Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Hochofen.
also gerade da, wo eine dichtere Lagerung erwünscht ist, zur Folge
hat und somit das Gegentheil des beabsichtigten Erfolges bewirkt. Nach-
dem diese Nachtheile einer zu engen Gicht, insbesondere die dadurch
hervorgerufene Beschränkung der Leistungsfähigkeit eines Ofens, ver-
schiedentlich beobachtet, die Vortheile weiterer Gichten erkannt worden
waren, gab man auf verschiedenen Werken die übliche Kegelform des
oberen Schachtes auf und ging zu einer cylindrischen Form über, wo-
durch dann die in Fig. 56 skizzirte Ofenform entstand. Wenn that-
sächlich in vielen Fällen, besonders da, wo der Kohlensackdurchmesser
des Ofens nicht sehr gross war, durch eine derartige Construction
merkbare Nachtheile für den Ofengang nicht hervorgerufen wurden, so
kann doch eine Form, wie sie Fig. 57 darstellt und wie sie mitunter
auf englischen Eisenwerken zur Anwendung gebracht ist, um auch bei
engerer Gicht einen grösseren Schachtdurchmesser zu erhalten, nur
durch besondere Verhältnisse (Einrichtung der mechanischen Aufgebe-
vorrichtung) gerechtfertigt erscheinen.


Abgesehen von den zahlreichen Abweichungen in dem Profile der
Hochöfen, von denen natürlicherweise nur die am meisten charakte-
ristischen Formen in Vorstehendem beschrieben werden konnten, lassen
sich nach der Einrichtung des Herdes, d. h. des unterhalb der Wind-
formen befindlichen Sammelraumes für Roheisen und Schlacke zwei
wesentlich abweichende Ofengattungen unterscheiden.

Bei den zu der ersten dieser Ofengattungen gehörigen Oefen,
welche man als Hochöfen mit geschlossener Brust (auch wohl
als Tiegelöfen) zu bezeichnen pflegt, ist der Herd, wie es die Skizze
Fig. 58 erkennen lässt, ringsum geschlossen und bildet somit lediglich
eine Verlängerung des Gestelles nach unten. In der Seitenwand des
Herdes unmittelbar über dem Boden ist an einer geeigneten Stelle eine
ausreichend grosse Oeffnung zum Ablassen des Roheisens angebracht,
der Roheisenstich oder das Stichloch, welche durch Sand oder
feuerfesten Thon geschlossen gehalten und nur von Zeit zu Zeit ge-
öffnet wird, wenn das "Abstechen" des Roheisens vor sich gehen soll.
An einer höher gelegenen Stelle, etwas unterhalb der Formebene und
gewöhnlich an einer andern Seite des Ofens als der Eisenstich ist
eine zweite kleinere Oeffnung, die Schlackenöffnung oder der
Schlackenstich angebracht, durch welche man die gebildete Schlacke
entweder ununterbrochen abfliessen lässt oder von Zeit zu Zeit absticht.
Die Lage dieser Schlackenöffnung bezeichnet also die Höhe, bis zu
welcher überhaupt die geschmolzenen Massen im Ofen ansteigen können.

Diese Einrichtung ist die bei den ältesten aller Hochöfen, den
schon erwähnten Blauöfen, angewendete, und man bezeichnet deshalb
in einzelnen Gegenden auch jetzt noch die Hochöfen mit geschlossener
Brust als Blauöfen. Das Innere des Gestelles und Herdes ist nur
durch die verhältnissmässig engen Windformen und den Schlackenstich
zugänglich; die Bildung einer dünnflüssigen Schlacke ist deshalb bei
Anwendung der geschlossenen Brust nothwendig, damit nicht durch
erstarrte Massen Versetzungen im Innern entstehen, welche den Fort-

Der Hochofen.
also gerade da, wo eine dichtere Lagerung erwünscht ist, zur Folge
hat und somit das Gegentheil des beabsichtigten Erfolges bewirkt. Nach-
dem diese Nachtheile einer zu engen Gicht, insbesondere die dadurch
hervorgerufene Beschränkung der Leistungsfähigkeit eines Ofens, ver-
schiedentlich beobachtet, die Vortheile weiterer Gichten erkannt worden
waren, gab man auf verschiedenen Werken die übliche Kegelform des
oberen Schachtes auf und ging zu einer cylindrischen Form über, wo-
durch dann die in Fig. 56 skizzirte Ofenform entstand. Wenn that-
sächlich in vielen Fällen, besonders da, wo der Kohlensackdurchmesser
des Ofens nicht sehr gross war, durch eine derartige Construction
merkbare Nachtheile für den Ofengang nicht hervorgerufen wurden, so
kann doch eine Form, wie sie Fig. 57 darstellt und wie sie mitunter
auf englischen Eisenwerken zur Anwendung gebracht ist, um auch bei
engerer Gicht einen grösseren Schachtdurchmesser zu erhalten, nur
durch besondere Verhältnisse (Einrichtung der mechanischen Aufgebe-
vorrichtung) gerechtfertigt erscheinen.


Abgesehen von den zahlreichen Abweichungen in dem Profile der
Hochöfen, von denen natürlicherweise nur die am meisten charakte-
ristischen Formen in Vorstehendem beschrieben werden konnten, lassen
sich nach der Einrichtung des Herdes, d. h. des unterhalb der Wind-
formen befindlichen Sammelraumes für Roheisen und Schlacke zwei
wesentlich abweichende Ofengattungen unterscheiden.

Bei den zu der ersten dieser Ofengattungen gehörigen Oefen,
welche man als Hochöfen mit geschlossener Brust (auch wohl
als Tiegelöfen) zu bezeichnen pflegt, ist der Herd, wie es die Skizze
Fig. 58 erkennen lässt, ringsum geschlossen und bildet somit lediglich
eine Verlängerung des Gestelles nach unten. In der Seitenwand des
Herdes unmittelbar über dem Boden ist an einer geeigneten Stelle eine
ausreichend grosse Oeffnung zum Ablassen des Roheisens angebracht,
der Roheisenstich oder das Stichloch, welche durch Sand oder
feuerfesten Thon geschlossen gehalten und nur von Zeit zu Zeit ge-
öffnet wird, wenn das „Abstechen“ des Roheisens vor sich gehen soll.
An einer höher gelegenen Stelle, etwas unterhalb der Formebene und
gewöhnlich an einer andern Seite des Ofens als der Eisenstich ist
eine zweite kleinere Oeffnung, die Schlackenöffnung oder der
Schlackenstich angebracht, durch welche man die gebildete Schlacke
entweder ununterbrochen abfliessen lässt oder von Zeit zu Zeit absticht.
Die Lage dieser Schlackenöffnung bezeichnet also die Höhe, bis zu
welcher überhaupt die geschmolzenen Massen im Ofen ansteigen können.

Diese Einrichtung ist die bei den ältesten aller Hochöfen, den
schon erwähnten Blauöfen, angewendete, und man bezeichnet deshalb
in einzelnen Gegenden auch jetzt noch die Hochöfen mit geschlossener
Brust als Blauöfen. Das Innere des Gestelles und Herdes ist nur
durch die verhältnissmässig engen Windformen und den Schlackenstich
zugänglich; die Bildung einer dünnflüssigen Schlacke ist deshalb bei
Anwendung der geschlossenen Brust nothwendig, damit nicht durch
erstarrte Massen Versetzungen im Innern entstehen, welche den Fort-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0372" n="326"/><fw place="top" type="header">Der Hochofen.</fw><lb/>
also gerade da, wo eine dichtere Lagerung erwünscht ist, zur Folge<lb/>
hat und somit das Gegentheil des beabsichtigten Erfolges bewirkt. Nach-<lb/>
dem diese Nachtheile einer zu engen Gicht, insbesondere die dadurch<lb/>
hervorgerufene Beschränkung der Leistungsfähigkeit eines Ofens, ver-<lb/>
schiedentlich beobachtet, die Vortheile weiterer Gichten erkannt worden<lb/>
waren, gab man auf verschiedenen Werken die übliche Kegelform des<lb/>
oberen Schachtes auf und ging zu einer cylindrischen Form über, wo-<lb/>
durch dann die in Fig. 56 skizzirte Ofenform entstand. Wenn that-<lb/>
sächlich in vielen Fällen, besonders da, wo der Kohlensackdurchmesser<lb/>
des Ofens nicht sehr gross war, durch eine derartige Construction<lb/>
merkbare Nachtheile für den Ofengang nicht hervorgerufen wurden, so<lb/>
kann doch eine Form, wie sie Fig. 57 darstellt und wie sie mitunter<lb/>
auf englischen Eisenwerken zur Anwendung gebracht ist, um auch bei<lb/>
engerer Gicht einen grösseren Schachtdurchmesser zu erhalten, nur<lb/>
durch besondere Verhältnisse (Einrichtung der mechanischen Aufgebe-<lb/>
vorrichtung) gerechtfertigt erscheinen.</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
                <p>Abgesehen von den zahlreichen Abweichungen in dem Profile der<lb/>
Hochöfen, von denen natürlicherweise nur die am meisten charakte-<lb/>
ristischen Formen in Vorstehendem beschrieben werden konnten, lassen<lb/>
sich nach der Einrichtung des Herdes, d. h. des unterhalb der Wind-<lb/>
formen befindlichen Sammelraumes für Roheisen und Schlacke zwei<lb/>
wesentlich abweichende Ofengattungen unterscheiden.</p><lb/>
                <p>Bei den zu der ersten dieser Ofengattungen gehörigen Oefen,<lb/>
welche man als <hi rendition="#g">Hochöfen mit geschlossener Brust</hi> (auch wohl<lb/>
als <hi rendition="#g">Tiegelöfen</hi>) zu bezeichnen pflegt, ist der Herd, wie es die Skizze<lb/>
Fig. 58 erkennen lässt, ringsum geschlossen und bildet somit lediglich<lb/>
eine Verlängerung des Gestelles nach unten. In der Seitenwand des<lb/>
Herdes unmittelbar über dem Boden ist an einer geeigneten Stelle eine<lb/>
ausreichend grosse Oeffnung zum Ablassen des Roheisens angebracht,<lb/>
der <hi rendition="#g">Roheisenstich</hi> oder das <hi rendition="#g">Stichloch</hi>, welche durch Sand oder<lb/>
feuerfesten Thon geschlossen gehalten und nur von Zeit zu Zeit ge-<lb/>
öffnet wird, wenn das &#x201E;Abstechen&#x201C; des Roheisens vor sich gehen soll.<lb/>
An einer höher gelegenen Stelle, etwas unterhalb der Formebene und<lb/>
gewöhnlich an einer andern Seite des Ofens als der Eisenstich ist<lb/>
eine zweite kleinere Oeffnung, die <hi rendition="#g">Schlackenöffnung</hi> oder der<lb/><hi rendition="#g">Schlackenstich</hi> angebracht, durch welche man die gebildete Schlacke<lb/>
entweder ununterbrochen abfliessen lässt oder von Zeit zu Zeit absticht.<lb/>
Die Lage dieser Schlackenöffnung bezeichnet also die Höhe, bis zu<lb/>
welcher überhaupt die geschmolzenen Massen im Ofen ansteigen können.</p><lb/>
                <p>Diese Einrichtung ist die bei den ältesten aller Hochöfen, den<lb/>
schon erwähnten Blauöfen, angewendete, und man bezeichnet deshalb<lb/>
in einzelnen Gegenden auch jetzt noch die Hochöfen mit geschlossener<lb/>
Brust als Blauöfen. Das Innere des Gestelles und Herdes ist nur<lb/>
durch die verhältnissmässig engen Windformen und den Schlackenstich<lb/>
zugänglich; die Bildung einer dünnflüssigen Schlacke ist deshalb bei<lb/>
Anwendung der geschlossenen Brust nothwendig, damit nicht durch<lb/>
erstarrte Massen Versetzungen im Innern entstehen, welche den Fort-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0372] Der Hochofen. also gerade da, wo eine dichtere Lagerung erwünscht ist, zur Folge hat und somit das Gegentheil des beabsichtigten Erfolges bewirkt. Nach- dem diese Nachtheile einer zu engen Gicht, insbesondere die dadurch hervorgerufene Beschränkung der Leistungsfähigkeit eines Ofens, ver- schiedentlich beobachtet, die Vortheile weiterer Gichten erkannt worden waren, gab man auf verschiedenen Werken die übliche Kegelform des oberen Schachtes auf und ging zu einer cylindrischen Form über, wo- durch dann die in Fig. 56 skizzirte Ofenform entstand. Wenn that- sächlich in vielen Fällen, besonders da, wo der Kohlensackdurchmesser des Ofens nicht sehr gross war, durch eine derartige Construction merkbare Nachtheile für den Ofengang nicht hervorgerufen wurden, so kann doch eine Form, wie sie Fig. 57 darstellt und wie sie mitunter auf englischen Eisenwerken zur Anwendung gebracht ist, um auch bei engerer Gicht einen grösseren Schachtdurchmesser zu erhalten, nur durch besondere Verhältnisse (Einrichtung der mechanischen Aufgebe- vorrichtung) gerechtfertigt erscheinen. Abgesehen von den zahlreichen Abweichungen in dem Profile der Hochöfen, von denen natürlicherweise nur die am meisten charakte- ristischen Formen in Vorstehendem beschrieben werden konnten, lassen sich nach der Einrichtung des Herdes, d. h. des unterhalb der Wind- formen befindlichen Sammelraumes für Roheisen und Schlacke zwei wesentlich abweichende Ofengattungen unterscheiden. Bei den zu der ersten dieser Ofengattungen gehörigen Oefen, welche man als Hochöfen mit geschlossener Brust (auch wohl als Tiegelöfen) zu bezeichnen pflegt, ist der Herd, wie es die Skizze Fig. 58 erkennen lässt, ringsum geschlossen und bildet somit lediglich eine Verlängerung des Gestelles nach unten. In der Seitenwand des Herdes unmittelbar über dem Boden ist an einer geeigneten Stelle eine ausreichend grosse Oeffnung zum Ablassen des Roheisens angebracht, der Roheisenstich oder das Stichloch, welche durch Sand oder feuerfesten Thon geschlossen gehalten und nur von Zeit zu Zeit ge- öffnet wird, wenn das „Abstechen“ des Roheisens vor sich gehen soll. An einer höher gelegenen Stelle, etwas unterhalb der Formebene und gewöhnlich an einer andern Seite des Ofens als der Eisenstich ist eine zweite kleinere Oeffnung, die Schlackenöffnung oder der Schlackenstich angebracht, durch welche man die gebildete Schlacke entweder ununterbrochen abfliessen lässt oder von Zeit zu Zeit absticht. Die Lage dieser Schlackenöffnung bezeichnet also die Höhe, bis zu welcher überhaupt die geschmolzenen Massen im Ofen ansteigen können. Diese Einrichtung ist die bei den ältesten aller Hochöfen, den schon erwähnten Blauöfen, angewendete, und man bezeichnet deshalb in einzelnen Gegenden auch jetzt noch die Hochöfen mit geschlossener Brust als Blauöfen. Das Innere des Gestelles und Herdes ist nur durch die verhältnissmässig engen Windformen und den Schlackenstich zugänglich; die Bildung einer dünnflüssigen Schlacke ist deshalb bei Anwendung der geschlossenen Brust nothwendig, damit nicht durch erstarrte Massen Versetzungen im Innern entstehen, welche den Fort-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/372
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/372>, abgerufen am 05.12.2024.