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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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IX. Abschnitt. VI. Fragment.
Sechstes Fragment.
Göthe
.
a) Ein männliches Profil mit offenen Haaren. W. G.
Des III. Ban-
des LXIV.
Tafel. W. G.

Steinern nach Stein gearbeitet; aber äußerst charakteristisch für den Physiognomi-
ker. Jmmer Larve eines großen Mannes, der das Creditif seiner Vollmacht auf die
Menschheit zu würken auf seinem Gesichte hat; -- sogar auf der harten Larve seines Gesichtes.
Auch ohne das blitzende Auge; auch ohne die geistlebendige Lippe, auch ohne die blaßgelblichte Far-
be -- auch ohne den Anblick der leichten, bestimmten, und alltreffenden, allanziehenden, und sanft-
wegdrängenden Bewegung -- ohn' alles das ... welche Einfachheit und Großheit in diesem Ge-
sichte! -- Jn der Stirne bis zur Augenbraune heller, richtiger, schneller Verstand -- Sehr zwar
wird der Eindruck dieser Stirne wieder verwischt durch den zu gedehnten und gewölbten Vorbug,
von der Augenbraune an bis an die Wurzel der Nase.

Das Auge hier hat bloß noch im obern Augenliede Spuren des kraftvollen Genius. Der
Augapfel selber ist in aller Betrachtung unerträglich.

Die Nase -- voll Ausdruck von Produktisität -- Geschmack und Liebe -- Das heißt,
von Poesie.

Uebergang von Nase zum Munde -- besonders die Oberlippe gränzt an Erhabenheit --
und abermals kräftiger Ausdruck von Dichtergefühl und Dichterkraft.

Die Unterlippe ist zu rund abgeschliffen, und kontrastirt dadurch sehr mit der viel delikatern
Oberlippe.

Das Kinn trefflich; besonders der Kinnball.. Nur um ein Haar zu kleinlich.

Der mächtige Zug von Aug und Mund herab unwahr; voll Ernst und Stolz.

Jm aufwärts gehenden Kinne vom Halse her -- Adel und Stolz!

Jm Ganzen Festigkeit, und Bewußtseyn seiner eignen unadoptirten -- Capitalkraft.



b. Carri-
IX. Abſchnitt. VI. Fragment.
Sechstes Fragment.
Goͤthe
.
a) Ein maͤnnliches Profil mit offenen Haaren. W. G.
Des III. Ban-
des LXIV.
Tafel. W. G.

Steinern nach Stein gearbeitet; aber aͤußerſt charakteriſtiſch fuͤr den Phyſiognomi-
ker. Jmmer Larve eines großen Mannes, der das Creditif ſeiner Vollmacht auf die
Menſchheit zu wuͤrken auf ſeinem Geſichte hat; — ſogar auf der harten Larve ſeines Geſichtes.
Auch ohne das blitzende Auge; auch ohne die geiſtlebendige Lippe, auch ohne die blaßgelblichte Far-
be — auch ohne den Anblick der leichten, beſtimmten, und alltreffenden, allanziehenden, und ſanft-
wegdraͤngenden Bewegung — ohn’ alles das ... welche Einfachheit und Großheit in dieſem Ge-
ſichte! — Jn der Stirne bis zur Augenbraune heller, richtiger, ſchneller Verſtand — Sehr zwar
wird der Eindruck dieſer Stirne wieder verwiſcht durch den zu gedehnten und gewoͤlbten Vorbug,
von der Augenbraune an bis an die Wurzel der Naſe.

Das Auge hier hat bloß noch im obern Augenliede Spuren des kraftvollen Genius. Der
Augapfel ſelber iſt in aller Betrachtung unertraͤglich.

Die Naſe — voll Ausdruck von Produktiſitaͤt — Geſchmack und Liebe — Das heißt,
von Poeſie.

Uebergang von Naſe zum Munde — beſonders die Oberlippe graͤnzt an Erhabenheit —
und abermals kraͤftiger Ausdruck von Dichtergefuͤhl und Dichterkraft.

Die Unterlippe iſt zu rund abgeſchliffen, und kontraſtirt dadurch ſehr mit der viel delikatern
Oberlippe.

Das Kinn trefflich; beſonders der Kinnball.. Nur um ein Haar zu kleinlich.

Der maͤchtige Zug von Aug und Mund herab unwahr; voll Ernſt und Stolz.

Jm aufwaͤrts gehenden Kinne vom Halſe her — Adel und Stolz!

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[218/0360] IX. Abſchnitt. VI. Fragment. Sechstes Fragment. Goͤthe. a) Ein maͤnnliches Profil mit offenen Haaren. W. G. Steinern nach Stein gearbeitet; aber aͤußerſt charakteriſtiſch fuͤr den Phyſiognomi- ker. Jmmer Larve eines großen Mannes, der das Creditif ſeiner Vollmacht auf die Menſchheit zu wuͤrken auf ſeinem Geſichte hat; — ſogar auf der harten Larve ſeines Geſichtes. Auch ohne das blitzende Auge; auch ohne die geiſtlebendige Lippe, auch ohne die blaßgelblichte Far- be — auch ohne den Anblick der leichten, beſtimmten, und alltreffenden, allanziehenden, und ſanft- wegdraͤngenden Bewegung — ohn’ alles das ... welche Einfachheit und Großheit in dieſem Ge- ſichte! — Jn der Stirne bis zur Augenbraune heller, richtiger, ſchneller Verſtand — Sehr zwar wird der Eindruck dieſer Stirne wieder verwiſcht durch den zu gedehnten und gewoͤlbten Vorbug, von der Augenbraune an bis an die Wurzel der Naſe. Das Auge hier hat bloß noch im obern Augenliede Spuren des kraftvollen Genius. Der Augapfel ſelber iſt in aller Betrachtung unertraͤglich. Die Naſe — voll Ausdruck von Produktiſitaͤt — Geſchmack und Liebe — Das heißt, von Poeſie. Uebergang von Naſe zum Munde — beſonders die Oberlippe graͤnzt an Erhabenheit — und abermals kraͤftiger Ausdruck von Dichtergefuͤhl und Dichterkraft. Die Unterlippe iſt zu rund abgeſchliffen, und kontraſtirt dadurch ſehr mit der viel delikatern Oberlippe. Das Kinn trefflich; beſonders der Kinnball.. Nur um ein Haar zu kleinlich. Der maͤchtige Zug von Aug und Mund herab unwahr; voll Ernſt und Stolz. Jm aufwaͤrts gehenden Kinne vom Halſe her — Adel und Stolz! Jm Ganzen Feſtigkeit, und Bewußtſeyn ſeiner eignen unadoptirten — Capitalkraft. b. Carri-

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/360>, abgerufen am 22.11.2024.