Jch hatte das Vergnügen, den Mann persönlich zu sehen .. und seine wahre Silhouette zu ziehen -- Hier ist sie. --
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Und nun vergleiche man -- Jch will es nicht bergen -- Etwas rohes, hartes, nahe an stolze Verachtung gränzendes hatt' ich aus der obern Silhouette, die man mir für kenntlich an- gab -- vermuthet; diese Vermuthung aber, wie natürlich, zu unterdrücken gesucht. Da ich so oft das schreckliche Mißvergnügen habe, die Menschen schlimmer zu finden, als ich sie vermuthete, so erlaube man mir die Freude, -- die so seltne, so kostbare Freude -- es auch anzuregen, wenn ich ein Gesicht besser gefunden, als das Gemählde, oder die Silhouette log -- --
Wie ganz anders spricht die wahre -- freylich die reine Wahrheit der Natur auch nicht ganz erreichende Silhouette? -- wo ist hier eine Spur von stolzer Verachtung, wie in den Lippen
der
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Reviſion des erſten Bandes.
Jch hatte das Vergnuͤgen, den Mann perſoͤnlich zu ſehen .. und ſeine wahre Silhouette zu ziehen — Hier iſt ſie. —
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Und nun vergleiche man — Jch will es nicht bergen — Etwas rohes, hartes, nahe an ſtolze Verachtung graͤnzendes hatt’ ich aus der obern Silhouette, die man mir fuͤr kenntlich an- gab — vermuthet; dieſe Vermuthung aber, wie natuͤrlich, zu unterdruͤcken geſucht. Da ich ſo oft das ſchreckliche Mißvergnuͤgen habe, die Menſchen ſchlimmer zu finden, als ich ſie vermuthete, ſo erlaube man mir die Freude, — die ſo ſeltne, ſo koſtbare Freude — es auch anzuregen, wenn ich ein Geſicht beſſer gefunden, als das Gemaͤhlde, oder die Silhouette log — —
Wie ganz anders ſpricht die wahre — freylich die reine Wahrheit der Natur auch nicht ganz erreichende Silhouette? — wo iſt hier eine Spur von ſtolzer Verachtung, wie in den Lippen
der
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Reviſion des erſten Bandes.
Jch hatte das Vergnuͤgen, den Mann perſoͤnlich zu ſehen .. und ſeine wahre Silhouette
zu ziehen — Hier iſt ſie. —
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Und nun vergleiche man — Jch will es nicht bergen — Etwas rohes, hartes, nahe an
ſtolze Verachtung graͤnzendes hatt’ ich aus der obern Silhouette, die man mir fuͤr kenntlich an-
gab — vermuthet; dieſe Vermuthung aber, wie natuͤrlich, zu unterdruͤcken geſucht. Da ich ſo oft
das ſchreckliche Mißvergnuͤgen habe, die Menſchen ſchlimmer zu finden, als ich ſie vermuthete, ſo
erlaube man mir die Freude, — die ſo ſeltne, ſo koſtbare Freude — es auch anzuregen, wenn ich
ein Geſicht beſſer gefunden, als das Gemaͤhlde, oder die Silhouette log — —
Wie ganz anders ſpricht die wahre — freylich die reine Wahrheit der Natur auch nicht
ganz erreichende Silhouette? — wo iſt hier eine Spur von ſtolzer Verachtung, wie in den Lippen
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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