Ferner wurde das Bedürfnis geleugnet "auf Grund der erfahrungs- mäßig geringen Veranlagung des weiblichen Geschlechts für die großen Aufgaben der hohen Kunst". - Zunächst müßte man sich eigentlich über den Begriff der "großen Aufgaben der hohen Kunst" einmal einig werden. Schaffende Künstler werden, glaube ich, in der Mehrzahl den Begriff anders verstehen als jener Abgeordnete, bei dem mir die Worte nach Schlachtenbildern und bemalten Wänden klangen. Wenn Frauen sich solchen Aufgaben bisher wenig zuwandten, so fällt dabei fraglos ins Gewicht, daß sie bisher ebensowenig Gelegenheit hatten, sich dafür vorzubilden, als derartig umfangreiche Aufträge zu erhalten. Blumen und Stilleben, Porträt und Landschaft, das war alles, worin ihnen die praktische Arbeit zugängig war. Auch das beginnt sich zu ändern, und gleichzeitig haben sich die Künstlerinnen ihre Ziele weiter gesteckt. Vielleicht werden sie sich künftig auch "den großen Auf- gaben der hohen Kunst" gewachsen zeigen. - Übrigens möchte ich doch darauf hinweisen, daß auch das Stilleben nicht zu verachten ist. Wir stellen künstlerisch einen Manetschen gemalten Spargel höher als manch großes Schlachtenbild. Das "Wie", nicht das "Was" bedingt den Wert des Kunstwerks. Es wurde der Kritik über die geringe Veranlagung des weiblichen Geschlechts für die hohe Kunst hinzu- gefügt, die wenigen Frauen mit hervorragendem Maltalent - und es handle sich fast immer um Maltalent (?) - hätten sich bisher durchgesetzt und würden sich auch künftig durchsetzen. Dieser Gemeinplatz, freilich ein bequemes Mittel zur Beschwichtigung des Gewissens, ist ebenso ober- flächlich wie grausam und gefährlich. Die wenigen, die sich durchgesetzt haben, kennt man, aber wer weiß von denen, die am Wege liegen blieben? Jhrer sind nicht wenige, und vielleicht waren unter ihnen die Besten! - Nicht nur über Petitionen, auch über gescheiterte Genies geht man zur Tagesordnung über.
Als praktischer Gesichtspunkt für die Ablehnung wurde die Über- füllung der Akademien, der Platzmangel geltend gemacht. Man könne
Ferner wurde das Bedürfnis geleugnet „auf Grund der erfahrungs- mäßig geringen Veranlagung des weiblichen Geschlechts für die großen Aufgaben der hohen Kunst“. – Zunächst müßte man sich eigentlich über den Begriff der „großen Aufgaben der hohen Kunst“ einmal einig werden. Schaffende Künstler werden, glaube ich, in der Mehrzahl den Begriff anders verstehen als jener Abgeordnete, bei dem mir die Worte nach Schlachtenbildern und bemalten Wänden klangen. Wenn Frauen sich solchen Aufgaben bisher wenig zuwandten, so fällt dabei fraglos ins Gewicht, daß sie bisher ebensowenig Gelegenheit hatten, sich dafür vorzubilden, als derartig umfangreiche Aufträge zu erhalten. Blumen und Stilleben, Porträt und Landschaft, das war alles, worin ihnen die praktische Arbeit zugängig war. Auch das beginnt sich zu ändern, und gleichzeitig haben sich die Künstlerinnen ihre Ziele weiter gesteckt. Vielleicht werden sie sich künftig auch „den großen Auf- gaben der hohen Kunst“ gewachsen zeigen. – Übrigens möchte ich doch darauf hinweisen, daß auch das Stilleben nicht zu verachten ist. Wir stellen künstlerisch einen Manetschen gemalten Spargel höher als manch großes Schlachtenbild. Das „Wie“, nicht das „Was“ bedingt den Wert des Kunstwerks. Es wurde der Kritik über die geringe Veranlagung des weiblichen Geschlechts für die hohe Kunst hinzu- gefügt, die wenigen Frauen mit hervorragendem Maltalent – und es handle sich fast immer um Maltalent (?) – hätten sich bisher durchgesetzt und würden sich auch künftig durchsetzen. Dieser Gemeinplatz, freilich ein bequemes Mittel zur Beschwichtigung des Gewissens, ist ebenso ober- flächlich wie grausam und gefährlich. Die wenigen, die sich durchgesetzt haben, kennt man, aber wer weiß von denen, die am Wege liegen blieben? Jhrer sind nicht wenige, und vielleicht waren unter ihnen die Besten! – Nicht nur über Petitionen, auch über gescheiterte Genies geht man zur Tagesordnung über.
Als praktischer Gesichtspunkt für die Ablehnung wurde die Über- füllung der Akademien, der Platzmangel geltend gemacht. Man könne
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Ferner wurde das Bedürfnis geleugnet „auf Grund der erfahrungs-
mäßig geringen Veranlagung des weiblichen Geschlechts für die großen
Aufgaben der hohen Kunst“. – Zunächst müßte man sich eigentlich
über den Begriff der „großen Aufgaben der hohen Kunst“ einmal einig
werden. Schaffende Künstler werden, glaube ich, in der Mehrzahl
den Begriff anders verstehen als jener Abgeordnete, bei dem mir die
Worte nach Schlachtenbildern und bemalten Wänden klangen. Wenn
Frauen sich solchen Aufgaben bisher wenig zuwandten, so fällt dabei
fraglos ins Gewicht, daß sie bisher ebensowenig Gelegenheit hatten,
sich dafür vorzubilden, als derartig umfangreiche Aufträge zu erhalten.
Blumen und Stilleben, Porträt und Landschaft, das war alles, worin
ihnen die praktische Arbeit zugängig war. Auch das beginnt sich zu
ändern, und gleichzeitig haben sich die Künstlerinnen ihre Ziele weiter
gesteckt. Vielleicht werden sie sich künftig auch „den großen Auf-
gaben der hohen Kunst“ gewachsen zeigen. – Übrigens möchte ich
doch darauf hinweisen, daß auch das Stilleben nicht zu verachten ist.
Wir stellen künstlerisch einen Manetschen gemalten Spargel höher als
manch großes Schlachtenbild. Das „Wie“, nicht das „Was“ bedingt
den Wert des Kunstwerks. Es wurde der Kritik über die geringe
Veranlagung des weiblichen Geschlechts für die hohe Kunst hinzu-
gefügt, die wenigen Frauen mit hervorragendem Maltalent – und es
handle sich fast immer um Maltalent (?) – hätten sich bisher durchgesetzt
und würden sich auch künftig durchsetzen. Dieser Gemeinplatz, freilich
ein bequemes Mittel zur Beschwichtigung des Gewissens, ist ebenso ober-
flächlich wie grausam und gefährlich. Die wenigen, die sich durchgesetzt
haben, kennt man, aber wer weiß von denen, die am Wege liegen
blieben? Jhrer sind nicht wenige, und vielleicht waren unter ihnen die
Besten! – Nicht nur über Petitionen, auch über gescheiterte Genies geht
man zur Tagesordnung über.
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Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/25>, abgerufen am 16.02.2025.
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