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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Eisen und Silicium.
beider Körper, sich zu legiren, erklärt es aber auch, dass Silicium in
selbständiger Form, wie der Graphit aus dem Eisen auskrystallisirend,
nur in sehr seltenen Fällen und auch hier kaum mit vollkommener
Gewissheit beobachtet worden ist.

Wohl aber bemerkt man mitunter in Drusenräumen gegossenen
siliciumhaltigen Eisens einen aus reiner Kieselsäure bestehenden Ueber-
zug der Eisenoberfläche, welcher offenbar durch Verbrennung von
Silicium entstanden ist. 1) Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Sili-
cium nicht im freien Zustande aus dem Eisen austrat, sondern in chemi-
scher Verbindung mit einem zweiten Körper gasförmig die Druse aus-
füllte und dann bei Zutritt der Luft oxydirt wurde. 2) Dass thatsächlich
mitunter gasförmige Siliciumverbindungen im Eisenhüttenwesen eine
Rolle spielen, lässt sich auch aus anderen Vorgängen schliessen. Es
möge hier nur u. a. erwähnt werden, dass die Gichtgase des Hochofens
bei ihrer Verbrennung einen Beschlag absetzen, welcher zum grossen
Theile aus Kieselsäure besteht.

Siliciumwasserstoff wird schon bei Rothgluth zersetzt und
kann deshalb hier kaum in Betracht kommen. 3)

Siliciumchlorid und Siliciumfluorid können möglicherweise
in einzelnen Fällen gebildet werden, sofern Chlor, beziehentlich Fluor
oder leicht zerlegbare Verbindungen derselben mit Kieselsäure und
Kohle in höherer Temperatur zusammentreffen, doch dürften diese Fälle
nicht gerade häufig sein.

Häufigere Gelegenheit bietet sich zur Entstehung von Siliciumsul-
fid
(Schwefelsilicium), welches nach Fremy's Untersuchungen 4), deren
Ergebnisse später durch einige von mir angestellte Versuche 5) bestätigt
wurden, sich bildet, wenn Schwefel, Kohlenstoff und Kieselsäure in
Weissgluth auf einander wirken, und am einfachsten durch Hinüber-
leiten von Schwefelkohlenstoffdampf über ein Gemenge von Kohle und
Kieselsäure dargestellt wird. Dasselbe ist in hoher Temperatur (Weiss-
gluth) flüchtig und wird, sobald es einmal Gasform angenommen hat,
von dem Gasstrome auf weite Entfernungen mitgenommen. An feuchter
Luft oxydirt es sich rasch unter Schwefelwasserstoffentwickelung zu
Kieselsäure.

Während die Zusammensetzung des von Fremy dargestellten
Siliciumsulfides der Formel Si S2 entsprach, fand Alb. Colson 6), dass
beim Glühen von Silicium im Schwefelkohlenstoffstrome zwei ver-
schieden zusammengesetzte flüchtige Verbindungen entstehen können,
von denen die eine die Zusammensetzung Si S besitzt, während die
andere der Formel Si SO entspricht.

1) Vergl. u. a. Berg- und hüttenm. Ztg. 1877, S. 279; ferner Ztschr. d. berg-
und hüttenm. Vereins für Steiermark und Kärnten 1876, S. 77.
2) Eine andere Erklärung hierfür giebt Rinman, welcher annimmt, dass Sili-
cium aus dem Eisen durch Einwirkung von Wasserdampf oxydirt sei, welcher sich
aus feuchten Gussformen entwickelte. Ztschr. des berg- und hüttenm. Vereins für
Steierm. und Kärnten 1876, S. 77.
3) Nach Morton wurde beim Hinüberleiten von trockenem Wasserstoffgase über
siliciumhaltiges Eisen beim Glühen Siliciumwasserstoff gebildet. Vergl. Literatur.
4) Comptes rendus, Juli 1852, Heft 1.
5) Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 324.
6) Comptes rendus, tome 94, p. 1526.
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Eisen und Silicium.
beider Körper, sich zu legiren, erklärt es aber auch, dass Silicium in
selbständiger Form, wie der Graphit aus dem Eisen auskrystallisirend,
nur in sehr seltenen Fällen und auch hier kaum mit vollkommener
Gewissheit beobachtet worden ist.

Wohl aber bemerkt man mitunter in Drusenräumen gegossenen
siliciumhaltigen Eisens einen aus reiner Kieselsäure bestehenden Ueber-
zug der Eisenoberfläche, welcher offenbar durch Verbrennung von
Silicium entstanden ist. 1) Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Sili-
cium nicht im freien Zustande aus dem Eisen austrat, sondern in chemi-
scher Verbindung mit einem zweiten Körper gasförmig die Druse aus-
füllte und dann bei Zutritt der Luft oxydirt wurde. 2) Dass thatsächlich
mitunter gasförmige Siliciumverbindungen im Eisenhüttenwesen eine
Rolle spielen, lässt sich auch aus anderen Vorgängen schliessen. Es
möge hier nur u. a. erwähnt werden, dass die Gichtgase des Hochofens
bei ihrer Verbrennung einen Beschlag absetzen, welcher zum grossen
Theile aus Kieselsäure besteht.

Siliciumwasserstoff wird schon bei Rothgluth zersetzt und
kann deshalb hier kaum in Betracht kommen. 3)

Siliciumchlorid und Siliciumfluorid können möglicherweise
in einzelnen Fällen gebildet werden, sofern Chlor, beziehentlich Fluor
oder leicht zerlegbare Verbindungen derselben mit Kieselsäure und
Kohle in höherer Temperatur zusammentreffen, doch dürften diese Fälle
nicht gerade häufig sein.

Häufigere Gelegenheit bietet sich zur Entstehung von Siliciumsul-
fid
(Schwefelsilicium), welches nach Frémy’s Untersuchungen 4), deren
Ergebnisse später durch einige von mir angestellte Versuche 5) bestätigt
wurden, sich bildet, wenn Schwefel, Kohlenstoff und Kieselsäure in
Weissgluth auf einander wirken, und am einfachsten durch Hinüber-
leiten von Schwefelkohlenstoffdampf über ein Gemenge von Kohle und
Kieselsäure dargestellt wird. Dasselbe ist in hoher Temperatur (Weiss-
gluth) flüchtig und wird, sobald es einmal Gasform angenommen hat,
von dem Gasstrome auf weite Entfernungen mitgenommen. An feuchter
Luft oxydirt es sich rasch unter Schwefelwasserstoffentwickelung zu
Kieselsäure.

Während die Zusammensetzung des von Frémy dargestellten
Siliciumsulfides der Formel Si S2 entsprach, fand Alb. Colson 6), dass
beim Glühen von Silicium im Schwefelkohlenstoffstrome zwei ver-
schieden zusammengesetzte flüchtige Verbindungen entstehen können,
von denen die eine die Zusammensetzung Si S besitzt, während die
andere der Formel Si SO entspricht.

1) Vergl. u. a. Berg- und hüttenm. Ztg. 1877, S. 279; ferner Ztschr. d. berg-
und hüttenm. Vereins für Steiermark und Kärnten 1876, S. 77.
2) Eine andere Erklärung hierfür giebt Rinman, welcher annimmt, dass Sili-
cium aus dem Eisen durch Einwirkung von Wasserdampf oxydirt sei, welcher sich
aus feuchten Gussformen entwickelte. Ztschr. des berg- und hüttenm. Vereins für
Steierm. und Kärnten 1876, S. 77.
3) Nach Morton wurde beim Hinüberleiten von trockenem Wasserstoffgase über
siliciumhaltiges Eisen beim Glühen Siliciumwasserstoff gebildet. Vergl. Literatur.
4) Comptes rendus, Juli 1852, Heft 1.
5) Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 324.
6) Comptes rendus, tome 94, p. 1526.
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[243/0289] Eisen und Silicium. beider Körper, sich zu legiren, erklärt es aber auch, dass Silicium in selbständiger Form, wie der Graphit aus dem Eisen auskrystallisirend, nur in sehr seltenen Fällen und auch hier kaum mit vollkommener Gewissheit beobachtet worden ist. Wohl aber bemerkt man mitunter in Drusenräumen gegossenen siliciumhaltigen Eisens einen aus reiner Kieselsäure bestehenden Ueber- zug der Eisenoberfläche, welcher offenbar durch Verbrennung von Silicium entstanden ist. 1) Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Sili- cium nicht im freien Zustande aus dem Eisen austrat, sondern in chemi- scher Verbindung mit einem zweiten Körper gasförmig die Druse aus- füllte und dann bei Zutritt der Luft oxydirt wurde. 2) Dass thatsächlich mitunter gasförmige Siliciumverbindungen im Eisenhüttenwesen eine Rolle spielen, lässt sich auch aus anderen Vorgängen schliessen. Es möge hier nur u. a. erwähnt werden, dass die Gichtgase des Hochofens bei ihrer Verbrennung einen Beschlag absetzen, welcher zum grossen Theile aus Kieselsäure besteht. Siliciumwasserstoff wird schon bei Rothgluth zersetzt und kann deshalb hier kaum in Betracht kommen. 3) Siliciumchlorid und Siliciumfluorid können möglicherweise in einzelnen Fällen gebildet werden, sofern Chlor, beziehentlich Fluor oder leicht zerlegbare Verbindungen derselben mit Kieselsäure und Kohle in höherer Temperatur zusammentreffen, doch dürften diese Fälle nicht gerade häufig sein. Häufigere Gelegenheit bietet sich zur Entstehung von Siliciumsul- fid (Schwefelsilicium), welches nach Frémy’s Untersuchungen 4), deren Ergebnisse später durch einige von mir angestellte Versuche 5) bestätigt wurden, sich bildet, wenn Schwefel, Kohlenstoff und Kieselsäure in Weissgluth auf einander wirken, und am einfachsten durch Hinüber- leiten von Schwefelkohlenstoffdampf über ein Gemenge von Kohle und Kieselsäure dargestellt wird. Dasselbe ist in hoher Temperatur (Weiss- gluth) flüchtig und wird, sobald es einmal Gasform angenommen hat, von dem Gasstrome auf weite Entfernungen mitgenommen. An feuchter Luft oxydirt es sich rasch unter Schwefelwasserstoffentwickelung zu Kieselsäure. Während die Zusammensetzung des von Frémy dargestellten Siliciumsulfides der Formel Si S2 entsprach, fand Alb. Colson 6), dass beim Glühen von Silicium im Schwefelkohlenstoffstrome zwei ver- schieden zusammengesetzte flüchtige Verbindungen entstehen können, von denen die eine die Zusammensetzung Si S besitzt, während die andere der Formel Si SO entspricht. 1) Vergl. u. a. Berg- und hüttenm. Ztg. 1877, S. 279; ferner Ztschr. d. berg- und hüttenm. Vereins für Steiermark und Kärnten 1876, S. 77. 2) Eine andere Erklärung hierfür giebt Rinman, welcher annimmt, dass Sili- cium aus dem Eisen durch Einwirkung von Wasserdampf oxydirt sei, welcher sich aus feuchten Gussformen entwickelte. Ztschr. des berg- und hüttenm. Vereins für Steierm. und Kärnten 1876, S. 77. 3) Nach Morton wurde beim Hinüberleiten von trockenem Wasserstoffgase über siliciumhaltiges Eisen beim Glühen Siliciumwasserstoff gebildet. Vergl. Literatur. 4) Comptes rendus, Juli 1852, Heft 1. 5) Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 324. 6) Comptes rendus, tome 94, p. 1526. 16*

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/289>, abgerufen am 05.12.2024.