht ohne melancholi&#x017F;che Tinktur. Jn der Stirn Ver&#x017F;tand und Fe&#x017F;tigkeit. Viel<lb/>
&#x017F;innliche Wu&#x0364;rk&#x017F;amkeit. Die Na&#x017F;e und der Untertheil des Ge&#x017F;ichts &#x017F;chwa&#x0364;cher.</item><lb/>
            <item>13. &#x2014; Trefflich, vorzu&#x0364;glich ver&#x017F;ta&#x0364;ndig, lebhafte Einbildungskraft mit Melancholie tingirt.<lb/>
Leichtigkeit, Feinheit in der obern Ha&#x0364;lfte; wa&#x0364;re nur in der untern nicht anmaßliche Eitelkeit.</item><lb/>
            <item>14. &#x2014; Ganz trefflich. Reine, wohlgeordnete Erinnerung. Tiefdenkend! Bemerkt den<lb/>
Bogen des Scheitels und das Stirneck &#x2014; die Augenbraune &#x2014; Scharfer, liebevoller, feiner<lb/>
Blick, Richtigkeit, Gu&#x0364;te, Fe&#x017F;tigkeit. Anlage zur tiefen Hypochondrie.</item>
          </list><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">15. Treff-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0032] I. Fragment. Von der Allgemeinheit 4. — Ein aͤuſſerſt verſchobener Menſch, und wie mich duͤnkt, in der Natur mit dieſen Zuͤgen unmoͤglich. Die kurzſinnige Verſchobenheit in den Augenbraunen, die leere Feinheit des Auges, die ziemliche Gradheit der Naſe, die Untheilnehmung des Mundes, die fatale Selbſtig- keit des ganzen Untertheils, machen ein unerklaͤrliches fatales Ganze. 5. — Ausgetrocknete kraͤnkelnde hypochondriſche Verzerrung. Grillenvolle Ruhe, gruͤ- belnder Verſtand. Jm Kleinen arbeitſam. 6. — Gut aber ſchwach, nicht unverſtaͤndig, der ſich gern zur Theilnehmung ſtimmen moͤchte. 7. — Ein verſtaͤndiges, grades, ehrliches Geſicht; beſonders der aͤuſſere Umriß vom Kopf der Naſe bis unters Kinn — zeigt Verſtand. Die zuckende Auf- und Anſpannung thut ihm Schaden. 8. — Ein in Schwachheit verſunkener Kopf von guter Anlage. Einer gewiſſen Art von Beobachtung und Theilnehmung noch immer faͤhiges Geſicht. 9. — Gefaͤllig, verſtaͤndig, feſt, nachdenkend. 10. — Empfindlich, aber redlich, dienſtfertig, reicher Einbildungskraft, gedraͤngtes Sin- nes; in den Augen und der Stirn Mangel an Zurechtlegung der Verhaͤltniſſe. 11. — Zarter, hypochondriſcher, furchtſamer, aͤngſtlicher, verſtaͤndiger, denkender Cha- rakter; weniger Einbildungskraft als 10 und mehr Verſtand als die meiſten vorherigen, etwa 5 und 7 ausgenommen. 12. — Ein offener, empfaͤnglicher, ergiebiger Charakter, wie viel froͤlicher als der vorher- gehende, obgleich nicht ohne melancholiſche Tinktur. Jn der Stirn Verſtand und Feſtigkeit. Viel ſinnliche Wuͤrkſamkeit. Die Naſe und der Untertheil des Geſichts ſchwaͤcher. 13. — Trefflich, vorzuͤglich verſtaͤndig, lebhafte Einbildungskraft mit Melancholie tingirt. Leichtigkeit, Feinheit in der obern Haͤlfte; waͤre nur in der untern nicht anmaßliche Eitelkeit. 14. — Ganz trefflich. Reine, wohlgeordnete Erinnerung. Tiefdenkend! Bemerkt den Bogen des Scheitels und das Stirneck — die Augenbraune — Scharfer, liebevoller, feiner Blick, Richtigkeit, Guͤte, Feſtigkeit. Anlage zur tiefen Hypochondrie. 15. Treff-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/32
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/32>, abgerufen am 21.11.2024.