Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.IV. Abschnitt. I. Fragment. Nicht zu irgend einem andern Körper, als gerade zu dem, dem sie zugehört -- Der Versuch kann alle Augenblicke gemacht werden -- Man halte tausend Hände gegen Aber Mahler und Bildhauer setzen doch aus allen ihnen vorkommenden und vorschwe- Beweist ihr das Gegentheil von dem, was ihr beweisen wollt. Einmal -- wäre viel von Gewiß bleibt's immer -- und nicht nur gewiß, sondern auch klar -- daß keine Hand, kein mik
IV. Abſchnitt. I. Fragment. Nicht zu irgend einem andern Koͤrper, als gerade zu dem, dem ſie zugehoͤrt — Der Verſuch kann alle Augenblicke gemacht werden — Man halte tauſend Haͤnde gegen Aber Mahler und Bildhauer ſetzen doch aus allen ihnen vorkommenden und vorſchwe- Beweiſt ihr das Gegentheil von dem, was ihr beweiſen wollt. Einmal — waͤre viel von Gewiß bleibt’s immer — und nicht nur gewiß, ſondern auch klar — daß keine Hand, kein mik
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IV. Abſchnitt. I. Fragment.
Nicht zu irgend einem andern Koͤrper, als gerade zu dem, dem ſie zugehoͤrt —
kann irgend eine Hand paſſen.
Der Verſuch kann alle Augenblicke gemacht werden — Man halte tauſend Haͤnde gegen
Eine — unter allen tauſenden nicht Eine wird an die Stelle derſelben zu ſetzen ſeyn.
Aber Mahler und Bildhauer ſetzen doch aus allen ihnen vorkommenden und vorſchwe-
benden Schoͤnheiten — Eine homogene Geſtalt zuſammen — Alſo? —
Beweiſt ihr das Gegentheil von dem, was ihr beweiſen wollt. Einmal — waͤre viel von
dieſer Homogenitaͤt zu reden! wer ſoll davon urtheilen? Jch meyne der Phyſiognomiſt — oder
Niemand — der Phyſiognomiſt, der die Harmonie der verſchiedenen Theile des Koͤrpers oft innig
gefuͤhlt — zergliedert und wieder zuſammen gefuͤhlt hat — und der Phyſiognomiſt? — der ver-
mißt eben unausſprechlich oft dieſe Homogenitaͤt; der bemerkt eben beynahe in allen Werken der
Kunſt dieſe Zuſammenflickung des Heterogenen. „Aber! wo nun dieß Homogene in die Augen
„faͤllt?“ — da iſt keine Zuſammenflickung — da hat der Kuͤnſtler ſein Original — gluͤcklich
idealiſirt? — Nein — ganz ertraͤglich copiert — Ein Original — oder — das Zuſammengele-
ſene war analog — und ließ ſich — zwar auch nicht zuſammenflicken — ſondern zuſammenmaſ-
ſen — anſetzen und verſtreichen — ſo daß es fuͤr homogen paſſiren konnte.
Gewiß bleibt’s immer — und nicht nur gewiß, ſondern auch klar — daß keine Hand, kein
Finger der Natur an irgend einen andern Stumpf von Hand oder Arm — als gleichfortlaufend
ſo, daß es nicht Flickwerk ſey, angepaßt werden kann — Ob die Kunſt, (die doch nichts, gar
nichts als Nachahmerinn der Natur iſt, ſeyn ſoll und ſeyn kann) geſcheuter ſey als die Natur —
laß ich dahin geſtellt ſeyn? Die Kunſt, deren Weſen Beſchneidung, Stuͤmmelung, Flick-
werk iſt; uͤbertuͤncht freylich, und wenn ſie’s aufs Hoͤchſte getrieben, hat ſie unmerkbar uͤber-
tuͤncht — Die Natur wuͤrkt von innen heraus; die Kunſt von außen herein. Die Natur wuͤrkt
auf alle Punkte — die Kunſt auf Einen. Die Natur umfaßt das Ganze zugleich: Die Kunſt
immer nur Oberflaͤche; nur Einen Theil der Oberflaͤche. Wenn alſo Etwas am Menſchen cha-
rakteriſtiſch iſt — oder welches gleich viel iſt, wenn ſich nicht alle Menſchen in Bildung und Cha-
rakter vollkommen aͤhnlich ſind — ſo iſt auch die Hand beſonderer Charakter des beſondern Men-
ſchen, dem ſie angehoͤrt. Sie iſt alſo ſo gut, als irgend etwas, ein Gegenſtand der Phyſiogno-
mik
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