Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abschnitt. V. Fragment.

Von Vanderwerf -- Züge und Gesichter voll der reinsten, edelsten Bescheidenheit, und
des göttlichsten Leidens.

Von Läreße, noch mehr von Poußin, am meisten von Raphael -- Einfachheit, großen
Sinn, stille Größe, unerreichbare Erhabenheit. Raphael ist nicht genug zu studieren; ob er gleich
nur das Gefühl für die seltensten Bildungen und die erhabensten Gesichtszüge übt.

Von Hogarth ach! wie wenig Züge des Adels! wie wenig wahrhaft schönen Ausdruck
von dem -- bald hätte ich gesagt -- falschen Propheten der Schönheit. Aber welch einen un-
ermeßlichen Reichthum von Zügen der niedrigsten Niedrigkeit, der ekelhaftesten Pöbelhaftigkeit, der
lächerlichsten Lächerlichkeit, und der unmenschlichsten Laster.

Von Gerard Douw pöbelhafte Charakter, Betrügergesichter -- Züge von Aufmerksam-
keit. Es ist ein Marktschreyer von ihm zu Düßeldorf, aus dessen und seiner Zuhörer Gesichtern
sich viel physiognomische Linien abstrahiren ließen.

Von Wilkenboon -- die bestimmtesten Ausdrücke des Spottes.

Von Spranger alle Arten gewaltsamer Leidenschaften.

Von Callot alle Arten von Bettler-Schelmen- und Scharfrichter-Physiognomien. Das
Niedrigste von dieser Art auch von A. Bath.

Von H. Golz und Albrecht Dürer -- alle Arten komischer, niedriger, gemeiner, bür-
gerlicher, knechtischer, bäurischer Gesichter und Gesichtszüge.

Jn M. Vos und in Lukas von Leyden und Sebastian Brand alles das, und noch
mehr! viele Züge und Gesichter voll edler Kraft und wahrhaft apostolischer Größe.

Von Rembrand -- alle Leidenschaften der geschmacklosesten Pöbeley.

Von
II. Abſchnitt. V. Fragment.

Von Vanderwerf — Zuͤge und Geſichter voll der reinſten, edelſten Beſcheidenheit, und
des goͤttlichſten Leidens.

Von Laͤreße, noch mehr von Poußin, am meiſten von Raphael — Einfachheit, großen
Sinn, ſtille Groͤße, unerreichbare Erhabenheit. Raphael iſt nicht genug zu ſtudieren; ob er gleich
nur das Gefuͤhl fuͤr die ſeltenſten Bildungen und die erhabenſten Geſichtszuͤge uͤbt.

Von Hogarth ach! wie wenig Zuͤge des Adels! wie wenig wahrhaft ſchoͤnen Ausdruck
von dem — bald haͤtte ich geſagt — falſchen Propheten der Schoͤnheit. Aber welch einen un-
ermeßlichen Reichthum von Zuͤgen der niedrigſten Niedrigkeit, der ekelhafteſten Poͤbelhaftigkeit, der
laͤcherlichſten Laͤcherlichkeit, und der unmenſchlichſten Laſter.

Von Gerard Douw poͤbelhafte Charakter, Betruͤgergeſichter — Zuͤge von Aufmerkſam-
keit. Es iſt ein Marktſchreyer von ihm zu Duͤßeldorf, aus deſſen und ſeiner Zuhoͤrer Geſichtern
ſich viel phyſiognomiſche Linien abſtrahiren ließen.

Von Wilkenboon — die beſtimmteſten Ausdruͤcke des Spottes.

Von Spranger alle Arten gewaltſamer Leidenſchaften.

Von Callot alle Arten von Bettler-Schelmen- und Scharfrichter-Phyſiognomien. Das
Niedrigſte von dieſer Art auch von A. Bath.

Von H. Golz und Albrecht Duͤrer — alle Arten komiſcher, niedriger, gemeiner, buͤr-
gerlicher, knechtiſcher, baͤuriſcher Geſichter und Geſichtszuͤge.

Jn M. Vos und in Lukas von Leyden und Sebaſtian Brand alles das, und noch
mehr! viele Zuͤge und Geſichter voll edler Kraft und wahrhaft apoſtoliſcher Groͤße.

Von Rembrand — alle Leidenſchaften der geſchmackloſeſten Poͤbeley.

Von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0190" n="160"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;chnitt. <hi rendition="#aq">V.</hi> Fragment.</hi> </fw><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">Vanderwerf</hi> &#x2014; Zu&#x0364;ge und Ge&#x017F;ichter voll der rein&#x017F;ten, edel&#x017F;ten Be&#x017F;cheidenheit, und<lb/>
des go&#x0364;ttlich&#x017F;ten Leidens.</p><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">La&#x0364;reße,</hi> noch mehr von <hi rendition="#fr">Poußin,</hi> am mei&#x017F;ten von <hi rendition="#fr">Raphael</hi> &#x2014; Einfachheit, großen<lb/>
Sinn, &#x017F;tille Gro&#x0364;ße, unerreichbare Erhabenheit. <hi rendition="#fr">Raphael</hi> i&#x017F;t nicht genug zu &#x017F;tudieren; ob er gleich<lb/>
nur das Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r die &#x017F;elten&#x017F;ten Bildungen und die erhaben&#x017F;ten Ge&#x017F;ichtszu&#x0364;ge u&#x0364;bt.</p><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">Hogarth</hi> ach! wie wenig Zu&#x0364;ge des Adels! wie wenig wahrhaft &#x017F;cho&#x0364;nen Ausdruck<lb/>
von dem &#x2014; bald ha&#x0364;tte ich ge&#x017F;agt &#x2014; <hi rendition="#fr">fal&#x017F;chen Propheten der Scho&#x0364;nheit.</hi> Aber welch einen un-<lb/>
ermeßlichen Reichthum von Zu&#x0364;gen der niedrig&#x017F;ten Niedrigkeit, der ekelhafte&#x017F;ten Po&#x0364;belhaftigkeit, der<lb/>
la&#x0364;cherlich&#x017F;ten La&#x0364;cherlichkeit, und der unmen&#x017F;chlich&#x017F;ten La&#x017F;ter.</p><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">Gerard Douw</hi> po&#x0364;belhafte Charakter, Betru&#x0364;gerge&#x017F;ichter &#x2014; Zu&#x0364;ge von Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
keit. Es i&#x017F;t ein <hi rendition="#fr">Markt&#x017F;chreyer</hi> von ihm zu <hi rendition="#fr">Du&#x0364;ßeldorf,</hi> aus de&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;einer Zuho&#x0364;rer Ge&#x017F;ichtern<lb/>
&#x017F;ich viel phy&#x017F;iognomi&#x017F;che Linien ab&#x017F;trahiren ließen.</p><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">Wilkenboon</hi> &#x2014; die be&#x017F;timmte&#x017F;ten Ausdru&#x0364;cke des <hi rendition="#fr">Spottes.</hi></p><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">Spranger</hi> alle Arten gewalt&#x017F;amer Leiden&#x017F;chaften.</p><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">Callot</hi> alle Arten von Bettler-Schelmen- und Scharfrichter-Phy&#x017F;iognomien. Das<lb/>
Niedrig&#x017F;te von die&#x017F;er Art auch von <hi rendition="#aq">A.</hi> <hi rendition="#fr">Bath.</hi></p><lb/>
            <p>Von H. <hi rendition="#fr">Golz</hi> und <hi rendition="#fr">Albrecht Du&#x0364;rer</hi> &#x2014; alle Arten komi&#x017F;cher, niedriger, gemeiner, bu&#x0364;r-<lb/>
gerlicher, knechti&#x017F;cher, ba&#x0364;uri&#x017F;cher Ge&#x017F;ichter und Ge&#x017F;ichtszu&#x0364;ge.</p><lb/>
            <p>Jn M. <hi rendition="#fr">Vos</hi> und in <hi rendition="#fr">Lukas von Leyden</hi> und <hi rendition="#fr">Seba&#x017F;tian Brand</hi> alles das, und noch<lb/>
mehr! viele Zu&#x0364;ge und Ge&#x017F;ichter voll edler Kraft und wahrhaft apo&#x017F;toli&#x017F;cher Gro&#x0364;ße.</p><lb/>
            <p>Von <hi rendition="#fr">Rembrand</hi> &#x2014; alle Leiden&#x017F;chaften der ge&#x017F;chmacklo&#x017F;e&#x017F;ten Po&#x0364;beley.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0190] II. Abſchnitt. V. Fragment. Von Vanderwerf — Zuͤge und Geſichter voll der reinſten, edelſten Beſcheidenheit, und des goͤttlichſten Leidens. Von Laͤreße, noch mehr von Poußin, am meiſten von Raphael — Einfachheit, großen Sinn, ſtille Groͤße, unerreichbare Erhabenheit. Raphael iſt nicht genug zu ſtudieren; ob er gleich nur das Gefuͤhl fuͤr die ſeltenſten Bildungen und die erhabenſten Geſichtszuͤge uͤbt. Von Hogarth ach! wie wenig Zuͤge des Adels! wie wenig wahrhaft ſchoͤnen Ausdruck von dem — bald haͤtte ich geſagt — falſchen Propheten der Schoͤnheit. Aber welch einen un- ermeßlichen Reichthum von Zuͤgen der niedrigſten Niedrigkeit, der ekelhafteſten Poͤbelhaftigkeit, der laͤcherlichſten Laͤcherlichkeit, und der unmenſchlichſten Laſter. Von Gerard Douw poͤbelhafte Charakter, Betruͤgergeſichter — Zuͤge von Aufmerkſam- keit. Es iſt ein Marktſchreyer von ihm zu Duͤßeldorf, aus deſſen und ſeiner Zuhoͤrer Geſichtern ſich viel phyſiognomiſche Linien abſtrahiren ließen. Von Wilkenboon — die beſtimmteſten Ausdruͤcke des Spottes. Von Spranger alle Arten gewaltſamer Leidenſchaften. Von Callot alle Arten von Bettler-Schelmen- und Scharfrichter-Phyſiognomien. Das Niedrigſte von dieſer Art auch von A. Bath. Von H. Golz und Albrecht Duͤrer — alle Arten komiſcher, niedriger, gemeiner, buͤr- gerlicher, knechtiſcher, baͤuriſcher Geſichter und Geſichtszuͤge. Jn M. Vos und in Lukas von Leyden und Sebaſtian Brand alles das, und noch mehr! viele Zuͤge und Geſichter voll edler Kraft und wahrhaft apoſtoliſcher Groͤße. Von Rembrand — alle Leidenſchaften der geſchmackloſeſten Poͤbeley. Von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/190
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/190>, abgerufen am 24.11.2024.