Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.Stellen aus einem Manuscripte von Th. Häufiger Umgang und enge Verbindung bildet die Menschen so sehr einander ähnlich, daß sich nicht Jeder Mensch hat seine eigene Lieblingsbewegung, die seinen ganzen Charakter auf einmal aufs deut- Gleiches würde eine Folge von abgeschilderten Bewegungen leisten, der das Jndividuum eines Men- Wie jene Sammlung von idealisirten Jndividuen eine ausgedehnte Menschenkenntniß, das ist, eine Welche Schule für Jünglinge, neben einander zu sehen Christum als lehrend, als fragend: wen sucht Den Cäsar scherzend mit den Seeräubern, die ihn fiengen, weinend über den Anblick von Pompejens Auf der andern Seite den Belsazar, schmausend mit seinen Großen, blaß über den schreibenden Wand- Jenen Tyrannen, wütend über das Leben seiner Bürger, dann umringt von gerichteten Elenden, noch Da mit der Empfindung der Ton im Verhältnisse steht, sollte dann nicht jeder Mensch einen Grundton Diese Töne müßte ein Tonkünstler feines Ohres sammeln, klassifiziren und dann bezeichnen können, Veränderun-
Stellen aus einem Manuſcripte von Th. Haͤufiger Umgang und enge Verbindung bildet die Menſchen ſo ſehr einander aͤhnlich, daß ſich nicht Jeder Menſch hat ſeine eigene Lieblingsbewegung, die ſeinen ganzen Charakter auf einmal aufs deut- Gleiches wuͤrde eine Folge von abgeſchilderten Bewegungen leiſten, der das Jndividuum eines Men- Wie jene Sammlung von idealiſirten Jndividuen eine ausgedehnte Menſchenkenntniß, das iſt, eine Welche Schule fuͤr Juͤnglinge, neben einander zu ſehen Chriſtum als lehrend, als fragend: wen ſucht Den Caͤſar ſcherzend mit den Seeraͤubern, die ihn fiengen, weinend uͤber den Anblick von Pompejens Auf der andern Seite den Belſazar, ſchmauſend mit ſeinen Großen, blaß uͤber den ſchreibenden Wand- Jenen Tyrannen, wuͤtend uͤber das Leben ſeiner Buͤrger, dann umringt von gerichteten Elenden, noch Da mit der Empfindung der Ton im Verhaͤltniſſe ſteht, ſollte dann nicht jeder Menſch einen Grundton Dieſe Toͤne muͤßte ein Tonkuͤnſtler feines Ohres ſammeln, klaſſifiziren und dann bezeichnen koͤnnen, Veraͤnderun-
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Stellen aus einem Manuſcripte von Th.
Haͤufiger Umgang und enge Verbindung bildet die Menſchen ſo ſehr einander aͤhnlich, daß ſich nicht
nur die Gemuͤther an einander abſchleifen, ſondern auch ihre Stimmen und Geſichter etwas aͤhnliches bekommen.
Beyſpiele ſind mir genug bekannt worden.
Jeder Menſch hat ſeine eigene Lieblingsbewegung, die ſeinen ganzen Charakter auf einmal aufs deut-
lichſte darſtellen wuͤrde, wollte oder koͤnnte man ihn darinn uͤberraſchen und lange genug ſo vor Augen haben, ihn
darinn zu mahlen. Eine maͤßige Sammlung ſolcher Portraͤte waͤre die Schule, d. i. Vorbereitung der Phy-
ſiognomik, und wuͤrde Lavaters Fragmente zehnmal gemeinnuͤtziger machen.
Gleiches wuͤrde eine Folge von abgeſchilderten Bewegungen leiſten, der das Jndividuum eines Men-
ſchen faͤhig iſt. Die Zahl derſelben iſt bey lebhaften Menſchen ſehr groß und voruͤbergehend, bey kuͤhlen, gebil-
deten weit weniger und ernſthafter.
Wie jene Sammlung von idealiſirten Jndividuen eine ausgedehnte Menſchenkenntniß, das iſt, eine
uͤber viele Gemuͤthsarten verbreitete Wiſſenſchaft geben wuͤrde, ſo muͤßte die Sammlung der Geſichtsveraͤnde-
rungen eines einzelnen eine Geſchichte des menſchlichen Herzens liefern, und zwar ſowohl was fuͤr ein trotziges und
verzagtes Ding das Herz des Ungebildeten ſey, als wie weit es ſich durch Vernunft und Erfahrung umbilden
koͤnne.
Welche Schule fuͤr Juͤnglinge, neben einander zu ſehen Chriſtum als lehrend, als fragend: wen ſucht
ihr? als ſich kruͤmmend im Garten, als weinend uͤber Jeruſalem, als verſcheidend! immer derſelbe Gott-
menſch, und bey der großen Verſchiedenheit der Lagen die naͤmlichen Hauptzuͤge von Wunder, Vernunft,
Sanftmuth.
Den Caͤſar ſcherzend mit den Seeraͤubern, die ihn fiengen, weinend uͤber den Anblick von Pompejens
Kopf, hinſinkend mit beſchaͤmendem, wehmuͤthigem Blicke gegen den Brutus: Et tu, Brute?
Auf der andern Seite den Belſazar, ſchmauſend mit ſeinen Großen, blaß uͤber den ſchreibenden Wand-
finger.
Jenen Tyrannen, wuͤtend uͤber das Leben ſeiner Buͤrger, dann umringt von gerichteten Elenden, noch
unter Schwertern flehend Erbarmung: Jch will euch allen vergeben.
Da mit der Empfindung der Ton im Verhaͤltniſſe ſteht, ſollte dann nicht jeder Menſch einen Grundton
haben, in dem alle, deren er faͤhig iſt, zuſammenlaufen; und waͤre dieß nicht derjenige, den er bey ruhiger
Lage, bey gleichguͤltigen Unterredungen annimmt? Denn ſein ruhiges Geſicht enhaͤlt ja die Anlage zu allen Zuͤ-
gen, die er annehmen kann.
Dieſe Toͤne muͤßte ein Tonkuͤnſtler feines Ohres ſammeln, klaſſifiziren und dann bezeichnen koͤnnen,
und am Ende muͤßte man jedem gegebenen Geſichte ſeinen Natuxton beylegen koͤnnen; doch mit Vorbehalt der
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