Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
nachdem er auf Rothgluth erhitzt worden war, so hinterlässt er beim Auflösen keinen Rückstand, sondern der gesammte Kohlenstoff ver- flüchtigt sich als übelriechendes Kohlenwasserstoffgas. Auch durch an- dauerndes Hämmern des glühenden Stahles lässt sich die Menge des beim Auflösen hinterbleibenden Rückstandes abmindern. 1)
Später machte Rinman die gleiche Beobachtung 2), deren Richtigkeit sich übrigens sehr leicht prüfen lässt und später auch noch durch ver- schiedene andere Forscher bestätigt wurde. Nach Rinman's Ver- suchen löst sich die Kohle des nicht gehärteten Stahles auch dann vollständig, wenn man ihn sofort mit heissen Säuren behandelt; in kalten Säuren dagegen bleibt ein Rückstand, der sich nun auch beim späteren Erhitzen nicht mehr auflöst. Als Graphit kann dieser kohlen- stoffreiche Rückstand nicht betrachtet werden, da Graphit sich weder in kalter, noch in heisser Säure löst. Auch beim Auflösen ungehärteten Stahles in Salpetersäure hinterbleibt nach Woodcock3) ein ähnlicher Rückstand, der sich abfiltriren und trocknen lässt, beim Berühren mit einem glühenden Drahte aber wie Schiesspulver verpufft.
Es ist zweifellos, dass hier eine besondere Form des Kohlenstoffs oder -- was noch wahrscheinlicher ist -- eine Eisenkohlenstofflegirung vorliegt, welche in dem langsam abkühlenden Stahle sich von der grösseren Menge des kohlenstoffärmeren Stahles sondert, wie sich in den Bronzen zinnreichere Legirungen bei langsamer Abkühlung von kupferreicheren sondern. Bei rascher Abkühlung unter jene Temperatur, oberhalb welcher das Eisen gleichmässig von der Kohle durchdrungen ist (ca. 500°C.), verharren dagegen beide Körper in gleichmässiger Legirung, ein Verhalten, welches sich ebenfalls bei der Bronze be- obachten lässt. Da diese Kohle in vorzugsweise grossen Mengen im unbearbeiteten Cementstahle gefunden wird, jener Stahlgattung, welche durch wochenlang fortgesetztes Glühen kohlenstoffärmeren Eisens mit Holzkohle dargestellt wird, so nannte Rinman dieselbe Cement- kohle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich auch in vielen langsam abgekühlten Roheisensorten das gleiche Vorkommniss durch sorgfältige Untersuchung nachweisen lassen würde.
Eine ähnliche Form des Kohlenstoffes beobachtete F. C. E. Müller im Bessemerstahl. 4) Beim Auflösen desselben in Salzsäure und Be- handeln des hierbei zurückbleibenden schwarzen Rückstandes mit heisser Salpetersäure erhielt er als letzten Rückstand einen Körper, dessen Zu- sammensetzung annähernd der Formel Fe C8 entsprach, also ebenfalls aus einer kohlenstoffreicheren Eisenlegirung bestehen dürfte, welche sich beim Erstarren und Abkühlen von dem übrigen Stahl sonderte.
Den sämmtlichen nichtgraphitischen Kohlenstoff, also die gebundene Kohle (S. 235) und die Cementkohle zusammen, pflegt man als amorphen Kohlenstoff zu bezeichnen.
1) Comptes rendus, tome LVI, p. 43.
2)Erdmann's Journal für praktische Chemie, Bd. 100, S. 33.
3)Glaser's Annalen, Bd. X, S. 270.
4) Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Bd. XXII, S. 456.
Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
nachdem er auf Rothgluth erhitzt worden war, so hinterlässt er beim Auflösen keinen Rückstand, sondern der gesammte Kohlenstoff ver- flüchtigt sich als übelriechendes Kohlenwasserstoffgas. Auch durch an- dauerndes Hämmern des glühenden Stahles lässt sich die Menge des beim Auflösen hinterbleibenden Rückstandes abmindern. 1)
Später machte Rinman die gleiche Beobachtung 2), deren Richtigkeit sich übrigens sehr leicht prüfen lässt und später auch noch durch ver- schiedene andere Forscher bestätigt wurde. Nach Rinman’s Ver- suchen löst sich die Kohle des nicht gehärteten Stahles auch dann vollständig, wenn man ihn sofort mit heissen Säuren behandelt; in kalten Säuren dagegen bleibt ein Rückstand, der sich nun auch beim späteren Erhitzen nicht mehr auflöst. Als Graphit kann dieser kohlen- stoffreiche Rückstand nicht betrachtet werden, da Graphit sich weder in kalter, noch in heisser Säure löst. Auch beim Auflösen ungehärteten Stahles in Salpetersäure hinterbleibt nach Woodcock3) ein ähnlicher Rückstand, der sich abfiltriren und trocknen lässt, beim Berühren mit einem glühenden Drahte aber wie Schiesspulver verpufft.
Es ist zweifellos, dass hier eine besondere Form des Kohlenstoffs oder — was noch wahrscheinlicher ist — eine Eisenkohlenstofflegirung vorliegt, welche in dem langsam abkühlenden Stahle sich von der grösseren Menge des kohlenstoffärmeren Stahles sondert, wie sich in den Bronzen zinnreichere Legirungen bei langsamer Abkühlung von kupferreicheren sondern. Bei rascher Abkühlung unter jene Temperatur, oberhalb welcher das Eisen gleichmässig von der Kohle durchdrungen ist (ca. 500°C.), verharren dagegen beide Körper in gleichmässiger Legirung, ein Verhalten, welches sich ebenfalls bei der Bronze be- obachten lässt. Da diese Kohle in vorzugsweise grossen Mengen im unbearbeiteten Cementstahle gefunden wird, jener Stahlgattung, welche durch wochenlang fortgesetztes Glühen kohlenstoffärmeren Eisens mit Holzkohle dargestellt wird, so nannte Rinman dieselbe Cement- kohle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich auch in vielen langsam abgekühlten Roheisensorten das gleiche Vorkommniss durch sorgfältige Untersuchung nachweisen lassen würde.
Eine ähnliche Form des Kohlenstoffes beobachtete F. C. E. Müller im Bessemerstahl. 4) Beim Auflösen desselben in Salzsäure und Be- handeln des hierbei zurückbleibenden schwarzen Rückstandes mit heisser Salpetersäure erhielt er als letzten Rückstand einen Körper, dessen Zu- sammensetzung annähernd der Formel Fe C8 entsprach, also ebenfalls aus einer kohlenstoffreicheren Eisenlegirung bestehen dürfte, welche sich beim Erstarren und Abkühlen von dem übrigen Stahl sonderte.
Den sämmtlichen nichtgraphitischen Kohlenstoff, also die gebundene Kohle (S. 235) und die Cementkohle zusammen, pflegt man als amorphen Kohlenstoff zu bezeichnen.
1) Comptes rendus, tome LVI, p. 43.
2)Erdmann’s Journal für praktische Chemie, Bd. 100, S. 33.
3)Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 270.
4) Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Bd. XXII, S. 456.
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Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
nachdem er auf Rothgluth erhitzt worden war, so hinterlässt er beim
Auflösen keinen Rückstand, sondern der gesammte Kohlenstoff ver-
flüchtigt sich als übelriechendes Kohlenwasserstoffgas. Auch durch an-
dauerndes Hämmern des glühenden Stahles lässt sich die Menge des
beim Auflösen hinterbleibenden Rückstandes abmindern. 1)
Später machte Rinman die gleiche Beobachtung 2), deren Richtigkeit
sich übrigens sehr leicht prüfen lässt und später auch noch durch ver-
schiedene andere Forscher bestätigt wurde. Nach Rinman’s Ver-
suchen löst sich die Kohle des nicht gehärteten Stahles auch dann
vollständig, wenn man ihn sofort mit heissen Säuren behandelt; in
kalten Säuren dagegen bleibt ein Rückstand, der sich nun auch beim
späteren Erhitzen nicht mehr auflöst. Als Graphit kann dieser kohlen-
stoffreiche Rückstand nicht betrachtet werden, da Graphit sich weder
in kalter, noch in heisser Säure löst. Auch beim Auflösen ungehärteten
Stahles in Salpetersäure hinterbleibt nach Woodcock 3) ein ähnlicher
Rückstand, der sich abfiltriren und trocknen lässt, beim Berühren mit
einem glühenden Drahte aber wie Schiesspulver verpufft.
Es ist zweifellos, dass hier eine besondere Form des Kohlenstoffs
oder — was noch wahrscheinlicher ist — eine Eisenkohlenstofflegirung
vorliegt, welche in dem langsam abkühlenden Stahle sich von der
grösseren Menge des kohlenstoffärmeren Stahles sondert, wie sich in
den Bronzen zinnreichere Legirungen bei langsamer Abkühlung von
kupferreicheren sondern. Bei rascher Abkühlung unter jene Temperatur,
oberhalb welcher das Eisen gleichmässig von der Kohle durchdrungen
ist (ca. 500°C.), verharren dagegen beide Körper in gleichmässiger
Legirung, ein Verhalten, welches sich ebenfalls bei der Bronze be-
obachten lässt. Da diese Kohle in vorzugsweise grossen Mengen im
unbearbeiteten Cementstahle gefunden wird, jener Stahlgattung, welche
durch wochenlang fortgesetztes Glühen kohlenstoffärmeren Eisens mit
Holzkohle dargestellt wird, so nannte Rinman dieselbe Cement-
kohle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich auch in vielen langsam
abgekühlten Roheisensorten das gleiche Vorkommniss durch sorgfältige
Untersuchung nachweisen lassen würde.
Eine ähnliche Form des Kohlenstoffes beobachtete F. C. E. Müller
im Bessemerstahl. 4) Beim Auflösen desselben in Salzsäure und Be-
handeln des hierbei zurückbleibenden schwarzen Rückstandes mit heisser
Salpetersäure erhielt er als letzten Rückstand einen Körper, dessen Zu-
sammensetzung annähernd der Formel Fe C8 entsprach, also ebenfalls
aus einer kohlenstoffreicheren Eisenlegirung bestehen dürfte, welche sich
beim Erstarren und Abkühlen von dem übrigen Stahl sonderte.
Den sämmtlichen nichtgraphitischen Kohlenstoff, also die gebundene
Kohle (S. 235) und die Cementkohle zusammen, pflegt man als amorphen
Kohlenstoff zu bezeichnen.
1) Comptes rendus, tome LVI, p. 43.
2) Erdmann’s Journal für praktische Chemie, Bd. 100, S. 33.
3) Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 270.
4) Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Bd. XXII, S. 456.
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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/284>, abgerufen am 05.12.2024.
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