Jn diesem, obgleich harten, obgleich sehr vergröberten, obgleich -- wie tief unter allem, was wir von Plato's Gesicht ahnden -- dennoch, wie viel unzerstörbare Rudera eines platonischen Geistes! dennoch weidet sich mein Auge an dem Bogen seiner Stirn -- an dem überhängenden, unscharfen Stirnegg! an dem gedankenvollen Zwischenraume zwischen den etwas tiefen denkenden Augen -- und besonders auch an dem sichtbaren, obgleich harten Umrisse seines Mundes, und an der Mannheit und trutzlosen Festigkeit des Ganzen. Freylich ist dieß Gesicht mehr des denkenden als fühlenden Sehers -- freylich hat man Platone, deren Stirn und Nase zehnmal edler, himm- lischer, idealischer sind -- Wir wollen uns Mühe geben, auch noch von solchen getreue Copien zu liefern -- Bey allem dem auffallend Rohen, das dieß Gesicht noch haben mag -- scheint es mir dennoch eines Propheten nicht unwürdig -- -- Man erlanbe uns, den höchsten Kontrast, Aus- wuchs der Menschheit, hier zur Vignette zu setzen.
[Abbildung]
Vierte
XXXVI. Fragment.
Dritte Tafel. Plato.
Jn dieſem, obgleich harten, obgleich ſehr vergroͤberten, obgleich — wie tief unter allem, was wir von Plato’s Geſicht ahnden — dennoch, wie viel unzerſtoͤrbare Rudera eines platoniſchen Geiſtes! dennoch weidet ſich mein Auge an dem Bogen ſeiner Stirn — an dem uͤberhaͤngenden, unſcharfen Stirnegg! an dem gedankenvollen Zwiſchenraume zwiſchen den etwas tiefen denkenden Augen — und beſonders auch an dem ſichtbaren, obgleich harten Umriſſe ſeines Mundes, und an der Mannheit und trutzloſen Feſtigkeit des Ganzen. Freylich iſt dieß Geſicht mehr des denkenden als fuͤhlenden Sehers — freylich hat man Platone, deren Stirn und Naſe zehnmal edler, himm- liſcher, idealiſcher ſind — Wir wollen uns Muͤhe geben, auch noch von ſolchen getreue Copien zu liefern — Bey allem dem auffallend Rohen, das dieß Geſicht noch haben mag — ſcheint es mir dennoch eines Propheten nicht unwuͤrdig — — Man erlanbe uns, den hoͤchſten Kontraſt, Aus- wuchs der Menſchheit, hier zur Vignette zu ſetzen.
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Vierte
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XXXVI. Fragment.
Dritte Tafel. Plato.
Jn dieſem, obgleich harten, obgleich ſehr vergroͤberten, obgleich — wie tief unter allem, was
wir von Plato’s Geſicht ahnden — dennoch, wie viel unzerſtoͤrbare Rudera eines platoniſchen
Geiſtes! dennoch weidet ſich mein Auge an dem Bogen ſeiner Stirn — an dem uͤberhaͤngenden,
unſcharfen Stirnegg! an dem gedankenvollen Zwiſchenraume zwiſchen den etwas tiefen denkenden
Augen — und beſonders auch an dem ſichtbaren, obgleich harten Umriſſe ſeines Mundes, und an
der Mannheit und trutzloſen Feſtigkeit des Ganzen. Freylich iſt dieß Geſicht mehr des denkenden
als fuͤhlenden Sehers — freylich hat man Platone, deren Stirn und Naſe zehnmal edler, himm-
liſcher, idealiſcher ſind — Wir wollen uns Muͤhe geben, auch noch von ſolchen getreue Copien zu
liefern — Bey allem dem auffallend Rohen, das dieß Geſicht noch haben mag — ſcheint es mir
dennoch eines Propheten nicht unwuͤrdig — — Man erlanbe uns, den hoͤchſten Kontraſt, Aus-
wuchs der Menſchheit, hier zur Vignette zu ſetzen.
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/506>, abgerufen am 21.11.2024.
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