Hier noch zween Umrisse von schwedischen Gesichtern sehr ungleichen Charakters, aber beyde haben redliche, freyfrohe Dienstfertigkeit mit einander gemein; beyde natürliche Offenherzigkeit und Bescheidenheit -- oder vielmehr Stolzlosigkeit; beyde jene Aufrichtigkeit, die allen frohmüthigen Charaktern eigen ist; der Leser mag entscheiden, welches Aufrichtigkeit oft in Etourderie übergehen muß -- Die Nase von d habe ich noch nie an einem englischen, italiänischen, französischen, oder hol- ländischen Gesichte gesehen. Sie scheint sich nur an Deutschen und Schweden finden zu können.
e) Auch in nachstehendem äußerst unvollkommenem Umrisse finde ich wieder die oben bemerk- te vortheilhafte Gesichtsform; die sanfte, stillordnende, theilnehmende Weisheit; nichts hartes, nichts verweichlichtes; edle Bescheidenheit -- und obgleich das Nasenloch zu kurz und die Oberlippe nicht ausgezeichnet, nicht wahr, nicht so edel ist, wie in dem vor mir liegenden Originale, immer bleibt noch Ausdruck genug übrig von Adel und leidenschaftloser Wahrheitsliebe.
f) Den
V. Abſchnitt. IV. Fragment.
[Abbildung]
Hier noch zween Umriſſe von ſchwediſchen Geſichtern ſehr ungleichen Charakters, aber beyde haben redliche, freyfrohe Dienſtfertigkeit mit einander gemein; beyde natuͤrliche Offenherzigkeit und Beſcheidenheit — oder vielmehr Stolzloſigkeit; beyde jene Aufrichtigkeit, die allen frohmuͤthigen Charaktern eigen iſt; der Leſer mag entſcheiden, welches Aufrichtigkeit oft in Etourderie uͤbergehen muß — Die Naſe von d habe ich noch nie an einem engliſchen, italiaͤniſchen, franzoͤſiſchen, oder hol- laͤndiſchen Geſichte geſehen. Sie ſcheint ſich nur an Deutſchen und Schweden finden zu koͤnnen.
e) Auch in nachſtehendem aͤußerſt unvollkommenem Umriſſe finde ich wieder die oben bemerk- te vortheilhafte Geſichtsform; die ſanfte, ſtillordnende, theilnehmende Weisheit; nichts hartes, nichts verweichlichtes; edle Beſcheidenheit — und obgleich das Naſenloch zu kurz und die Oberlippe nicht ausgezeichnet, nicht wahr, nicht ſo edel iſt, wie in dem vor mir liegenden Originale, immer bleibt noch Ausdruck genug uͤbrig von Adel und leidenſchaftloſer Wahrheitsliebe.
f) Den
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V. Abſchnitt. IV. Fragment.
[Abbildung]
Hier noch zween Umriſſe von ſchwediſchen Geſichtern ſehr ungleichen Charakters, aber beyde
haben redliche, freyfrohe Dienſtfertigkeit mit einander gemein; beyde natuͤrliche Offenherzigkeit und
Beſcheidenheit — oder vielmehr Stolzloſigkeit; beyde jene Aufrichtigkeit, die allen frohmuͤthigen
Charaktern eigen iſt; der Leſer mag entſcheiden, welches Aufrichtigkeit oft in Etourderie uͤbergehen
muß — Die Naſe von d habe ich noch nie an einem engliſchen, italiaͤniſchen, franzoͤſiſchen, oder hol-
laͤndiſchen Geſichte geſehen. Sie ſcheint ſich nur an Deutſchen und Schweden finden zu koͤnnen.
e) Auch in nachſtehendem aͤußerſt unvollkommenem Umriſſe finde ich wieder die oben bemerk-
te vortheilhafte Geſichtsform; die ſanfte, ſtillordnende, theilnehmende Weisheit; nichts hartes, nichts
verweichlichtes; edle Beſcheidenheit — und obgleich das Naſenloch zu kurz und die Oberlippe nicht
ausgezeichnet, nicht wahr, nicht ſo edel iſt, wie in dem vor mir liegenden Originale, immer bleibt
noch Ausdruck genug uͤbrig von Adel und leidenſchaftloſer Wahrheitsliebe.
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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