Er flickte Größe und unbestimmte Leerheit gedankenlos zusammen. Seelenlose Colossalität mit Zü- gen von Größe, ohne Effekt -- die nur einen halben Moment vielleicht täuschen, ist allemal ein Beweis von Anmaßung ohne Genie.
C. Ein Familienstück nach Albrecht Dürer.
Des IV Ban- des XXXIX. Tafel. d'apres Durer.
Stummes dumpfes Hinausstaunen kalten Schmerzes, der nicht wehklagen kann und mag -- meyn' ich in dem Gesichte und der Stellung der Mutter zu erblicken, die vermuthlich ein todtes Kind -- (das Kind ist von entsetzlicher Kraft) auf ihrem linken Arm hält, mit der rechten Hand sich auf die Tochter lehnt, die noch für des Verstorbenen Seele be- tet, und die Augen nicht öffnen darf. Jn dem einfaltsvollen Gesichte der Tochter, ob es gleich, be- sonders die Oberlippe, ein wenig verzeichnet ist, ist viel Geist und Größe.
[Abbildung]
Achtes
E e e 3
Vermiſchte leidenſchaftliche Charakter.
Er flickte Groͤße und unbeſtimmte Leerheit gedankenlos zuſammen. Seelenloſe Coloſſalitaͤt mit Zuͤ- gen von Groͤße, ohne Effekt — die nur einen halben Moment vielleicht taͤuſchen, iſt allemal ein Beweis von Anmaßung ohne Genie.
C. Ein Familienſtuͤck nach Albrecht Duͤrer.
Des IV Ban- des XXXIX. Tafel. d’apres Durer.
Stummes dumpfes Hinausſtaunen kalten Schmerzes, der nicht wehklagen kann und mag — meyn’ ich in dem Geſichte und der Stellung der Mutter zu erblicken, die vermuthlich ein todtes Kind — (das Kind iſt von entſetzlicher Kraft) auf ihrem linken Arm haͤlt, mit der rechten Hand ſich auf die Tochter lehnt, die noch fuͤr des Verſtorbenen Seele be- tet, und die Augen nicht oͤffnen darf. Jn dem einfaltsvollen Geſichte der Tochter, ob es gleich, be- ſonders die Oberlippe, ein wenig verzeichnet iſt, iſt viel Geiſt und Groͤße.
[Abbildung]
Achtes
E e e 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0499"n="405"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vermiſchte leidenſchaftliche Charakter.</hi></fw><lb/>
Er flickte Groͤße und unbeſtimmte Leerheit gedankenlos zuſammen. Seelenloſe Coloſſalitaͤt mit Zuͤ-<lb/>
gen von Groͤße, ohne Effekt — die nur einen halben Moment vielleicht taͤuſchen, iſt allemal ein<lb/>
Beweis von Anmaßung ohne Genie.</p></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">C.</hi> Ein Familienſtuͤck nach Albrecht Duͤrer.</hi></head><lb/><noteplace="left">Des <hirendition="#aq">IV</hi> Ban-<lb/>
des <hirendition="#aq">XXXIX.</hi><lb/>
Tafel. <hirendition="#aq">d’apres<lb/>
Durer.</hi></note><p>Stummes dumpfes Hinausſtaunen kalten Schmerzes, der nicht wehklagen kann<lb/>
und mag — meyn’ ich in dem Geſichte und der Stellung der Mutter zu erblicken, die<lb/>
vermuthlich ein todtes Kind — (das Kind iſt von entſetzlicher Kraft) auf ihrem linken<lb/>
Arm haͤlt, mit der rechten Hand ſich auf die Tochter lehnt, die noch fuͤr des Verſtorbenen Seele be-<lb/>
tet, und die Augen nicht oͤffnen darf. Jn dem einfaltsvollen Geſichte der Tochter, ob es gleich, be-<lb/>ſonders die Oberlippe, ein wenig verzeichnet iſt, iſt viel Geiſt und Groͤße.</p><lb/><figure/></div></div><fwplace="bottom"type="sig">E e e 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Achtes</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[405/0499]
Vermiſchte leidenſchaftliche Charakter.
Er flickte Groͤße und unbeſtimmte Leerheit gedankenlos zuſammen. Seelenloſe Coloſſalitaͤt mit Zuͤ-
gen von Groͤße, ohne Effekt — die nur einen halben Moment vielleicht taͤuſchen, iſt allemal ein
Beweis von Anmaßung ohne Genie.
C. Ein Familienſtuͤck nach Albrecht Duͤrer.
Stummes dumpfes Hinausſtaunen kalten Schmerzes, der nicht wehklagen kann
und mag — meyn’ ich in dem Geſichte und der Stellung der Mutter zu erblicken, die
vermuthlich ein todtes Kind — (das Kind iſt von entſetzlicher Kraft) auf ihrem linken
Arm haͤlt, mit der rechten Hand ſich auf die Tochter lehnt, die noch fuͤr des Verſtorbenen Seele be-
tet, und die Augen nicht oͤffnen darf. Jn dem einfaltsvollen Geſichte der Tochter, ob es gleich, be-
ſonders die Oberlippe, ein wenig verzeichnet iſt, iſt viel Geiſt und Groͤße.
[Abbildung]
Achtes
E e e 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/499>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.