noch rüstig im Schiffbau. Die Stadt selbst, welche 77.000 Einwohner zählt, scheidet sich, wie so viele Städte des Vereinigten Königreiches, in den alten und den neuen Theil. Ersterer ist eng und düster, während die neuen Stadtquartiere einen freundlichen Eindruck machen und zumeist breit gehalten sind.
Zu den Sehenswürdigkeiten von Leith zählt die aus dem XV. Jahrhundert stammende Kirche von St. Mary, die Kornbörse, ein grosses Clublocale und das Zollamt. Nahe bei Leith liegt die alte Kirche von Restalrig mit vielen werthvollen Antiquitäten.
Von Leith nach Edinburgh gelangt man auf der Eisenbahn in einigen Minuten.
Ist nun Leith der eigentliche Geschäftsort, so vereinigt Edin- burgh durch seine Lage, durch seine Bauten, durch den ganzen Charakter seiner Anlage so viele Reize in sich, dass man es schon oftmals mit Athen verglichen hat. Edinburgh, in der Grafschaft Midlo- thian, liegt auf einem hügeligen Terrain und entwickelt sich, hiedurch begünstigt, in malerischer Anlage, der die bergige Umgebung als weiterer Hintergrund dient. Auch diese Stadt zerfällt in zwei von einander wesentlich abweichende Theile, von denen die alte Stadt ebenso pittoresk als regellos erscheint, wie die neue Stadt breit und gleichmässig angelegt ist. Die alte Stadt nimmt den südlichen Theil ein und kennzeichnet sich durch drei besonders hervorragende Punkte, nämlich durch das alte Schloss, The Castle schlechthin, durch Calton Hill und durch Holyrood. Die Scheidelinie zwischen der alten und der neuen Stadt bildet die Princes-Street.
Wenden wir uns nun zunächst in die alte Stadt, so drängt sich uns eine Fülle historischer Erinnerungen auf. Denn ihr Bestand reicht in altersgraue Zeiten zurück. Sie gehörte einst zu dem Königreiche Northumbria und fiel erst im XI. Jahrhundert an das schottische Reich. Die schottischen Könige verlegten dann bald ihre Residenz dahin, da schon die fortwährenden Differenzen mit England diesen Punkt als besonders geeignet gelegen erscheinen liessen. In den vielfachen inneren und äusseren Kämpfen, welche das ganze Mittelalter hindurch Schottland mehr oder minder in Athem hielten, war Edinburgh oftmals betheiligt und sah in seinen Mauern stolze Könige und übermüthige Vasallen und auch die siegreichen Engländer. Namentlich unter den späteren Stuarts stieg Edinburghs Bedeutung als Königssitz, und als die Schotten sich mit vollem Eifer in die Reformation stürzten, da ging von dieser Stadt die strenge Richtung der Puritaner aus, und dort war deren festeste Burg. In Edinburgh hat Maria Stuart ihre besten Zeiten verbracht, aber auch die Wende ihres Schicksales anbrechen sehen, in Edinburgh ward der Covenant gebildet, welcher nicht am wenigsten dazu beitrug, um einem anderen Stuart, Karl I., Thron und Leben zu rauben, und so rollen sich bewegte Bilder bei Betrachtung dieser Stadt auf. War deren Geschichte bis zur Mitte des
Der atlantische Ocean.
noch rüstig im Schiffbau. Die Stadt selbst, welche 77.000 Einwohner zählt, scheidet sich, wie so viele Städte des Vereinigten Königreiches, in den alten und den neuen Theil. Ersterer ist eng und düster, während die neuen Stadtquartiere einen freundlichen Eindruck machen und zumeist breit gehalten sind.
Zu den Sehenswürdigkeiten von Leith zählt die aus dem XV. Jahrhundert stammende Kirche von St. Mary, die Kornbörse, ein grosses Clublocale und das Zollamt. Nahe bei Leith liegt die alte Kirche von Restalrig mit vielen werthvollen Antiquitäten.
Von Leith nach Edinburgh gelangt man auf der Eisenbahn in einigen Minuten.
Ist nun Leith der eigentliche Geschäftsort, so vereinigt Edin- burgh durch seine Lage, durch seine Bauten, durch den ganzen Charakter seiner Anlage so viele Reize in sich, dass man es schon oftmals mit Athen verglichen hat. Edinburgh, in der Grafschaft Midlo- thian, liegt auf einem hügeligen Terrain und entwickelt sich, hiedurch begünstigt, in malerischer Anlage, der die bergige Umgebung als weiterer Hintergrund dient. Auch diese Stadt zerfällt in zwei von einander wesentlich abweichende Theile, von denen die alte Stadt ebenso pittoresk als regellos erscheint, wie die neue Stadt breit und gleichmässig angelegt ist. Die alte Stadt nimmt den südlichen Theil ein und kennzeichnet sich durch drei besonders hervorragende Punkte, nämlich durch das alte Schloss, The Castle schlechthin, durch Calton Hill und durch Holyrood. Die Scheidelinie zwischen der alten und der neuen Stadt bildet die Princes-Street.
Wenden wir uns nun zunächst in die alte Stadt, so drängt sich uns eine Fülle historischer Erinnerungen auf. Denn ihr Bestand reicht in altersgraue Zeiten zurück. Sie gehörte einst zu dem Königreiche Northumbria und fiel erst im XI. Jahrhundert an das schottische Reich. Die schottischen Könige verlegten dann bald ihre Residenz dahin, da schon die fortwährenden Differenzen mit England diesen Punkt als besonders geeignet gelegen erscheinen liessen. In den vielfachen inneren und äusseren Kämpfen, welche das ganze Mittelalter hindurch Schottland mehr oder minder in Athem hielten, war Edinburgh oftmals betheiligt und sah in seinen Mauern stolze Könige und übermüthige Vasallen und auch die siegreichen Engländer. Namentlich unter den späteren Stuarts stieg Edinburghs Bedeutung als Königssitz, und als die Schotten sich mit vollem Eifer in die Reformation stürzten, da ging von dieser Stadt die strenge Richtung der Puritaner aus, und dort war deren festeste Burg. In Edinburgh hat Maria Stuart ihre besten Zeiten verbracht, aber auch die Wende ihres Schicksales anbrechen sehen, in Edinburgh ward der Covenant gebildet, welcher nicht am wenigsten dazu beitrug, um einem anderen Stuart, Karl I., Thron und Leben zu rauben, und so rollen sich bewegte Bilder bei Betrachtung dieser Stadt auf. War deren Geschichte bis zur Mitte des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f1022"n="1002"/><fwplace="top"type="header">Der atlantische Ocean.</fw><lb/>
noch rüstig im Schiffbau. Die Stadt selbst, welche 77.000 Einwohner<lb/>
zählt, scheidet sich, wie so viele Städte des Vereinigten Königreiches,<lb/>
in den alten und den neuen Theil. Ersterer ist eng und düster,<lb/>
während die neuen Stadtquartiere einen freundlichen Eindruck machen<lb/>
und zumeist breit gehalten sind.</p><lb/><p>Zu den Sehenswürdigkeiten von Leith zählt die aus dem<lb/>
XV. Jahrhundert stammende Kirche von St. Mary, die Kornbörse, ein<lb/>
grosses Clublocale und das Zollamt. Nahe bei Leith liegt die alte<lb/>
Kirche von Restalrig mit vielen werthvollen Antiquitäten.</p><lb/><p>Von Leith nach Edinburgh gelangt man auf der Eisenbahn<lb/>
in einigen Minuten.</p><lb/><p>Ist nun Leith der eigentliche Geschäftsort, so vereinigt <hirendition="#g">Edin-<lb/>
burgh</hi> durch seine Lage, durch seine Bauten, durch den ganzen<lb/>
Charakter seiner Anlage so viele Reize in sich, dass man es schon<lb/>
oftmals mit Athen verglichen hat. Edinburgh, in der Grafschaft Midlo-<lb/>
thian, liegt auf einem hügeligen Terrain und entwickelt sich, hiedurch<lb/>
begünstigt, in malerischer Anlage, der die bergige Umgebung als<lb/>
weiterer Hintergrund dient. Auch diese Stadt zerfällt in zwei von<lb/>
einander wesentlich abweichende Theile, von denen die alte Stadt<lb/>
ebenso pittoresk als regellos erscheint, wie die neue Stadt breit und<lb/>
gleichmässig angelegt ist. Die alte Stadt nimmt den südlichen Theil<lb/>
ein und kennzeichnet sich durch drei besonders hervorragende Punkte,<lb/>
nämlich durch das alte Schloss, The Castle schlechthin, durch Calton<lb/>
Hill und durch Holyrood. Die Scheidelinie zwischen der alten und<lb/>
der neuen Stadt bildet die Princes-Street.</p><lb/><p>Wenden wir uns nun zunächst in die alte Stadt, so drängt sich uns eine<lb/>
Fülle historischer Erinnerungen auf. Denn ihr Bestand reicht in altersgraue<lb/>
Zeiten zurück. Sie gehörte einst zu dem Königreiche Northumbria und fiel erst im<lb/>
XI. Jahrhundert an das schottische Reich. Die schottischen Könige verlegten dann<lb/>
bald ihre Residenz dahin, da schon die fortwährenden Differenzen mit England<lb/>
diesen Punkt als besonders geeignet gelegen erscheinen liessen. In den vielfachen<lb/>
inneren und äusseren Kämpfen, welche das ganze Mittelalter hindurch Schottland<lb/>
mehr oder minder in Athem hielten, war Edinburgh oftmals betheiligt und sah in<lb/>
seinen Mauern stolze Könige und übermüthige Vasallen und auch die siegreichen<lb/>
Engländer. Namentlich unter den späteren Stuarts stieg Edinburghs Bedeutung als<lb/>
Königssitz, und als die Schotten sich mit vollem Eifer in die Reformation stürzten,<lb/>
da ging von dieser Stadt die strenge Richtung der Puritaner aus, und dort war<lb/>
deren festeste Burg. In Edinburgh hat Maria Stuart ihre besten Zeiten verbracht,<lb/>
aber auch die Wende ihres Schicksales anbrechen sehen, in Edinburgh ward der<lb/>
Covenant gebildet, welcher nicht am wenigsten dazu beitrug, um einem anderen<lb/>
Stuart, Karl I., Thron und Leben zu rauben, und so rollen sich bewegte Bilder<lb/>
bei Betrachtung dieser Stadt auf. War deren Geschichte bis zur Mitte des<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1002/1022]
Der atlantische Ocean.
noch rüstig im Schiffbau. Die Stadt selbst, welche 77.000 Einwohner
zählt, scheidet sich, wie so viele Städte des Vereinigten Königreiches,
in den alten und den neuen Theil. Ersterer ist eng und düster,
während die neuen Stadtquartiere einen freundlichen Eindruck machen
und zumeist breit gehalten sind.
Zu den Sehenswürdigkeiten von Leith zählt die aus dem
XV. Jahrhundert stammende Kirche von St. Mary, die Kornbörse, ein
grosses Clublocale und das Zollamt. Nahe bei Leith liegt die alte
Kirche von Restalrig mit vielen werthvollen Antiquitäten.
Von Leith nach Edinburgh gelangt man auf der Eisenbahn
in einigen Minuten.
Ist nun Leith der eigentliche Geschäftsort, so vereinigt Edin-
burgh durch seine Lage, durch seine Bauten, durch den ganzen
Charakter seiner Anlage so viele Reize in sich, dass man es schon
oftmals mit Athen verglichen hat. Edinburgh, in der Grafschaft Midlo-
thian, liegt auf einem hügeligen Terrain und entwickelt sich, hiedurch
begünstigt, in malerischer Anlage, der die bergige Umgebung als
weiterer Hintergrund dient. Auch diese Stadt zerfällt in zwei von
einander wesentlich abweichende Theile, von denen die alte Stadt
ebenso pittoresk als regellos erscheint, wie die neue Stadt breit und
gleichmässig angelegt ist. Die alte Stadt nimmt den südlichen Theil
ein und kennzeichnet sich durch drei besonders hervorragende Punkte,
nämlich durch das alte Schloss, The Castle schlechthin, durch Calton
Hill und durch Holyrood. Die Scheidelinie zwischen der alten und
der neuen Stadt bildet die Princes-Street.
Wenden wir uns nun zunächst in die alte Stadt, so drängt sich uns eine
Fülle historischer Erinnerungen auf. Denn ihr Bestand reicht in altersgraue
Zeiten zurück. Sie gehörte einst zu dem Königreiche Northumbria und fiel erst im
XI. Jahrhundert an das schottische Reich. Die schottischen Könige verlegten dann
bald ihre Residenz dahin, da schon die fortwährenden Differenzen mit England
diesen Punkt als besonders geeignet gelegen erscheinen liessen. In den vielfachen
inneren und äusseren Kämpfen, welche das ganze Mittelalter hindurch Schottland
mehr oder minder in Athem hielten, war Edinburgh oftmals betheiligt und sah in
seinen Mauern stolze Könige und übermüthige Vasallen und auch die siegreichen
Engländer. Namentlich unter den späteren Stuarts stieg Edinburghs Bedeutung als
Königssitz, und als die Schotten sich mit vollem Eifer in die Reformation stürzten,
da ging von dieser Stadt die strenge Richtung der Puritaner aus, und dort war
deren festeste Burg. In Edinburgh hat Maria Stuart ihre besten Zeiten verbracht,
aber auch die Wende ihres Schicksales anbrechen sehen, in Edinburgh ward der
Covenant gebildet, welcher nicht am wenigsten dazu beitrug, um einem anderen
Stuart, Karl I., Thron und Leben zu rauben, und so rollen sich bewegte Bilder
bei Betrachtung dieser Stadt auf. War deren Geschichte bis zur Mitte des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 1002. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/1022>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.