Es ist kein Mensch, so wenig Physiognomist er immer sey, so wenig er immer ähnliche Menschen gesehen habe, dem sein allgemeines Sensorium der Menschheit zulasse, bey einem Men- schen, wie die beyden nachstehenden sind, Rath zu suchen -- so wenig als er sich ihre Freundschaft im Ernste ausbitten wird.
[Abbildung]
Auf den ersten Blick werden hierüber die Empfindungen gleichförmig seyn -- Es wird kei- ner Untersuchung bedürfen. Der Beobachter wird freylich nachher finden, daß diese Perpendiku- larität, diese Stirnform, diese fleischige Stumpfheit allgemeine Züge der Dummheit sind. Er wird sie zergliedern, taxieren, vergleichen, aber vor der Zergliederung, Taxierung, Vergleichung, wird er das fühlen. Er wird nachher den Grad der Dummheit, Schalkheit, Unempfänglichkeit, durch ruhige Zergliederung und Vergleichung herausbringen, die Jngredienzien decomponiren; aber die Hauptsumme, oder vielmehr eine große Summe wird er vor diesem allen ahnden.
V.
Bisher haben wir von dem allgemeinen physiognomischen Menschensinne geredet. Wie aber? giebt es nicht auch einen besondern Sinn in Absicht auf das, was an andern Menschen für uns besondersharmonisch oder disharmonisch ist? -- Jch glaube Ja! wohl verstan-
den,
II. Abſchnitt. III. Fragment.
Es iſt kein Menſch, ſo wenig Phyſiognomiſt er immer ſey, ſo wenig er immer aͤhnliche Menſchen geſehen habe, dem ſein allgemeines Senſorium der Menſchheit zulaſſe, bey einem Men- ſchen, wie die beyden nachſtehenden ſind, Rath zu ſuchen — ſo wenig als er ſich ihre Freundſchaft im Ernſte ausbitten wird.
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Auf den erſten Blick werden hieruͤber die Empfindungen gleichfoͤrmig ſeyn — Es wird kei- ner Unterſuchung beduͤrfen. Der Beobachter wird freylich nachher finden, daß dieſe Perpendiku- laritaͤt, dieſe Stirnform, dieſe fleiſchige Stumpfheit allgemeine Zuͤge der Dummheit ſind. Er wird ſie zergliedern, taxieren, vergleichen, aber vor der Zergliederung, Taxierung, Vergleichung, wird er das fuͤhlen. Er wird nachher den Grad der Dummheit, Schalkheit, Unempfaͤnglichkeit, durch ruhige Zergliederung und Vergleichung herausbringen, die Jngredienzien decomponiren; aber die Hauptſumme, oder vielmehr eine große Summe wird er vor dieſem allen ahnden.
V.
Bisher haben wir von dem allgemeinen phyſiognomiſchen Menſchenſinne geredet. Wie aber? giebt es nicht auch einen beſondern Sinn in Abſicht auf das, was an andern Menſchen fuͤr uns beſondersharmoniſch oder disharmoniſch iſt? — Jch glaube Ja! wohl verſtan-
den,
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II. Abſchnitt. III. Fragment.
Es iſt kein Menſch, ſo wenig Phyſiognomiſt er immer ſey, ſo wenig er immer aͤhnliche
Menſchen geſehen habe, dem ſein allgemeines Senſorium der Menſchheit zulaſſe, bey einem Men-
ſchen, wie die beyden nachſtehenden ſind, Rath zu ſuchen — ſo wenig als er ſich ihre Freundſchaft
im Ernſte ausbitten wird.
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Auf den erſten Blick werden hieruͤber die Empfindungen gleichfoͤrmig ſeyn — Es wird kei-
ner Unterſuchung beduͤrfen. Der Beobachter wird freylich nachher finden, daß dieſe Perpendiku-
laritaͤt, dieſe Stirnform, dieſe fleiſchige Stumpfheit allgemeine Zuͤge der Dummheit ſind. Er wird
ſie zergliedern, taxieren, vergleichen, aber vor der Zergliederung, Taxierung, Vergleichung, wird
er das fuͤhlen. Er wird nachher den Grad der Dummheit, Schalkheit, Unempfaͤnglichkeit, durch
ruhige Zergliederung und Vergleichung herausbringen, die Jngredienzien decomponiren; aber die
Hauptſumme, oder vielmehr eine große Summe wird er vor dieſem allen ahnden.
V.
Bisher haben wir von dem allgemeinen phyſiognomiſchen Menſchenſinne geredet. Wie aber?
giebt es nicht auch einen beſondern Sinn in Abſicht auf das, was an andern Menſchen
fuͤr uns beſonders harmoniſch oder disharmoniſch iſt? — Jch glaube Ja! wohl verſtan-
den,
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/158>, abgerufen am 21.11.2024.
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