Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.Anmerkungen zu einer physiognomischen Abhandlung. Laßt uns Erfahrungen den Deklamationen und Thatsachen den Witzeleyen entgegensetzen. Wohl verstanden -- wir sprechen nicht davon -- "was Gott thun könne?" -- sondern Das ist die Frage -- Und nun, Freund der Wahrheit! -- wollen Sie hierauf mit Ja antworten -- -- Sie, Dann wär' ich ein "elender Richter von Gottes Werken!" -- wenn ich behauptete -- Und nun, nach dieser Festsetzung des Streitspunkts -- erlauben Sie mir, daß ich Sie aus "per Phys. Fragm. IV Versuch. B
Anmerkungen zu einer phyſiognomiſchen Abhandlung. Laßt uns Erfahrungen den Deklamationen und Thatſachen den Witzeleyen entgegenſetzen. Wohl verſtanden — wir ſprechen nicht davon — „was Gott thun koͤnne?“ — ſondern Das iſt die Frage — Und nun, Freund der Wahrheit! — wollen Sie hierauf mit Ja antworten — — Sie, Dann waͤr’ ich ein „elender Richter von Gottes Werken!“ — wenn ich behauptete — Und nun, nach dieſer Feſtſetzung des Streitspunkts — erlauben Sie mir, daß ich Sie aus „per Phyſ. Fragm. IV Verſuch. B
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Anmerkungen zu einer phyſiognomiſchen Abhandlung.
Laßt uns Erfahrungen den Deklamationen und Thatſachen den Witzeleyen entgegenſetzen.
Vorher nur noch ein Wort vorlaͤufiger Wegraͤumung einer Zweydeutigkeit im Streitpunkte —
die ich mir von dem mathematiſchen Kopfe nicht vermuthet hatte — „und warum nicht? fragt
„der Verfaſſer? warum ſollte Neutons Seele nicht in dem Kopf eines Negers ſitzen koͤnnen?
„Eine Engelsſeele in einem ſcheußlichen Koͤrper? Biſt du, Elender, denn Richter von Gottes
„Werken?“ —
Wohl verſtanden — wir ſprechen nicht davon — „was Gott thun koͤnne?“ — ſondern
wir fragen: „was iſt, nach der Kenntniß, die wir von ihm haben, von ihm zu erwarten?“ Wir
fragen — „der Urheber aller Ordnung, was thut er?“ Nicht fragen wir — „kann er Neutons
„Seele nicht in eines Negers Leib verſetzen? Eine Engelsſeele in einen ſcheußlichen Koͤrper?“ —
Sondern die phyſiognomiſche Frage waͤre — „kann in einem ſcheußlichen Koͤrper eine Engels-
„ſeele ſo wirken, wie in einem engliſchen?“ — Die Frage iſt — „haͤtte Neuton in einem ſo und
„ſo beſtimmten Kopfe des Negers ſeine Lichttheorie erfunden?“ —
Das iſt die Frage —
Und nun, Freund der Wahrheit! — wollen Sie hierauf mit Ja antworten — — Sie,
die ſo eben von der Welt geſprochen haben — „in welcher ſich alles durch Urſach und Wirkung ver-
„wandt iſt, und wo nichts durch Wunderwerke geſchieht.“ —
Dann waͤr’ ich ein „elender Richter von Gottes Werken!“ — wenn ich behauptete —
„es iſt durch kein Wunder moͤglich“ — aber von Wundern iſt ja hier gar nicht die Rede — ſon-
dern von natuͤrlicher Urſach und Wirkung.
Und nun, nach dieſer Feſtſetzung des Streitspunkts — erlauben Sie mir, daß ich Sie aus
Jhrem eignen Munde richte ... „Judas war wohl ſchwerlich (Seite 22.) der ſchmierige, haͤßli-
„che Betteljude, den Holbein aus ihm macht; ſo ſieht kein Kriecher aus, der ſich zu frommen Ver-
„ſammlungen haͤlt, mit einem Kuß verraͤth, und ſich hernach erhenkt. Nach meiner Erfahrung
„muͤßte ſich Judas durch ein immer fertiges Laͤcheln und froͤmmelnden Blick unterſchieden ha-
„ben.“ — So wahr, ſo fein — aber wenn ich nun antwortete — „Biſt du, Elender, denn
„Richter von Gottes Werken?“ — Jhnen dieß feine richtige Urtheil damit zuruͤckgaͤbe — Sage
„mir erſt (Seite 11.) warum der Tugendhafte ſo oft ſein ganzes Leben in einem ſiechen Koͤr-
„per
Phyſ. Fragm. IV Verſuch. B
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