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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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VII. Abschnitt. III. Fragment.
Stirne mehr Wissen und Gedächtniß; das Wort, das aus seinem Munde kommen wird, wird tref-
fen und einschneiden. Von der Nasenspitze zum Munde -- unbeschreiblich viel männliche Vernunft.
Das Wesentliche des Unterschieds dieser beyden Charakter ist im Umrisse der Stirn, besonders un-
ter der Augenbraune bis zur Nase zu suchen.

Beylage E. Hirzel.

Viel Kraft und Gewalt, viel frohmüthige lebendige Betriebsamkeit, viel schnell ergiebige und po-
pulare Beredsamkeit spricht aus folgendem Gesichte. Die Stirn bis zur Augenbraune ist ziemlich
richtig, dann ein wenig zu stumpf! Sehr sprechend übrigens durch Umriß, Lage und Höhe für phi-
losophisch praktischen Verstand, der Licht will, und sich des Lichtes herzlich freut. Das Auge ist et-
was zu kleinlich, doch voll heraushorchender heiterer Theilnehmung. Der Umriß von der Nase zum
Kinne herausgehoben ist, öftern Beobachtungen zufolge, Buchstabe geschäfftigen kalten und heißen
Verstandes. Das Kalte liegt in der Oberlippe. Das Heiße im Nasenknopfe und im vorstehenden
Kinne. Man ärgere sich nicht an dem Ausdrucke kalt und heiß. Kalter Verstand ist ein so bekann-
ter Ausdruck, als Kaltblütigkeit -- und wenn man sagen kann: kalter Verstand, so kann man auch
sagen heißer -- oder richtige Urtheilskraft, die schnelle Bewegungen der Gehirnfibern verursacht,
und die Stirne glühend macht, wenn sie sich in Gegenwart widersprechender Dummköpfe und
Schwachköpfe fühlt. Jch sage weiter kein Wort, denn ich schreibe keine Lobreden, will immer we-
niger solche schreiben, und man wird sehen, daß ich fast durchaus in diesem Bande nur kalter Beob-
achter und Darleger von Beobachtungen bin, und mich auch des verdientesten Lobes enthalte, um
keine Bescheidenheit zu beleidigen, und dem Neide keine bittere oder frohe Stunde zu machen.

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Beylage

VII. Abſchnitt. III. Fragment.
Stirne mehr Wiſſen und Gedaͤchtniß; das Wort, das aus ſeinem Munde kommen wird, wird tref-
fen und einſchneiden. Von der Naſenſpitze zum Munde — unbeſchreiblich viel maͤnnliche Vernunft.
Das Weſentliche des Unterſchieds dieſer beyden Charakter iſt im Umriſſe der Stirn, beſonders un-
ter der Augenbraune bis zur Naſe zu ſuchen.

Beylage E. Hirzel.

Viel Kraft und Gewalt, viel frohmuͤthige lebendige Betriebſamkeit, viel ſchnell ergiebige und po-
pulare Beredſamkeit ſpricht aus folgendem Geſichte. Die Stirn bis zur Augenbraune iſt ziemlich
richtig, dann ein wenig zu ſtumpf! Sehr ſprechend uͤbrigens durch Umriß, Lage und Hoͤhe fuͤr phi-
loſophiſch praktiſchen Verſtand, der Licht will, und ſich des Lichtes herzlich freut. Das Auge iſt et-
was zu kleinlich, doch voll heraushorchender heiterer Theilnehmung. Der Umriß von der Naſe zum
Kinne herausgehoben iſt, oͤftern Beobachtungen zufolge, Buchſtabe geſchaͤfftigen kalten und heißen
Verſtandes. Das Kalte liegt in der Oberlippe. Das Heiße im Naſenknopfe und im vorſtehenden
Kinne. Man aͤrgere ſich nicht an dem Ausdrucke kalt und heiß. Kalter Verſtand iſt ein ſo bekann-
ter Ausdruck, als Kaltbluͤtigkeit — und wenn man ſagen kann: kalter Verſtand, ſo kann man auch
ſagen heißer — oder richtige Urtheilskraft, die ſchnelle Bewegungen der Gehirnfibern verurſacht,
und die Stirne gluͤhend macht, wenn ſie ſich in Gegenwart widerſprechender Dummkoͤpfe und
Schwachkoͤpfe fuͤhlt. Jch ſage weiter kein Wort, denn ich ſchreibe keine Lobreden, will immer we-
niger ſolche ſchreiben, und man wird ſehen, daß ich faſt durchaus in dieſem Bande nur kalter Beob-
achter und Darleger von Beobachtungen bin, und mich auch des verdienteſten Lobes enthalte, um
keine Beſcheidenheit zu beleidigen, und dem Neide keine bittere oder frohe Stunde zu machen.

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Beylage
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[378/0456] VII. Abſchnitt. III. Fragment. Stirne mehr Wiſſen und Gedaͤchtniß; das Wort, das aus ſeinem Munde kommen wird, wird tref- fen und einſchneiden. Von der Naſenſpitze zum Munde — unbeſchreiblich viel maͤnnliche Vernunft. Das Weſentliche des Unterſchieds dieſer beyden Charakter iſt im Umriſſe der Stirn, beſonders un- ter der Augenbraune bis zur Naſe zu ſuchen. Beylage E. Hirzel. Viel Kraft und Gewalt, viel frohmuͤthige lebendige Betriebſamkeit, viel ſchnell ergiebige und po- pulare Beredſamkeit ſpricht aus folgendem Geſichte. Die Stirn bis zur Augenbraune iſt ziemlich richtig, dann ein wenig zu ſtumpf! Sehr ſprechend uͤbrigens durch Umriß, Lage und Hoͤhe fuͤr phi- loſophiſch praktiſchen Verſtand, der Licht will, und ſich des Lichtes herzlich freut. Das Auge iſt et- was zu kleinlich, doch voll heraushorchender heiterer Theilnehmung. Der Umriß von der Naſe zum Kinne herausgehoben iſt, oͤftern Beobachtungen zufolge, Buchſtabe geſchaͤfftigen kalten und heißen Verſtandes. Das Kalte liegt in der Oberlippe. Das Heiße im Naſenknopfe und im vorſtehenden Kinne. Man aͤrgere ſich nicht an dem Ausdrucke kalt und heiß. Kalter Verſtand iſt ein ſo bekann- ter Ausdruck, als Kaltbluͤtigkeit — und wenn man ſagen kann: kalter Verſtand, ſo kann man auch ſagen heißer — oder richtige Urtheilskraft, die ſchnelle Bewegungen der Gehirnfibern verurſacht, und die Stirne gluͤhend macht, wenn ſie ſich in Gegenwart widerſprechender Dummkoͤpfe und Schwachkoͤpfe fuͤhlt. Jch ſage weiter kein Wort, denn ich ſchreibe keine Lobreden, will immer we- niger ſolche ſchreiben, und man wird ſehen, daß ich faſt durchaus in dieſem Bande nur kalter Beob- achter und Darleger von Beobachtungen bin, und mich auch des verdienteſten Lobes enthalte, um keine Beſcheidenheit zu beleidigen, und dem Neide keine bittere oder frohe Stunde zu machen. [Abbildung] Beylage

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/456>, abgerufen am 22.11.2024.